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payoff Interviews

Anleger können auf verschiedene Weise auf eine höhere Inflation reagieren.

08.04.2022 6 Min.
  • Serge Nussbaumer, Chefredaktor

Frau Sparenberg was sind die Ursachen des starken Preisanstiegs etli- cher Rohstoffe seit dem Beginn der Pandemie?
Die Covid-19-Pandemie hat einen Schock an den Rohstoffmärkten ausgelöst. Durch den nahezu vollständigen Stillstand der Weltwirtschaft gab es sowohl auf den Rohstoff- als auch auf den Industriemetallmärkten eine einmalige Situation von Angebots- und Nachfrageschocks. Im ersten Halbjahr 2021 gab es, durch fiskalische Impulse und erste Impfstoffe, Aussichten auf eine Erholung. Da sich die Nachfrage schneller erholte als das Angebot, kam es vor allem bei den Industriemetallmärkten zu einer Preisrally.

Stehen wir am Beginn eines Superzyklus bei den Rohstoffen oder erachtet Vontobel die gegenwärtige Aufwärtstendenz als eine vorübergehende Entwicklung?
Es könnte Anzeichen für einen neuen Superzyklus geben, also eine Phase langanhaltender, stark steigender Preise für eine grosse Anzahl von Rohstoffen. Der letzte begann mit dem wirtschaftlichen Aufstieg Chinas, vor etwa zwanzig Jahren. Neben den aktuell geschnürten weltweiten Konjunkturpakten einschliesslich staatlicher und privater Infrastrukturinvestitionen scheinen auch die Industrialisierung und Urbanisierung Indiens sowie die Energiewende und Umstellung auf Elektromobilität Treiber für einen neuen Superzyklus zu sein.

«Es könnte Anzeichen für einen neuen Superzyklus geben.»

Starke Preissprünge und ein tempo- rärer Handelsunterbruch bei Nickel haben die Finanzwelt überrascht. Drohen in den kommenden Monaten auch bei anderen Rohstoffen ähnliche Exzesse?
Die Preisentwicklung von Nickel entspricht nicht dem Normalfall. Als der Krieg in der Ukraine auch den Nickelpreis in die Höhe zog, erkannten Marktteilnehmende grosse Short Positionen im Nickel Future und leiteten einen sogenannten Short-Squeeze ein. Viele Leerverkäufer waren gezwungen, ihre Verluste zu begrenzen und sich mit Nickel-Kontrakten einzudecken, was wiederrum zu steigenden Preisen führte. Die Liquidität am Markt sinkt, was auch zur Gefahr bei andren Märkten führen könnte.

Gemäss dem Vontobel Inflation Influenced Index stehen derzeit die Zeichen auf globaler Inflation. Wie könnten sich, Ihrer Meinung nach, Anleger in solch einem Marktumfeld verhalten?
Anleger können auf verschiedene Weise auf eine höhere Inflation reagieren. Neben einer verstärkten Diversifikation des Portfolios mithilfe von Märkten mit einer niedrigen Inflation sollte sich der Blick zusätzlich auf verschiedene Unternehmen richten, welche der Inflation trotzen könnten. Dazu gehören Unternehmen aus dem Rohstoff- und Energiebereich. Schliesslich kommen ihnen die höheren Preise an Tankstellen, für Strom, Gas oder Heizöl zugute. Aber auch Unternehmen mit einer starken Marke und einem hohen Marktanteil und einer damit verbundenen Preissetzungsmacht haben die richtigen Voraussetzungen, um in einem inflationären Umfeld Schutz zu bieten.

Der Anteil erneuerbarer Energien wird in den kommenden Jahren stark ansteigen. Welche klassischen Nichteisenmetalle könnten von dieser Entwicklung am stärksten profitieren?
Bei der Reduzierung von CO2 werden vor allem erneuerbare Energien im Fokus stehen. Dazu werden Metalle wie Aluminium, Silber, Platin, Kupfer oder Nickel benötigt – aber
auch Rohstoffe wie Lithium oder Molybdän. Aluminium und Silber werden für Photovoltaikanlagen benötigt. Nickel und Kupfer sind wichtige Bestandteile für Batterien und Motoren von Elektrofahrzeugen und Platin spielt für das Thema Wasserstoff eine grosse Rolle.

