
Asset Management muss internationaler und alternativer werden
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Alexander Schindler, Vorstandsmitglied
Das zeitliche Zusammentreffen verschiedener struktureller Brüche fordert das Asset Management heraus. Dies stellt neue Anforderungen an die Entwicklungsfähigkeit von Vermögensverwaltern und Anlegern.
Das aktuelle Umfeld für Investoren ist herausfordernd wie selten zuvor. Gleich in mehreren Bereichen sind neue Strategien erforderlich, um die Kapitalanlage an veränderte Realitäten anzupassen. Dabei kommt der Gegenwind vor allem aus drei Richtungen: Zunächst einmal, und diese Herausforderung ist inzwischen gar nicht mehr so neu, sehen sich Anleger durch das Niedrigzinsumfeld mit einem erhöhten Renditedruck konfrontiert. Hatte mancher Investor vielleicht angenommen, dass die Zeit historisch niedriger Zinsen eine nur kurz- bis mittelfristige Episode sein würde, so wird er diese Einschätzung angesichts der jüngsten Entwicklungen wohl revidieren müssen. Denn die zur Bekämpfung der Folgen der Corona-Pandemie weltweit aufgelegten schuldenfinanzierten Hilfsprogramme der Staaten werden das Niedrigzinsumfeld auf unabsehbare Zeit prolongieren.
Anpassungsdruck für Geschäftsmodelle
Zusätzlicher Druck kommt von einer Wirtschaft, die sich weltweit im strukturellen Wandel befindet. Zeitlich parallel beschleunigen sich hier verschiedene Entwicklungen: der demografische Wandel mit Folgen unter anderem für die Arbeits- und Nachfragemärkte, die technologische Innovation mit Folgen unter anderem für die Geschäftsmodelle der Unternehmen, sowie der staatliche Regulierungswille mit Folgen unter anderem für die Produktionsbedingungen. Nicht nur die Wirtschaft selbst, sondern auch ihre Kapitalgeber werden sich an die neuen Entwicklungen anpassen müssen, wenn sie erfolgreich sein wollen.
Und schliesslich wird erheblicher Druck auf die Investoren auch von Seiten der Politik ausgeübt. Dies gilt für den gesamten Bereich von ESG, derzeit aber insbesondere in Bezug auf die Klimaschutzpolitik. Mit der Pariser Klimakonferenz vom Dezember 2015 als Ausgangspunkt haben viele Staaten sukzessive eine umfangreiche Regulierung auch für die Finanzwirtschaft auf den Weg gebracht. Mit Blick auf Europa sei an dieser Stelle unter anderem auf den Aktionsplan der EU zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums verwiesen, der jetzt schon weitreichende Folgen für die Investmentbranche entfaltet.
Internationalisierung vorantreiben
Soweit die Bestandsaufnahme. Wie am besten auf die Herausforderungen zu reagieren ist, lässt sich nicht verallgemeinern. Regulierte und unregulierte Investoren werden durch unterschiedliche Handlungsrahmen bestimmt. Und selbst innerhalb dieser Gruppen sind die Anforderungen an die Kapitalanlage mitunter speziell. Dennoch bieten sich grundsätzlich drei Wege, welche Investoren beschreiten können, um den Wandel aktiv zu gestalten.
Einer davon besteht in der stärkeren internationalen Diversifizierung der Portfolios. Dies gilt insbesondere für den Anleihebereich, der für die meisten deutschen institutionellen Investoren nach wie vor eine herausgehobene Rolle spielt. Das geringe Ertragspotenzial der europäischen Anleihemärkte kann so durch ein Engagement auf den internationalen Märkten kompensiert werden. Die Vorteile einer solchen Strategie haben wir in unserem Haus Ende vergangenen Jahres durchgerechnet. Dazu wurde einem Portfolio mit geringer geographischer Diversifikation ein global ausgerichtetes Portfolio entgegengestellt. Die Allokation war in beiden Fällen die gleiche und bestand zu 13,6 Prozent aus Aktien, zu 38,4 Prozent aus Staatsanleihen, zu 45,7 Prozent aus Unternehmensanleihen mit Investment Grade Rating sowie zu 2,4 Prozent aus Hochzinsanleihen. Der Vergleich auf Basis der Fünfjahresprognose unseres Hauses brachte ein klares Ergebnis: Während das Weltportfolio eine jährliche Rendite von 2,39 Prozent aufwies, lagen die Renditeaussichten im Home-Bias-Portfolio bei 1,91 Prozent. Zudem betrug das Risiko-Rendite-Verhältnis, das die Rendite in Relation zur Volatilität misst, beim Weltportfolio 0,50 Prozent, beim Home-Bias-Portfolio hingegen nur 0,43 Prozent.
Alternative Investments einbeziehen
Als probates Mittel gegen den Renditedruck können sich auch Alternative Investments erweisen, etwa Private Equity, Private Debt, Infrastruktur oder Immobilien. Zunehmend mehr Investoren nutzen die Möglichkeiten abseits der traditionellen Assetklassen, um robuste Portfolios aufzubauen. Alternative Investments unterscheiden sich von traditionellen Investitionen dadurch, dass sie mit diesen nur gering korrelieren. Sie weisen zwar eine erhöhte Komplexität sowie eine geringere Liquidität auf, ermöglichen allerdings gerade deshalb attraktive Komplexitäts- und Liquiditätsprämien. Neben der Erzielung absolut positiver Erträge bieten sie einen weiteren Mehrwert. Sie können für eine stabilere Rendite-Risikostruktur im Portfolio sorgen. Dadurch fungieren Alternative Investments als wertvolle Instrumente der Diversifikation über unterschiedliche Assetklassen hinweg. All diese Vorteile werden inzwischen auch von deutschen institutionellen Investoren zunehmend gesehen. Dies jedenfalls lässt sich unter anderem auch aus der jüngsten Investor Survey des Bundesverbandes Alternative Investments (BVAI) ablesen. Diese sieht ein starkes Interesse der Anleger an alternativen Investmentmöglichkeiten. Die Gründe hierfür sehen die Befragten vor allem in der verbesserten Portfoliodiversifikation (96%), dem guten Rendite-Risiko-Verhältnis (85%) sowie im Niedrigzinsumfeld (75%).
ESG Kriterien systematisch integrieren
Grosse Fortschritte haben institutionelle Investoren hierzulande bei der Integration nachhaltiger Strategien gemacht. Inzwischen nutzen 80 Prozent der Grossanleger ESG-Kriterien. Noch nie war die Quote so hoch. Dennoch: ein Fünftel der durch unser Haus befragten Investoren verhält sich noch skeptisch. Angesichts der Veränderungen, die der nachhaltige Umbau der Wirtschaft für die Kapitalanlage bereithält, ist dies kaum nachzuvollziehen. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass die Berücksichtigung von Nachhaltigkeit sowohl das Risiko- als auch das Chancenmanagement erheblich verbessert. Wer den derzeit heftigen Wandel an den Märkten aktiv gestalten möchte, kommt daher nicht daran vorbei, seine Kapitalanlage auch nachhaltig auszurichten. Gleiches gilt im Übrigen auch für das aktive Management. Denn Zeiten grosser Strukturumbrüche sind immer auch Zeiten, in denen die Informationseffizienz an den Märkten abnimmt. Klassischerweise ist dies die Stunde der aktiven Manager.