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payoff Interviews

«Robo-Advisory muss nicht billig sein, sondern kosteneffizient.»

03.04.2017 6 Min.
  • Martin Raab

Rino Borini, Leiter CAS Digital Finance der HWZ Hochschule für Wirtschaft und Co-Founder financialmedia AG, über Sinn und Unsinn von Robo-Advisors, warum sie Banking wieder sexy machen und warum es nichts bringt, nur billig zu sein.

Herr Borini, um die Zukunft des digitalen Portfolio-Managements tobt eine vielfältige Diskussion. Wo steht die Bankenwelt aktuell beim Thema Digitalisierung?
Banken stehen vor riesigen Herausforderungen. Die Digitalisierung zwingt sie dazu ihre Geschäftsmodelle an die neue digitale Realität anpassen. Zudem nisten sich Fintechs und die grossen Tech-Giganten in die Wertschöpfungskette Finanzdienstleistungen ein – eben auch in der Vermögensverwaltung. Bereits heute bieten unabhängige digitale Vermögensverwalter, sogenannte Robo-Advisors, oftmals eine viel bessere Kunden-Experience als herkömmliche Banken.

Wie definiert sich heutzutage ein Robo-Advisor?
Ein Robo-Advisor ist nichts anderes als ein digitaler Vermögensverwalter. Eigentlich mag ich den Begriff Robo-Advisor gar nicht, vielmehr geht es um eine automatisierte Vermögensverwaltung. Die Robos profilieren den Kunden, schlagen ihm auf Grund seinem Risikoappetit und seiner Vermögenssituation eine Strategie vor und bei einigen Anbietern kann er diese individuell anpassen und am Ende wird diese kosteneffizient umgesetzt: alles digital, alles sozusagen vom Sofa aus machbar. Und natürlich wird die umgesetzte Strategie auch regelmässig geprüft und nötigenfalls angepasst. Und all das tun die Vermögensverwalter und Banken auch, nur eben nicht mit der gleichen Konsequenz, nämlich digital.

Wo konkret liegt der Charme?
Mit wenigen Klicks kann ein Anleger in eine intelligente Anlagestrategie investieren, passend für seinen Risikoappetit und seine Vermögenssituation und zahlt dafür weniger als ein Prozent pro Jahr. In den meisten Fällen beträgt die Gebühr zwischen 0.5 bis 0.7 Prozent. Er kann heute auf Strategien zugreifen, die es oftmals nur für teures Geld gab. Und da kommt noch viel mehr: Künstliche Intelligenz, Big-Data-Analytics und intelligente Algorithmen.

Das soll der Charme sein?
Der Charme liegt darin, dass Banking sexy wird: Der Kunde hat ein besseres Kundenerlebnis und er bekommt mehr Banking für weniger Geld. Die Zeiten sind vorbei, wo Kunden mit Standardprodukten abgefertigt werden. Heute geht es um Kundenzentriertheit, es geht um Customer-Managed-Relationship.

Man kennt die grossen US-Robos, doch wie ist die D-A-CH Region bei diesem Thema aufgestellt und welche Anbieter stechen mit speziellen Angeboten hervor?
Die USA sind, einen Schritt voraus, wobei ein Vergleich mit den USA nicht ganz sinnvoll ist. Die US-Anbieter wären ohne die privaten Gelder der US-Altersvorsorge, die 401k-Konten, bedeutend kleiner. Und bei uns in der Schweiz frisst das Vorsorge-Zwangssparen, viel Potenzial. Die Anbieter hierzulande unterscheiden sich ganz verschieden: Eine «Selma Finance» spricht vor allem jüngere Leute an, die Millenials, und hat einen frechen aber intelligenten Chatbot, der den Kunden auf eine einfache Art und Weise zum Ziel führt. «Descartes Finance» hat das Modell des Hybriden-Robos gewählt, sprich in Zürich und Zug sitzen zudem Berater aus Fleisch und Blut. Oder bei «TrueWealth» kann man seine Anlagestrategie jederzeit ändern, mit wenigen Klicks.

«Viele Anleger haben das Gefühl, dass sie einem Computersystem ausgesetzt sind. Doch das stimmt nicht.»

Gibt es unter Robos auch schwarze Schafe?
Mir sind keine bekannt. Natürlich gibt es auch immer wieder Trittbrettfahrer, doch noch ist mir keiner unter die Augen gekommen. Ein Anleger sollte sich grundsätzlich mit den Robo-Advisorn auseinandersetzen und genau prüfen, was für ein Team dahinter steckt, mit welcher Depotbank der Robo arbeitet und natürlich auch mit der Preisstruktur; also was kriegt man für sein Geld.

