Bayer: Am Boden
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Christian Ingerl
Redaktor
Der Pharma- und Agrarchemiekonzerns verspielt bei seinen Aktionären immer mehr Vertrauen. Die Umstände bleiben kritisch, die Aktie angeschlagen.
Seit vergangenen April sitzt nun Bill Anderson auf dem Thron von Bayer und versucht die Scherben seines Vorgängers Werner Baumann, die er mit der milliardenschweren Übernahme des Glyphosat-Entwicklers Monsanto verursacht hat, zu beseitigen. Anders als im Volksmund gerne verkündet, brachten diese Scherben nämlich kein Glück. Die Prozesswelle, die seither über den deutschen Pharma- und Agrarchemiekonzern rollt, verschreckte viele Investoren. Mit der aktuellen Vorlage der Zahlen für das dritte Quartal, traten weitere Aktionäre die Flucht an.
Schwacher Zwischenbericht
Doch von vorne: Verwaltungsratschef Norbert Winkeljohann gab Bill Anderson bei der Ernennung zum CEO im vergangenen Jahr mit auf dem Weg, dass Bayer unter ihm sein ganzes Potenzial entfalten und einen nachhaltigen Wert für die Aktionäre bringen sollte. Das ist bisher fehlgeschlagen: der Kurs hat sich seither mehr als halbiert und tauchte im Zuge der Berichterstattung nun auf ein 20-Jahrestief ab. Noch im Oktober spuckte der 58-jährige grosse Töne, dass die eingeleitete Umstrukturierung schneller voran als erwartet kommt. Bereits 70 Prozent aller Bayer-Teams arbeiteten seinen Worten nach bereits heute in einem neuen Organisationsmodell mit weniger Hierarchieebenen und grösserer Eigenverantwortung. Gebracht hat das aber bisher nichts. Von Juli bis September schnitt der Konzern schlechter als von Analysten erwartet ab. Das bereinigte Ergebnis tauchte in diesem Zeitraum um rund ein Viertel auf EUR 1.25 Mrd. ab, Analysten hatten im Schnitt gut EUR 1.31 Mrd. auf den Zettel. Der Umsatz gab um 3.6% auf EUR 9.968 Mrd. ab. Noch schlimmer sieht es unter dem Strich aus. Netto verbuchte der Konzern wegen hoher Wertminderungen im Agrargeschäft einen erneuten Verlust von EUR 4.18 Mrd., nach einem Minus von EUR 4.57 Mrd. im Vorjahr.
Dicke Gewinnwarnung
Vor allem die Schwäche im Agrarsegment, insbesondere in Lateinamerika, sowie ein anhaltender Preisdruck im Pflanzenschutzgeschäft sorgen dafür, dass Bayer erneut von seinen Jahreszielen abrücken muss. Für 2024 geht Anderson neu von einem Ebitda zwischen von EUR 10.0 und 10.3 Mrd. aus, zuvor lag die Spanne bei EUR 10.2 bis 10.8 Mrd. Bereits im vergangenen Jahr tauchte der operative Gewinn um rund 13% auf EUR 11.7 Mrd. ab. Der Umsatz soll in diesem Jahr nicht wie ursprünglich angedacht EUR 46 bis 48 Mrd. erreichen, sondern sich nur auf EUR 45.5 bis 47.5 Mrd. belaufen. Selbst für 2025 erwartet Bayer verhaltene Agrargeschäfte. Demgemäss dürfte es im kommenden Jahr zum dritten Ergebnisrückgang in Folge kommen. Laut den Analysten von J.P.Morgan führt das zu einer negativen Revision der Konsens-Schätzung für das Ebitda um etwa 7%.
