Aladin und die Öl-Optionen
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Martin Raab
Investment-Stratege
Am Ölmarkt herrscht derzeit ein spezielles Phänomen, dass Energy-Trader für phantasievolle Strategien anlockt. Doch Vorsicht: Aktives Risikomanagement ist der Schlüssel zum Erfolg.
Etwas kaschiert von den Nachrichten rund um Renewables, AI und halbwissendem Rezessionsgequatsche, hat sich im konventionellen Ölmarkt seit Mitte April ein besonderes Phänomen ergeben: ein unsichtbarer Preisfloor für die nächsten Quartale, gepaart mit immer noch erhöhter Volatilität im Öl-Terminmarkt. Gesteuert und gestützt wird der Preisfloor vom Major Producer Saudi-Arabien. Dieser produziert täglich 10 Millionen Fass Öl und ist damit die globale Nr. 2 bei den Angebotsmengen, gleich hinter den USA. Gemäss gut unterrichteten Quellen aus Riad, hat man den Reinfall mit dem Credit Suisse Engagement als Anlass für einen umfassenden Kassensturz genommen.
Budgetkalkulation mit 80 Dollar
Dreh- und Angelpunkt ist der kalkulatorische Preis pro Fass Öl. Saudische Beamte und andere Personen, die mit der saudischen Ölpolitik vertraut sind, sagen, dass Riad unter erheblichem Druck steht, höhere Ölpreise aufrechtzuerhalten, da sein Haushalt rund 80 Dollar pro Barrel für die Budget-Balance benötigt – das sind gute 10 Dollar mehr als das derzeitige Preisniveau für Lieferungen in den nächsten Monaten.
Parallel gibt es im erzkonservativen Königreich und Hüter der Islamischen Heiligtümer grossen Finanzierungsbedarf für die weltlichen Giga-Entwicklungsprojekte im eigenen Land: Namentlich ein Ferienort am Roten Meer von der Grösse Belgiens mit unzähligen Hotels im Stil der Malediven und die futuristische Hightech-Stadt Neom (ebenfalls am Roten Meer), die nicht weniger als 33 Mal grösser ist als New York City und einen Finanzbedarf von derzeit 500 Milliarden Dollar hat. Der Ansporn des zweitgrössten Ölförderers der Welt den Preis fürs «Schwarze Gold» deutlich über 65 Dollar zu halten lässt sich unschwer erkennen.
Ölmarkt als bekanntes Terrain
Die saudischen Kräfte sind dabei bestens mit Öl-Futures der europäischen Sorte Brent und dem US-Ölgebräu West Texas Intermediate, kurz «WTI» bekannt und deren preisliche Signalwirkung auf die gesamte Branche. So sind nicht nur preisbeeinflussende Lippenbekenntnisse von den OPEC-Ölministern wahrnehmbar, sondern auch Aktionismus im Futures-Markt. Man möchte und wird «Signale» am Markt senden. Mutmasslich wird es keine Fata Morgana bleiben.
Prämiensammlung hat begonnen
Viele Öl-Trader und Energie-Hedge-Fonds wittern nun renditestarke Chancen, ähnlich dem dienlichen Geist aus der orientalischen Wunderlampe: Short Puts schnappen, sprich Prämie ins Portfolio pumpen. Die Laufzeitenbänder sind flexibel, nicht zu lang, nicht zu kurz. In der Praxis sind dabei die börsengehandelten Future-Optionen auf WTI oftmals erste Wahl im aktuellen Öl-Bazar. Diese sind in der historischen Betrachtung der liquideste Basiswert (rund USD 777 Mio. Volumen), die Brent Options kommen auf rund die Hälfte des Volumens (USD 291 Mio.). Es sei angemerkt, dass im Year-to-Date Futures-Markt bei den Volumen der gehandelten Kontrakte genau die umgedrehte Rangfolge gilt: Brent führt, WTI hat rund 30% weniger Volumen. Optionsseitig sind jetzt Verfälle bis in den Herbst oder Winter über 55 US-Dollar pro Fass Öl die erste Wahl der Trader.
BRC als Alternative
Doch Vorsicht, aggressive Strikes und Übermut haben schon im März so manchem prominenten Öl-Hedge-Fonds aus Singapur, Genf und London durchschnittlich 45% Rendite weggespült. Moderat gestaffelt bringt der «Saudi-Floor» ansehnliche Renditen im US-Dollar bei überschaubaren Risiken. Gemanagt und gemonitort müssen diese aber täglich werden – sonst kauft man sich lieber einen Barrier-Reverse-Convertible auf WTI oder Brent. Das ist die handliche Alternative, um zu vermeiden, dass man sich am Laufzeitende auf einem nach unten fliegenden Teppich befindet.
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Foto von Courtney Hall auf Unsplash