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Banken-Stresstests: Die Kunst, sich selbst zu schaden?

12.06.2015 4 Min.
  • Edoardo Beretta

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser – auch bei Finanzinstituten. Doch scheint die Kommunikationsstrategie der Europäischen Bankenaufsicht riskant. Transparenz wird dort manchmal missverstanden.

Infolge der globalen Finanzkrise und der staatlichen Rettung grosser Finanzplayer quer durch die globale Investmentwelt führt die Europäische Zentralbank (EZB) regelmässig Bankenstresstests durch. Das soll der breiten Öffentlichkeit sowie Anlegern und Finanzproduktkäufern die Reaktionsfähigkeit der Regulatoren vermitteln. In einem Stresstest wird vereinfacht gesagt die Standhaftigkeit der Bankinstitute hinsichtlich negativer Wirtschaftsszenarien durchgespielt. Das sich dabei vorgenommene Ziel nach dem Muster amerikanischer Stresstests, die – welch’ Neuheit! – die europäischen angestiftet haben, liegt hauptsächlich in der Überprüfung des Soliditätsgrades der betroffenen Banken.

An der grossen Glocke

Bis jetzt, nämlich solange man die Einhaltung von Mindestkriterien zur Gewährleistung der Finanzstabilität im Bankensystem kontrollieren wollte, kann zweifelsohne kein Grund zur Kritik gegen die EZB vorliegen. Diese Grundeinstellung ändert sich dennoch entschieden, sobald man positives und (vor allem) negatives Abschneiden der jeweiligen Bankinstitute an die grosse Glocke hängt. Transparenz weist nämlich ein unausgesprochenes Verträglichkeitslimit auf, das von den potenziellen Nachteilen gegeben ist, bei der Enthüllung von Schwachstellen und Risikopotenzial systemrelevanter Banken zu redselig zu sein.

Fingerspitzengefühl notwendig

In einem globalisierten und vernetzten Zeitalter wie dem jetzigen müsste – seriöse und versichernde, mitbestimmte und einstimmige – Kommunikation ein unersetzliches Instrument bei der Strategiegestaltung in allen Wirtschaftssektoren und insbesondere der Bankenbranche sein, von der jeder von uns (vom kleinen Kontoinhaber bis zum Grossaktionär) abhängt. Aus diesem Grund ist jede Mitteilung an die Welt, dass „x“ Bankinstitute (mitsamt ihrer Firmennamen) den Stresstest nicht bestanden und eine Insuffizienz an Eigenkapital von „y“ Millionen bzw. Milliarden Euro aufgewiesen hätten, zumindest selbstschädigend und (noch zutreffender) destabilisierend für die gesamte Lokalwirtschaft. Wenn Vorteile von Stresstests schon anzuzweifeln und jedenfalls rapide vergänglich sind, ist der potentielle Schaden in Sachen Reputation, Börsenverlauf notierter Aktien und Aussetzung zu mehr oder weniger akuten Schalterstürmen (bank run) zulasten durchgefallener Bankinstitute immens und dauerhaft.

Panikmache unangebracht

Abgesehen von der Gestaltung selbst von Stresstests, die einmal mehr Bankinstitute verschiedenster europäischer Nationen mit unterschiedlicher Kundschaft und schwer vergleichbaren lokalen Wirtschaftslagen einem gemeinsamen (und nicht für die Eigenschaften einzelner Wirtschaftssysteme offenen) Kriterium nach einem one-size-fits –Ansatz unterwerfen, reicht es, die für das weite Publikum vorgesehene Präsentationswege zu betrachten, um sich gleich einiger grober Konstruktionsfehler zu versehen. Eins sei klargestellt: falls es Kritikpunkte in Sachen wirtschaftlicher und finanzieller Stabilität geben sollte, bliebe es unabdingbar, sie schnellstmöglich zu bewältigen. Aber das Verhältnis sollte immer zwischen Zentralbank und involvierten Bankinstituten verlaufen, ohne dem grossen Publikum alle Schwächen unnötig zu offenbaren. Schliesslich geht es dabei um das Kollektivinteresse, das zwangsläufig den Schutz von Sparern und Anlegern der kompletten Transparenz – zumindest jedes Mal, wenn diese ein Stabilitätsrisiko berge – vorziehen sollte.

Grosse Agendapunkte bleiben unangetastet

Dass die eigene schmutzige Wäsche nicht in der Öffentlichkeit gewaschen werden sollte, ist jedenfalls genauso sicher wie von der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWU) bei der anhaltenden Schuldenkrisenbekämpfung systematisch missachtet worden. Anstatt sich strukturell für die Lösung von Liquiditäts- und Solvabilitätskrisen, einzusetzen, die viele Mitgliedsländer im Laufe der vergangenen Jahre erfahren haben, haben sich gemeinschaftliche Institutionen häufig darauf beschränkt, Schwachstellen der jeweils kriselnden Nation rücksichtslos öffentlich zu sezieren und unbewältigt zurückzulassen. Diese kommunikative Strategielosigkeit hat der gesamten Finanzwelt zudem Konflikte sowie Schwächen der Eurozone preisgegeben und sie letztendlich gegenüber dem wichtigsten Handelspartner (und gleichzeitigen Mitstreiter), nämlich den Vereinigten Staaten von Amerika, niedergemacht. Eine wirksame Kommunikationspolitik verläuft bestimmt in die entgegengesetzte Richtung. Es bleibt zu hoffen, dass man in der Zukunft aus den jetzigen Fehlern lernen wird, obwohl die von der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) für 2016 angekündigten Bankenstresstests schon jetzt nichts Gutes verheissen.

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