Alte Energie bleibt länger erhalten
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Nick Smithie
Head of Thematic Research bei Redwheel
Die Energiewende lässt auf sich warten. Das muss bei Anlagen in Schwelländern und Frontier-Märkten besonders beachtet werden.
Es gibt viel Begeisterung und Optimismus über die grüne Energiewende und die rasche Einführung von Elektrofahrzeugen. Aber das Ersetzen der bestehenden auf Kohlenwasserstoff basierten Transportmittel durch Fahrzeuge mit sauberer Energie wird ein mehrjähriger Prozess sein. Nicht verwunderlich, dass gerade die Ölproduzenten in Schwellenländern angesichts der robusten Nachfrage und möglicher Angebotsbeschränkungen aktuell zu attraktiven Multiplikatoren gehandelt werden.
Volatilität des Ölpreises täuscht über die anhaltende Nachfrage hinweg
Trotz des raschen Ausbaus neuer Solar- und Windkraftprojekte stellt das Energy Institute fest, dass 2022 immer noch 82 Prozent der weltweiten Primärenergie aus fossilen Brennstoffen stammen werden, davon knapp über 30 Prozent aus Öl [1].
Quelle: Energy Institute, Morgan Stanley Research, Juni 2023.
Die Ölnachfrage liegt bei etwas mehr als 100 Mio. Barrel pro Tag. Sie steigt aufgrund des Bevölkerungswachstums und der allmählichen Anhebung des Lebensstandards langsam weiter an, wie die nachstehende Grafik zeigt.
Quelle: Energy Information Administration 30 April 2024. Produktion/Verbrauch für 2023-2025 basiert auf Prognosen.
Da sich Angebot und Nachfrage in etwa die Waage halten, sollte sich der Ölpreis relativ stabil entwickeln. Seit der globalen Finanzkrise 2008 schwankt der Preis in der Regel innerhalb einer breiten Spanne von 40 bis 100 US-Dollar pro Barrel (siehe nachstehende Grafik). Die Volatilität kann durch geopolitische Ereignisse ausgelöst werden. So führte beispielsweise der Einmarsch Russlands in der Ukraine zu Sanktionen und Beschränkungen der Kohlenwasserstoffexporte des Landes. Die jüngsten Spannungen im Nahen Osten können aufgrund der Anfälligkeit der Exporte durch die Strasse von Hormuz zu höheren Preisen führen. Im März 2024 verhängte die Opec eine Produktionskürzung von 2,2 Mio. bpd bis Juni 2024, um den Preis zu stützen, während sich das globale Wachstum verlangsamt [2].
Quelle: Bloomberg 30. Juni 2024.
Neue Lieferengpässe
Letztlich werden die Reserven aufgrund des kontinuierlichen Wirtschaftswachstums und dem Abbau der derzeit produzierenden Felder gebraucht werden. Neue Angebote werden wahrscheinlich aufgrund verschiedener wirtschaftlicher, ökologischer und sozialer Zwänge nur vorsichtig eingeführt. Erstens ist der Leitzins auf über fünf Prozent geklettert, was einen starken Anstieg der bisherigen Spannbreite von null bis zwei Prozent bedeutet, in welcher er nach der Weltwirtschaftskrise fast 15 Jahre lang angedockt war [3]. Die höheren Kreditkosten verbessern die geforderte Rendite für neue Projekte. Das bedeutet, dass die Ölgesellschaften während der gesamten Laufzeit eines langfristigen Projekts mit einem hohen Ölpreis rechnen müssen. Zweitens verpflichteten sich die Teilnehmer der COP27 der Vereinten Nationen, den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Das beinhaltet auch das Auslaufen der Subventionen für fossile Brennstoffe. Dies wird es aufgrund des politischen und sozialen Drucks schwieriger machen, neue Genehmigungen für die Erschliessung von Ölfeldern, insbesondere auf öffentlichem Grund, zu erhalten. Drittens nimmt die Skepsis der Öffentlichkeit gegenüber der Ölindustrie generell zu. Die Unternehmen könnten zögern, Projekte mit langer Lebensdauer zu entwickeln, die möglicherweise – entweder aus Umweltgründen oder aus rechtlichen Gründen – aufgegeben werden müssen, bevor sie das erforderliche Produktionsvolumen erreicht haben, um finanziell rentabel zu sein.
Attraktive Bewertung von Ölaktien
Erdölanalysten gehen davon aus, dass der Rohölpreis in einer Spanne von 70 bis 80 US-Dollar pro Barrel bleiben wird, bei der die Ölgesellschaften recht profitabel arbeiten können. Die nachstehende Grafik zeigt, dass die Eigenkapitalrendite (ROE) für MSCI Emerging Market Energy-Unternehmen derzeit höher ist als für den MSCI Emerging Markets Index insgesamt.
Quelle: Bloomberg 30. Juni 2024. ROE steht für Return on Equity (Eigenkapitalrendite).
Darüber hinaus sind die Energieunternehmen insgesamt günstiger bewertet als der übrige MSCI Emerging Markets Index selbst. Die Kombination aus hoher Rentabilität und niedriger Bewertung kann als attraktive Anlagemöglichkeit betrachtet werden.
Quelle: Bloomberg 30. Juni 2024.
Die Redwheel-Strategien Emerging Markets, Frontier Markets und Next Generation Markets haben ein Übergewicht im Energiesektor. Die Strategien halten eine Position in YPF, einem Upstream-Energieunternehmen in Argentinien, das sowohl traditionelle Energie als auch erneuerbare Energie aus Solar- und Windenergie produziert. YPF könnte auch von den Wirtschaftsreformen von Präsident Milei profitieren, die ausländische Investitionen anziehen sollen. Die Redwheel Emerging Markets Strategie besitzt auch Aktien von Reliance Industries, einem indischen Unternehmen, das im Downstream-Energiebereich in den Bereichen Raffinerie und Petrochemie tätig ist und das grösste indische Unternehmen im MSCI Emerging Markets Index ist [4].
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Quellen
[1] Energy Institute: ‘Energy system struggles in face of geopolitical and environmental crises’ June, 2023
[3] Bloomberg, 30. Juni 2024
[4] Bloomberg, 30. Juni 2024