Was für Optionen bietet Vontobel Anlegern, die in Energie investieren möchten?
Zum einen gibt es Anlagemöglichkeiten in das Thema Energie. Ein Beispiel dafür wäre der Vontobel Nuclear Energy Index, welcher die Preisentwicklung der Unternehmen mit Bezug zur Uranförderung und Atomenergie abbildet. Der Solactive Hydrogen Top Selection Index fokussiert sich auf Wasserstoff-Aktien. Eine weitere interessante Möglichkeit bietet der Vontobel Oil-Strategy Index, der je nach Form der Ölpreis-Futures Kurve entweder Aktien von Öl-Konzernen oder Öl-Futures auswählt. Alternativ können sich Anleger auch für Produkte auf ICE ECX EUA-Futures interessieren, die den Preis von CO2 Emissi- ons-Zertifikaten abbilden.

«Das Thema der Nachhaltigkeit der Atomenergie beschäftigt auch die EU.»

Wie steht es bei dem Vontobel Nuclear Energy Index um den Aspekt der Nachhaltigkeit?
Die Einstufung der Atomenergie ist ein kontrovers diskutiertes Thema. Die Atomenergie verursacht ungefähr 20g CO2 pro kWh Strom. Die Bilanz für Windenergie liegt bei etwa 11-12g pro kWh. Gegen die Kernkraft sprechen umwelttechnische Gründe. Einerseits erinnern Umweltkatastrophen an die Risiken dieser Energieform, andererseits bleibt die Frage betreffend die Lagerung des Atommülls weiterhin unbeantwortet. Das Thema der Nachhaltigkeit der Atomenergie beschäftigt auch die EU. Anfang Februar entschied die EU-Kommission, dass Investitionen in neue Gas- und Atomkraftwerke in derEuropäischen Union unter bestimmten Auflagen als klimafreundlich gelten sollen. Neue
Atomkraftwerke sollen bis 2045 als nachhaltig klassifiziert werden, wenn ein konkreter Plan für die Endlagerung radioaktiver Abfälle ab spätestens 2050 vorliegt.

Weshalb bietet Vontobel keine Produkte mit einem Fokus auf Agrarrohstoffe an?
Vontobel bietet eine Vielzahl von Hebelprodukten im Bereich Agrarrohstoffe an. Anlageprodukte auf beispielsweise Rohstoff-Baskets waren auf Grund von hohen Lizenzgebühren der einzelnen Rohstoff Futures noch nicht realisierbar. Aktuell stehen wir aber vor einer möglichen alternativen Abbildung eben dieser Rohstoffe und hoffen Anlegern bald ein weiteres spannendes Produkt präsentieren zu dürfen.

Die Edelmetalle hinken seit August 2020 dem Aufwärtstrend bei den Rohstoffen hinterher. Sind das aus Sicht von Vontobel günstige Einstiegschancen oder stehen in punkto Potenzial andere Rohstoffe im Vordergrund?
Grundsätzlich stimmt diese Beobachtung, der Unterschied kann von den verschiedenen Rohstoffklassen abgeleitet werden. Besser entwickelt haben sich die Energie- und Agrarrohstoffklassen. Besonders bemerkenswert ist die Entwicklung der Energierohstoffe seit Beginn des Jahres, wobei die Entwicklung des Ölpreises hier besonders heraussticht. Der Krieg in der Ukraine hat die Unsicherheit bezüglich Energieversorgung erhöht, ist Russland doch zumindest für Europa ein wichtiger Energielieferant für Gas. Auch Agrarrohstoffe haben zugelegt, besonders Mais und Weizen. Russland und die Ukraine sind für ungefähr 30% des weltweit gehandelten Weizens verantwortlich. Für Mais ist die Ukraine ein bedeutender Produktionsstandort mit einem Anteil von 17% des weltweit exportierten Maises.

Vielen Dank!

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Vivien Sparenberg arbeitet seit über fünf Jahren bei Vontobel und verantwortet dort den Bereich Flow Products Distribution Schweiz. Davor war sie in der deutschen Vontobel Niederlassung in Frankfurt im Bereich Flow Products Distribution Deutschland für die Emission der Anlageprodukte sowie den Anlegerservice zuständig.

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