…kommt ein Preiskampf in diesem Segment oder durch welche Strategie planen die vielzähligen Provider rasch zu wachsen?
Ich bin nicht der Meinung, dass ein Preiskampf sinnvoll ist. Robo-Advisory muss nicht billig sein, sondern kosteneffizient. Es wäre gefährlich, wenn sich die Robos auf einen Preiskampf einlassen. Es braucht einfach Zeit, bis die Kunden verstehen, dass Robo-Advisory einen Mehrwert bieten kann. Und es braucht Vertrauen in die Anbieter, und sie müssen natürlich Leistung erbringen.

So schön der Glanz der Robo-Advisors ist – es besteht allerdings auch der Verdacht eines übertriebenen Hypes.
Ich sehe keinen Hype. Aber ihre Frage ist berechtigt. Viele Anleger haben das Gefühl, dass sie einem Computersystem ausgesetzt sind. Doch das stimmt nicht, letztlich stehen hinter einem Robo-Advisor Menschen, solche mit einem technischen Backround und natürlich solche mit Erfahrung in der Vermögensverwaltung. Das Gute ist, dass ein Robo ohne Emotionen handelt und alles regelbasiert ist. Das sind ja eigentlich die Erfolgsfaktoren in der Geldanlage. Wir stehen zudem ganz am Anfang, sozusagen Robo-Advisory 1.0. Die Möglichkeiten sind schier unbegrenzt, doch das braucht Zeit.

Wie spielt die Regulierung in die Thematik Robos?
Alle Regulierungen betreffen auch die Robo-Advisors, ganz klar. Letztlich sind diese im Finanzbereich aktiv. Der Vorteil: Robos haben im Vergleich zu den herkömmlichen Vermögensverwaltern die Technologie. Die steht am Anfang und ist das Werkzeug um eine effiziente Vermögensverwaltung überhaupt anzubieten. Und auch damit können die ganzen regulatorischen Vorgaben effizienter umgesetzt werden.

Wann sehen wir bei Robo-Advisors endlich auch Themen-Zertifikate in deren Verwendung?
Das gibt es schon. Der Investomat, die digitale Plattform von der Glarner Kantonalbank, hat bereits Themen-Investing integriert. Oder bei «Descartes Finance» haben Kunden ab einer bestimmten Mindestsumme die Möglichkeit auf alle börsengehandelten Wertpapiere, weltweit, zuzugreifen, somit auch Themeninvestments.

Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung dieser Angebote ein – welche Trends orten Sie?
Ich sehe grosses Potenzial im hybriden Modell. Das heisst digital und analog. Nebst moderner Technik sind es sind Experten mit profundem Finanzwissen im Einsatz. Wir werden künftig noch mehr Individualisierungsmöglichkeiten sehen und mit künstlicher Intelligenz und Big Data Analytics werden die Robo’s in die nächste Sphäre starten.

Zum Abschluss eine Schätzfrage: Wie hoch wird der Anteil an automatisiertem Portfolio-Management bei Schweizer Retailkunden im Jahr 2020 sein?
Im Schätzen war ich noch nie gut und die Frage ist nicht ganz einfach, denn wenige Banken haben ebenso eine Art Robo-Advisor im Einsatz. So prüft beispielsweise die UBS über Nacht den Gesundheitszustand aller Kundenportfolios und sollte irgendwo was nicht gut sein, kommt automatisch ein Vorschlag um das Depot wieder auf Vordermann zu bringen. Das ist eben auch automatisiert. Aber ich würde es mal so formulieren: Robo-Advisory ist gekommen um zu bleiben und sie werden im Neugeld zweistellig wachsen.

Herzlichen Dank!

 

VITA
Rino Borini ist Mitgründer und CEO der financialmedia AG, ein unabhängiges Medienhaus mit Fokus auf Wirtschaft und Finanzthemen. Der Unternehmer hat sich im Bereich Digital Finance in der Schweiz früh einen Namen gemacht. Borini hat u.a. die Finance 2.0 Plattform, die europaweit zu den einflussreichsten zählt und für Innovation und Technologie im Finanzbereich steht, mitinitiiert. Borini ist Verwaltungsrat der digitalen Investmentplattform Descartes Finance. Sein breites und tiefes Wissen über die Finanzmärkte und -produkte eignete sich der Certified International Investment Analyst (CIIA) während mehrerer Jahre in diversen Banken an.

 

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