
Bevorstehendes Auslaufen von Subventionen hat wichtige Implikationen für den Sektor batterieelektrischer Fahrzeuge
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Alexander Latter, Senior Associate, European Investment Grade Credit Research Team
Der wachsende Marktanteil batterieelektrischer Fahrzeuge (BEV) zeigt, dass sich jenseits von passionierten Umweltschützern und Technikfreaks immer mehr normale Verbraucher für diese Fahrzeuge interessieren.
Im Jahr 2020 wurden weltweit 2 Millionen batterieelektrische Fahrzeuge verkauft. Ihr Marktanteil lag damit insgesamt bei 3,1 %. Getrieben wurde das Wachstum vor allem durch einen Anteil von fast 5 % in Europa (Abbildung 1), wo strenge neue Gesetze und grosszügige Subventionen die Verbraucher zum Kauf animierten. Das bevorstehende Auslaufen dieser Subventionen hat jedoch aus unserer Sicht als Kreditinvestoren wichtige Implikationen für den Sektor.
Abb. 1: Europa ist weltweit führend bei der Akzeptanz von Elektrofahrzeugen
Wir gehen davon aus, dass der Marktanteil von batterieelektrischen Fahrzeugen weiter steigen wird, da die Emissionsstandards in Europa weiter verschärft werden und die neue Biden-Regierung in den USA wahrscheinlich nachziehen wird. Unternehmen, die ausschliesslich batterieelektrische Fahrzeuge herstellen, haben dramatische Kursgewinne verbucht. Dagegen bestehen bei traditionellen Herstellern, allgemein bekannt als „Original Equipment Manufacturer“ (OEM), Sorgen wegen eher weniger überzeugenden batterieelektrischen Produkten und hoher Kosten.
Die Aktienkursentwicklung der Elektrofahrzeug-Spezialisten kann man bei ihren Kreditspreads dagegen nicht nachvollziehen. Der Risikoaufschlag ist hier im Allgemeinen deutlich höher als bei den traditionellen Autoherstellern. Gründe hierfür sind unter anderem solidere Bilanzen und höhere Kreditratings der traditionellen Autobauer.
Klare Herausforderungen, unterschätzte Vorteile
Es wird erwartet, dass Elektrofahrzeuge gegen Ende des nächsten Jahrzehnts einen weltweiten Marktanteil von etwa 50 % erreichen werden, die Nachfrage nach Autos mit Verbrennungsmotoren also noch viele Jahre lang fortbestehen wird. Autobauer stehen vor der Herausforderung, in eine neue Antriebstechnologie investieren zu müssen, während sie gleichzeitig angesichts strengerer Emissionsstandards die konventionellen Verbrennungsmotoren mit sinkenden Skaleneffekten weiterentwickeln. . Die Notwendigkeit dieser parallelen Investitionsprogramme hat zu stetig steigenden F&E-Kosten geführt – Capex und F&E machen mittlerweile fast 11 % des Umsatzes aus (Abbildung 2), mit entsprechenden Konsequenzen für Rentabilität und Cashflow.
Abb. 2: Allgemeiner Anstieg von CAPEX und F&E durch gleichzeitige Investitionen in Verbrennungsmotoren und BEVs
Ein weiteres Problem für die Hersteller im Rahmen des technologischen Übergangs stellt die Rentabilität der BEVs selbst dar. Aufgrund der Batteriekosten, die etwa 10.000 Dollar pro Fahrzeug betragen, sind BEVs tendenziell 20-30% teurer als Benzinautos und im Vergleich zu ihren konventionellen Brüdern daher immer noch nicht besonders profitabel. Da die meisten traditionellen Automobilhersteller im Gegensatz zu spekulativen Technologiefirmen nicht über extrem hohe Aktienbewertungen oder finanzstarke Investoren verfügen, ist ihre Strategie, die hohen Margen und Cashflows aus den Verkäufen traditioneller Kraftfahrzeuge zu nutzen, um die Entwicklung der verlustbringenden BEV-Sparte zu finanzieren. Die steigenden Absatzzahlen der BEVs werden allerdings voraussichtlich vor allem auf Kosten der Verbrenner in den profitablen Premium- und SUV-Segmenten gehen: Batterien lassen sich in grosse Karosserien einfacher einbauen, ohne Platzverluste hinnehmen zu müssen, und die höheren Preise absorbieren die höheren Kosten leichter als im Kleinwagenbereich.
