Zurück
payoff Learning Curve

Barriere-Typen: Kleiner Unterschied, grosse Wirkung

28.11.2011 5 Min.
  • Martin Diethelm

Europäische Barrieren sind im Falle von Barrier Reverse Convertibles eine valable Alternative: Mit einer relativ kleinen Coupon-Einbusse wird zusätzliche Sicherheit erkauft. Die schlimmsten Fälle können dadurch allerdings nicht vermieden werden.

Europäer und Amerikaner

Dennoch: Barriere ist nicht gleich Barriere. Bei Barrier Reverse Convertibles (BRC) ist der Unterschied zwischen der europäischen (auch: «last-look») und der amerikanischen (auch: «kontinuierlichen») Barriere-Betrachtung wesentlich. Die Begriffe sind auf den ersten Blick etwas verwirrend, denn sie grenzen nicht Produkte von diesseits zu jenseits des Atlantiks ab, sondern stammen aus der Terminologie der Optionsmärkte. Bei amerikanischen Optionen hat der Käufer jederzeit das Recht, die Option auszuüben, während europäische Optionen ausschliesslich am Laufzeitende ausgeübt werden können. Übertragen auf die Barrier Reverse Convertibles heisst dies, dass beim amerikanischen Typ während der ganzen Laufzeit die Verletzung der Barriere geprüft wird, während bei der europäischen Variante nur ein Durchbruch der Barriere am Laufzeitende für die Auszahlung relevant ist. Für Investoren, welche die Derivate bis zum Verfall halten, ist der Kursverlauf der Basiswerte während der Laufzeit also nur für Produkte mit amerikanischer Barriere-Betrachtung entscheidend. «Der grosse Vorteil von europäischen Barrieren ist, dass man vermeiden kann, Opfer einer temporären Übertreibung des Markets zu werden. Man erhält eine Art Schutz vor Luftlöchern in der Kursstellung des Basiswertes», erklärt Gilles Corbel, Leiter Strukturierte Produkte bei der Waadtländischen Kantonalbank (BCV). Auszahlungen zwischen der Barriere und 100% des Nominals können deshalb auch nur beim amerikanischen Typ vorkommen, denn nur hier ist es möglich, dass ein Basiswert die Barriere auslöst und anschliessend wieder steigt.

Wie teuer wird zusätzliche Sicherheit erkauft?

Europäische Barrieren bedeuten ein vermindertes Risiko. Diese erhöhte Sicherheit muss allerdings mit einer Verschlechterung anderer Bedingungen bezahlt werden. So kann z.B. die Barriere höher angesetzt oder der Coupon verkleinert werden. Die Grössenordnung der Coupon-Einbussen aufgrund einer europäischen Barriere anstatt der amerikanischen Variante hängt von Parametern wie Volatilität und Korrelationen der Basiswerte sowie der Laufzeit des Produktes und der Höhe der Barriere ab. payoff hat nachgerechnet: Für ein durchschnittliches Produkt muss mit einem tieferen Coupon von rund einem bis drei Prozentpunkten gerechnet werden. Wie aus der nebenstehenden Abbildung ersichtlich, beträgt die Rendite-Differenz des Coupons bei einer sehr tiefen Barriere nahezu null. Dann steigt sie mit steigendem Barriereniveau an, im Beispielfall bis zu einem Barriere-Niveau von rund 68%, und schwächt sich danach wieder bis zum Nullpunkt ab. Dies hat damit zu tun, dass eine Barriere von <0% weder von europäischen noch von amerikanischen BRC geknockt wird und somit keine Differenz des Risikos besteht. Genauso bei einer Barriere von 100%: Die wird in jedem Fall von beiden Produkten verletzt, also müssen auch hier die Produkte mit kontinuierlicher und last-look-Barriere gleiche Konditionen aufweisen.

Resultate im Backtest

Um einen Eindruck zu erhalten, wie gross die Unterschiede in den letzten Jahren waren, wurden zudem gängige Klassen von MBRC ausgewertet. Die Tabelle listet die Differenzen der Auszahlungen von fiktiven BRC mit den zwei Barriere-Varianten aus. Diese Differenzen können als Schätzung von durchschnittlichen fairen Abschlägen im Coupon von BRC mit europäischen gegenüber amerikanischen Barrieren interpretiert werden. Produkte auf Bluechips waren mit einem Abschlag von 2% fair bepreist, während ein Wechsel der Barrieren für BRC auf Indizes 1% bis 2,5% kostete. Die etwas volatileren Finanztitel bzw. Metalle (v.a. bei tiefen Barrieren) schlagen mit bis 3% bzw. 4% zu Buche. Dafür wird die Wahrscheinlichkeit eines Verlustes stark vermindert. Wurde die Barriere beim Index-Produkt auf 75% angesetzt, erlitt der Investor in 15% aller Fälle einen Verlust mit einer last-look-Barriere, dies ist weniger als die Hälfte als mit kontinuierlicher Barriere. Allerdings sind es gerade die grössten Verluste, die sich durch den Wechsel zur europäischen Barriere nicht verhindern lassen. Diese Werte sind Durchschnittsbetrachtungen und können sich vor allem mit variierender Volatilität stark verändern. Die BCV kommt in einer Simulationsstudie mit Produkten auf die 15 gängigsten Basiswerte zu Resultaten in einer ähnlichen Grössenordnung. Gemäss Corbel ist der tatsächliche durchschnittliche Abschlag an Coupons für BRC mit europäischer Barriere allerdings deutlich kleiner, was für diese Produktvariante spricht. «Die Attraktivität nur am Coupon zu messen, ist ungenügend. Es ist zwingend notwendig, in die Analyse den tatsächlich erwarteten Auszahlungsbetrag zu integrieren.» Diesen Erkenntnissen folgend, hat sich die BCV schon seit 2007 auf europäische Barrieren spezialisiert: Von den momentan 200 ausstehenden Barrier Reverse Convertibles sind 126 mit einer last-look-Barriere ausgestattet.

Weitere Barrieretypen

Während die Barrieren von Bonus- und Twin-Win-Zertifikaten ähnlich wie diejenigen der BRC funktionieren, führt ein Barriere-Ereignis bei Knock-Out Warrants zum Totalverlust. Bei Kapitalschutzprodukten mit Knock-Out verfällt die Optionskomponente, sodass der Wert des Produktes auf den minimal festgelegten Rückzahlungsbetrag fällt. Etwas komplizierter verhält es sich mit dem Express-Zertifikat: Hier funktioniert der Strike selbst ähnlich wie eine Barriere, allerdings eine gutmütige: Liegt an einem Beobachtungspunkt der Basiswert über dem Strike, wird das Produkt sofort mit einer attraktiven Rendite zurückbezahlt. Die eigentliche Barriere selbst ist nur relevant, falls das Produkt erst am Ende der Laufzeit zurückbezahlt wird: Wurde während der Laufzeit die Barriere durchbrochen, droht auch hier ein Verlust äquivalent zum am tiefsten rentierenden Basiswert, ähnlich wie bei BRC mit kontinuierlicher Barrierebetrachtung. Barriere ist nicht gleich Barriere: Gerade wer sich vor kurzfristigen Übertreibungen schützen will, sollte BRC mit europäischen Barrieren bevorzugen. Allerdings muss in jedem Fall geprüft werden, ob der Abschlag an Coupons gerechtfertigt ist.

Weitere News aus der Rubrik

Unsere Rubriken