Hoffnungsträger Pharma
Kein Wunder, dass die Bayer-Aktie angesichts dieser Aussichten mit einem prozentual zweistelligen Kursverlust reagierte. Dies wiederum erhöht den Druck auf den Vorstandsvorsitzenden, seine Bemühungen zur Trendwende umzusetzen. Grosse Hoffnung legt der Chef auf die Division Pharmaceuticals. Der ehemalige Leiter der Pharma-Sparte von Roche kündigte bereits eine starke Pipeline für die Zukunft an. Das ist auch dringend nötig, denn die Patente der bisherigen Blockbuster, der Gerinnungshemmer Xarelto und das Augenmittel Eylea, die auf einen gemeinsamen Spitzenumsatz von rund EUR 8 Mrd. kommen, laufen Mitte des Jahrzehnts aus. Und die Pipeline ist nicht frei von Rückschlägen: So wurde beispielsweise aufgrund mangelnder Wirkung die Entwicklung des Hoffnungsträgers Asundexian, dem potenziellen Nachfolger von Xarelto, eingestellt. Damit waren erhoffte Jahresumsätze von bis zu EUR 5 Mrd. futsch.
Aber Bayer hat auch Medikamentenerfolge aufzuweisen. Anderson verwies in der Erklärung zum dritten Quartal auf die starke Markteinführungsdynamik der neuen Mittel Nubeqa gegen Prostatakrebs und Kerendia gegen Nierenerkrankungen. In der Onkologie hat sich Bayer zudem jüngst mit einem millionenschweren Deal mit der US-Biotechfirma NextRNA sowie einer Partnerschaft mit Moma Therapeutics zur Entwicklung von Krebsmedikamenten verstärkt. Fortschritte gibt es zudem in anderen Gesundheitsbereichen, wie dem Wirkstoff gegen Wechseljahrsbeschwerden Elinzanetant. Hierfür hat Bayer Anfang August den Zulassungsantrag in den USA eingereicht. Spitzenumsätze von mehr als einer EUR 1 Mrd. sind möglich.
Die richtigen Weichen stellen
Die aktuellen Nachrichten haben aber wieder einmal gezeigt, dass Bayer noch viele Baustellen plagen und der ersehnte Befreiungsschlag durch den zunächst gehuldigten Anderson bis dato ausblieb. Weiterhin muss sich das Unternehmen mit Rechtsstreitigkeiten auseinandersetzen und der Schuldenturm von mehr als EUR 36 Mrd. wirkt erdrückend. Ein Sparkurs allein dürfte nicht reichen, um eine Wende einzuläuten. Neben Sanierungserfolgen müssen auch die richtigen strategischen Weichen gestellt werden, um wieder nachhaltiges Wachstum zu generieren. Bis es soweit ist, könnte der Druck auf die Aktie weiter anhalten. Schnell Leben in den DAX-Titel würde dagegen eine Aufspaltung des Konzerns bringen, welche Investoren bereits in der Vergangenheit gefordert hatten. Man darf gespannt sein, ob das Management diese Option allmählich ebenfalls in Betracht zieht.
Anlagemöglichkeiten
Anleger, die das Momentum nach unten spielen möchten, können sich mit dem Short Mini Future BR3S4U der UBS positionieren. Das Produkt hebelt die Kursbewegungen um 3.9, das Stop-Loss-Level liegt mit EUR 25.7988 gut ein Fünftel von der aktuellen Notierung entfernt. Für eine kurzfristige Spekulation auf weiter sinkende Kurse würde sich auch das Faktor-Zertifikat B4SASG der Société Générale mit einem konstanten Hebel von 4 anbieten. Sollten allerdings Abspaltungsfantasien wieder die Runde machen oder sich sogar konkretisieren, wäre eine schnelle Erholung der Aktie durchaus denkbar. In diesem Fall würde der Long Mini Future BJ6SYU der UBS seine Qualitäten ausspielen.
Wer dagegen nach dem jüngsten Taucher nun von einer Bodenbildung ausgeht, ist mit dem Barrier Reverse Convertible FAJVJB von Julius Bär gut beraten. Das Produkt stellt eine Maximalchance von 13.25% oder 18.97% p.a. in Aussicht. Diese wird von einem komfortablen Risikopuffer von 30.9% geschützt. Die Laufzeit endet am 25. Juli 2025.