Die innovativsten unter den traditionellen Autoherstellern haben die erste Kostenwelle bei der Umstellung auf Elektrofahrzeuge bereits weitgehend bewältigt. Der VW-Konzern liess in seiner fünfjährigen Investitionsplanung, die ein Gesamtvolumen von 150 Mrd. Euro hat, die Ausgaben für BEVs zwischen 2018 und 2020 relativ unverändert, obwohl das Unternehmen zwischen 2020 und 2025 die Einführung von 27 BEV-Modellen plant. Ähnliche Plattformen werden bei Daimler, Ford und BMW eingeführt, wo eine Plattform, ein „Skateboard“, sowohl für BEV als auch für traditionelle Verbrenner genutzt wird, was weitere Skaleneffekte ermöglichen soll. Dies wird allerdings möglicherweise auf Kosten eines geringeren Platzangebots und geringerer Fahrleistungen im Vergleich zu reinen BEV-Plattformen gehen. Einige Automobilhersteller haben sich für Partnerschaften mit Konkurrenten entschieden, um Plattformen gemeinsam zu nutzen und zu entwickeln – Honda wird die Ultium-Architektur von GM einsetzen, während Ford in Europa mit VW zusammenarbeiten wird.
Diese Plattformen mindern die Investitionskosten für BEVs und sorgen auch im konventionellen Automobilbereich durch die geringere Zahl von Motorvarianten und Modellen für mehr Effizienz, was dazu beitragen wird, den Cashflow während der technologischen Übergangsphase zu stützen.
Ausserdem werden Elektrofahrzeuge kurzfristig aufgrund der grosszügigen staatlichen Subventionen aus unserer Sicht ausreichend profitabel sein. Das wird es den traditionellen Automobilunternehmen ermöglichen, ihre Fahrzeuge trotz des zunehmenden BEV-Anteils mit insgesamt ähnlicher Rentabilität zu verkaufen. Die verbesserten Aussichten für die Margen im Automobilsektor in den Jahren 2021 und 2022 spiegeln diese staatlichen Subventionen wider, insbesondere in Europa, wo Frankreich, Deutschland und Polen Subventionen in Höhe von 10.000 USD oder mehr bereitstellen (Abbildung 3). Ausserhalb Europas und Chinas wird der Marktanteil der Elektrofahrzeuge langsamer wachsen und die Rentabilität weniger stark belasten.
Die etablierten Automobilhersteller stehen in Bezug auf ihre Produkte bislang noch in der Kritik, es wird ihnen vorgeworfen, dass es ihnen im Vergleich zu reinen BEV-Herstellern an Reichweite, Stil und Qualität mangele. Wir glauben jedoch, dass die Kritiker die Erfahrung übersehen, die traditionelle Firmen im BEV-Bereich bereits gesammelt haben, vor allem Nissan mit dem Leaf und BMW mit dem i3, die beide schon seit einigen Jahren in Produktion sind. Beide Firmen werden in naher Zukunft Produktpaletten einführen, die mit den führenden Tesla-Modellen konkurrieren können. Insgesamt wollen die traditionellen Hersteller im Jahr 2023 bis zu 25 neue Modelle auf den Markt bringen. Die traditionellen Automobilkonzerne werden schon bald eine weit grössere Palette von BEV-Produkten anbieten als die reinen BEV-Hersteller, und die Sieger in diesem Wettstreit stehen noch lange nicht fest.
Abb. 3 und 4: Subventionen für Elektrofahrzeuge in verschiedenen Ländern (USD) und Europäische OEM-BEV-Modelleinführungen
Vorsicht: Kurve
Über den Niedergang der traditionellen Automobilhersteller ist bereits viel gesagt und geschrieben worden. Wir sind aber davon überzeugt, dass sie die Stärke ihres Produktangebots und ihre Fähigkeit zur Effizienzverbesserung in den Jahren 2021 und 2022 ausspielen werden, was sich bereits in den Ergebnissen des vierten Quartals 2020 gezeigt hat. Obwohl die staatliche Unterstützung der Hersteller in den ersten Jahren der Elektrifizierung der Automobilindustrie von entscheidender Bedeutung war, ergeben sich daraus auch erhebliche Herausforderungen. Viele staatliche Subventionen werden ab 2022 auslaufen, insbesondere die extrem kostspieligen Massnahmen, wie etwa die Verschrottungsprämien in Frankreich und Deutschland, während die Rentabilität von BEVs wahrscheinlich die angestrebten Ziele noch nicht erreichen wird.1 Trotz des Potenzials für die weitere Zunahme der BEV-Akzeptanz ist das Auslaufen der Subventionen das grösste Risikothema für die etablierten Unternehmen. Dies ist ein wesentlicher Grund, warum wir Hersteller aus den USA und Japan bevorzugen, die weniger unter Druck stehen, die Elektrifizierung schnell voranzutreiben. Sie können abwarten, bis die Batteriekosten durch die technische Entwicklung günstiger geworden sind.
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1 Während die Steueranreize gegebenenfalls fortgesetzt werden, sind die Kosten für direkte Subventionen möglicherweise zu hoch, um sie über einen längeren Zeitraum fortzuführen.