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payoff Interviews

Aufspüren vergessener Titel

10.07.2019 7 Min.
  • Dieter Haas

Ernest Yeung, Portfolio Manager des Emerging Markets Discovery Fund bei T. Rowe Price zur speziellen Strategie des Fonds und den Aussichten der Schwellenländer.

Herr Yeung, Sie verwalten seit dreieinhalb Jahren den mit fünf Sternen von Morning Star eingestuften Emerging Markets Discovery Equity – vormals Value Equity – Fund. Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?

Wir suchen nach Ländern, Sektoren und Gesellschaften, die vom breiten Markt übersehen werden. An diesem Prozess sind nahezu 30 Finanzanalysten aus unserem Hause beteiligt, die mich als Fondsmanager diesbezüglich unterstützen.

Wie muss man sich das Ganze vorstellen?

Das uns zur Verfügung stehende Anlageuniversum umfasst über 1500 Aktien. Inklusive der in Bälde in unserer Benchmark aufgenommenen A-Aktien Chinas sind es über 2000 in Frage kommende Titel. Wir filtern die trendigen Länder, Sektoren und Titel heraus, indem wir verschiedene Kanäle wie Bloomberg, die Portfoliozusammensetzung von Konkurrenzportfolios und unser eigenes Grundlagenresearch benutzen. So meiden wir derzeit die bei den Anlegern hoch im Kurs stehenden IT- und Wachstumswerte. Aus diesem mehrstufigen Prozess bleiben rund 10% der Titel übrig, die wir zur Kategorie der vergessenen Titel zählen. Diese werden vom Team eingehender fundamental beleuchtet. Daneben werden von den Analysten als auch von mir persönlich Management-Interviews gemacht.

Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie aus dem Selektionsprozess?

Aus dem verbliebenen Universum und den vorliegenden Analysen wähle ich rund 60 Unternehmen für den Anlagefonds aus. Derzeit befinden sich 60 Titel aus 21 Ländern und verschiedenen Branchen im Portfolio. Die Zahl der Titel ist bewusst stark fokussiert. Durch die geografische und sektorielle Diversifikation wird allerdings das Risiko im Vergleich zur Benchmark niedrig gehalten und regelmässig überprüft.

Sie äusserten in einem kürzlich erschienenen Interview, dass sich Value Investing in Emerging Markets von demjenigen in den Industrieländern unterscheidet. Können Sie das näher erläutern?

Günstige Bewertungen sind für uns kein Ausgangspunkt, sondern ein Nebenprodukt unseres Investmentprozesses, dessen Ziel es ist in vergessene Titel zu investieren. Wir verfolgen einen differenzierten Ansatz für Value-Investments, da wir glauben, dass Schwellenländer weniger effizient sind als ihre entwickelten Pendants und Aktien sehr lange Zeit günstig bleiben können. In einer Region mit value traps funktioniert die Rückkehr zum Mittelwert nicht immer so, wie sie in den entwickelten Märkten funktioniert. Deshalb suchen wir nach fundamentalen Ansätzen, die zu einer Neubewertung dieser vergessenen Titel führen könnte, in die wir investieren.

Wie lange halten Sie in der Regel einen Titel?

Beim Kauf haben wir klare Vorstellungen, wie sich der zukünftige Kursverlauf entwickeln könnte, basierend auf Zielwertberechnungen durch hauseigene Modelle. Sobald wir eine Position in einer Aktie aufgebaut haben, halten wir sie bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Aktie entweder zu beliebt oder zu teuer wird. Die Normalisierung des Kurses ist für uns kein Auslöser, eine Aktie zu verkaufen, so lange unser Ansatz noch Bestand hat, werden wir die Aktie zusammensetzen lassen. Dies ist die Phase, in der wir unser Portfolio um signifikantes Alpha erweitern können.

Wir sind uns bewusst, dass die Region voller value traps steckt. Deshalb verfolgen wir eine sehr ausgeprägte Verkaufsstrategie, für den Fall, dass sich der Kurs einer Aktie trotz unserer Erwartungen an einen fundamentalen Veränderungsprozess nicht innerhalb von zwei bis drei Jahren bewegt. Unsere Toleranzgrenze beträgt in solchen Situationen bis zu drei Jahre. Wenn das Wertpapier in diesem Zeitraum nicht unseren Erwartungen entspricht, wird es aus dem Portfolio genommen.

Was sind aktuell für Sie Länder, in denen es besonders attraktive vergessene Perlen gibt?

Südafrika erachten wir als vielversprechend. Die Aktien sind günstig bewertet und durch den Regierungswechsel haben sich die Chancen erhöht, dass endlich notwendige Massnahmen zur Wirtschaftsbelebung in Gang gesetzt werden. In China erachten wir die Aktien in den klassischen (old-economy) Branchen als sehr preiswert. Ein weiteres Land, dass wir derzeit näher beleuchten ist Mexiko.

Der Anlagefonds weist derzeit ein deutliches Übergewicht im Industriesektor und im Finanzsektor aus. Weshalb?

Im Industriesektor finden wir derzeit überdurchschnittlich viele vergessene Titel. Im Finanzsektor gilt es zu unterscheiden zwischen Retail Banking und Corporate Banking. Den ersten Bereich erachten wir als wenig attraktiv, dagegen erscheinen uns Bankhäuser, die vor allem auf den Unternehmenssektor setzen, günstig bewertet. Dazu zählen u.a. die österreichische Erste Group Bank und die britische Standard Chartered.

Die Aufnahme dieser beiden Aktien sowie LafargeHolcim haben uns überrascht. Wieso sind diese Unternehmen Bestandteil des Portfolios, bzw. wie sehen die Regeln für derartige Positionen aus?

Wir haben die Möglichkeit, bis 20% des Portfolios in Aktien von Gesellschaften zu investieren, die an Börsen ausserhalb derjenigen der Entwicklungsländer kotiert sind.. In Frage kommen dabei nur Firmen, deren Geschäft umsatz- oder ertragsmässig mehrheitlich in Schwellenländern erfolgt. Im Falle von LafargeHolcim sind diverse Tochtergesellschaften an lokalen Börsen kotiert. Diese entwickeln sich mehrheitlich hervorragend. Zudem liegt ihre Bewertung wie etwa diejenige der Indientochter, gemessen am EBITDA deutlich höher als die Namenaktie des in der Schweiz gehandelten Gesamtkonzerns. Diesen Widerspruch ist für uns ein typisches Beispiel eines vergessenen Titels. Kurzum die Chancen übersteigen die Risiken. Man spricht in diesem Zusammenhang von einem asymmetrischen Chancen-Risiko-Profil..

Aktuell befindet sich mit Buenaventura nur eine einzige Minenaktie in ihrem Portfolio. Finden sich nach der starken Kursavance des Goldes im Minensektor vergessene Perlen?

Minenwerte zählen nicht zu den vergessenen Titeln in den Emerging Markets. Die meisten reagieren lediglich auf Preisbewegungen der entsprechenden Metalle. Daher befindet sich aktuell nur Buenaventura in unserem Portfolio, das aber insgesamt im Bereich Materialien leicht übergewichtet ist.

Sie haben immer auch ein Auge auf staatlich kontrollierten Gesellschaften. Was braucht es hier, damit sie einen Titel in ihr Portfolio aufnehmen?

In diesem Bereich achten wir vor allem auf Veränderungen. In Russland meiden wir derzeit bspw. Norilsk Nickel, da unserer Meinung nach der Kurs der Aktie einzig von der Preisentwicklung der Metalle abhängt. Interessant erscheint uns dagegen Gazprom. Hier ist es jüngst zu etlichen Neubesetzungen im Management gekommen und es wurde eine neue Dividendenpolitik verabschiedet.

Betreiben Sie Markttiming?

Nein. Wir halten üblicherweise einen Cash-Anteil von 2-3%.

Worauf achten Sie auf globalpolitischer Ebene?

Wir verfolgen zwar grundsätzlich einen Bottom-up Ansatz. Dabei ist es uns wichtig, vor allem in Ländern aktiv zu sein, die eine gewisse Stabilität an den Tag legen oder bei denen aufgrund von Veränderungen (bspw. Südafrika) die Chance auf eine Besserung der Lage besteht. Negative Währungseffekte, die den in USD gehandelten Fonds tangieren könnten, versuchen wir zu vermeiden, indem wir nicht in diesbezüglich, besonders gefährdete Länder investieren.

Was sind gegenwärtig die grössten Risiken?

Den Handelskonflikt zwischen den USA und China erachten wir zwar für ein lästiges Störfeuer. Er dürfte aber nicht zu einer allgemeinen Trendumkehr der positiven Entwicklung in den Emerging Markets führen. Für Schwellenländer sind abrupte Änderungen des Ölpreises wesentlich kritischer. Sollte es zu einem Kollaps der Ölpreise in den Bereich um USD 30 pro Barrel kommen, dann würde die gegenwärtige Erholung in den Schwellenländern zunichte gemacht.

Was spricht grundsätzlich für ein Investment in Schwellenländern?

Die Emerging Markets weisen einen anderen Wirtschaftszyklus auf als derjenige der Industrieländer. Die Länge beträgt in der Regel zwischen 8 und 10 Jahren. Das letzte Tief datiert aus dem Frühjahr 2016. Wir befinden uns daher erst am Anfang der mehrjährigen Erholung der Schwellenländeraktien.

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VITA

Ernest Yeung ist seit September 2015 Portfolio Manager der Strategien International Small-Cap Equity und Emerging Markets Discovery Stocks von T. Rowe Price. Er blickt auf 16 Jahre Anlageerfahrung zurück, davon 14 Jahre bei T. Rowe Price. Er ist im Besitz eines Master of Arts der Universität Cambridge.

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