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payoff Focus

Börsenjahr 2015 – eine Frage des Geschmacks

09.02.2015 10 Min.
  • Dieter Haas

Mit dem überraschenden Ende des Euro-Mindestkurses servierte die Schweizerische Nationalbank Anlegern im Januar harte Kost. Nach diesem völlig überraschenden Schritt gilt es mehr denn je, an den Kapitalmärkten besonnen zu agieren. Während sich an der heimischen Börse zunächst eine teilgeschützte Positionierung anbietet, spricht einiges für ein volles Investment in US-Blue-Chips. Als die passende und vor allem magenschonende Abrundung des Portfolio-Menüs könnte sich Gold herauskristallisieren.

Noch Anfang Jahr schien alles angerichtet zu sein für das perfekte Börsen-Menü 2015. Zum Entree sollten die Notenbanken mit ihrer expansiven Gangart den Appetit auf Aktien weiter stimulieren. Zum Hauptgang liess die Hoffnung auf ein stärkeres Wachstum der Weltwirtschaft bei so manchem Bullen bereits das Wasser im Mund zusammenlaufen. Schliesslich hätten sich ein zusehender Herdentrieb und der damit einhergehende Run auf diese Anlageklasse als optimales Dessert entpuppen können. Bis zum frühen Vormittag des 15. Januar schien diese Speisenfolge alles andere als abwegig. Doch dann stellte die Schweizerische Nationalbank (SNB) zumindest für den heimischen Kapitalmarkt sämtliche Szenarien auf den Kopf. Völlig überraschend liess sie den im September 2011 eingeführten Euro-Mindestkurs von 1,20 Franken fallen und weitete gleichzeitig den kurz vor Weihnachten lancierten Negativzins aus.

Böses Erwachen zum Entree

Mit diesem Schritt löste sie an den Devisenmärkten ein regelrechtes Erdbeben aus. Beim Franken kam es zu den stärksten Ausschlägen, seit die meisten Hauptwährungen in den 1970er-Jahren als freie Wechselkurse berechnet werden. Konkret brach das FX-Gespann EUR/CHF um mehr als 30% auf das Rekordtief von 0,85 Franken ein. Auch in Relation zu anderen Devisen wie dem US-Dollar wertete die heimische Valuta massiv auf. Im weiteren Verlauf beruhigte sich die Lage zwar etwas – beispielsweise erholte sich der Euro bis in den Bereich der Paritätsmarke. Die Schweizer Börse erlebte dennoch einen «Schwarzen Donnerstag»: Um bis zu knapp 14% krachte der Swiss Market Index innert weniger Stunden nach unten. Damit ging eine Marktkapitalisierung von rund 140 Milliarden Franken verloren. Hinter diesem Ausverkauf steckt die Befürchtung, dass vor allem die heimischen Exportunternehmen durch die Währungsaufwertung in ernsthafte Schwierigkeiten geraten könnten. SNB-Präsident Thomas Jordan sprach von einer übertriebenen Marktreaktion und begründete den Entscheid: «Es machte keinen Sinn, eine wirtschaftlich nicht nachhaltige Politik weiterzuführen.» Wenig überraschend gaben sich viele Top-Manager entsetzt. «Was die SNB da veranstaltet, ist ein Tsunami», sagte Nick Hayek, Chef des Uhrenherstellers Swatch. Er befürchtet nicht für seinen Sektor, sondern auch für den Tourismus und letztendlich die gesamte Schweiz fatale Folgen.

Magenverstimmung bei den Konzernen

Während die Diskussion um das Pro und Contra dieses geldpolitischen Hammers längst nicht zu Ende sein dürfte, geht das Börsengeschäft unaufhaltsam weiter. Viele Anleger stehen daher vor einer schwierigen Frage: Bietet sich die historische Einstiegschance schlechthin oder gilt es heimische Aktien vorerst zu meiden? Bei der Suche nach der richtigen Antwort kommt neben der Prognose für den Fortgang des Frankenkurses und dessen Einfluss auf die Unternehmensgewinne eine zentrale Rolle zu. Sobald ein Unternehmen Umsätze im Ausland generiert, die Kosten aber in Franken anfallen, verändern Wechselkursschwankungen die Relation dieser beiden Grössen. Insofern führte eine Aufwertung der heimischen Valuta zu weniger Erlösen und damit einem Schrumpfen der Marge. Hinzu kommt der Transaktionseffekt. Bei der Konsolidierung ausländischer Beteiligungen zerrt ein starker Franken am Konzernergebnis. Laut Gabriel Bartholdi, Stratege bei J. Safra Sarasin, lässt sich der Einfluss der Franken-Aufwertung auf die Gesamtgewinne der Unternehmen sehr schwer quantifizieren. Er verweist darauf, dass sich viele Gesellschaften teilweise gegen dieses Risiko absichern. Per Ende Jahr erwartet die Privatbank eine Parität zwischen Euro und Franken. Dies käme einer Aufwertung von einem Fünftel gleich. Auf Basis vorliegender Konsensschätzungen folgert Bartholdi daraus für die SMI-Unternehmen eine Gewinnbelastung von bis zu 10%. «Zwar fu¨hrt dies zu einer gro¨sseren Welle von negativen Gewinnrevisionen, ist aber fu¨r die meisten Schweizer Unternehmen verkraftbar», folgert der Kapitalmarktexperte. Alles in allem hält er das Verhältnis von Chancen und Risiken am Schweizer Aktienmarkt auf Sicht von drei bis sechs Monaten für ausgeglichen. «Nach den ju¨ngsten Kursru¨ckschla¨gen du¨rfte bereits ein grosser Teil der negativen Folgen eines sta¨rkeren Franken eingepreist sein», erklärt Bartholdi.

Bonus-Zertifikat: «Kalorienreduziertes» Investment

Für eine Positionierung in Nestlé & Co. spricht schon allein der Mangel an Alternativen. Nicht zuletzt durch die Ausweitung des Negativzinses raubte die SNB vielen auf Franken lautenden Rentenpapieren den letzten Rest an Geschmack. Derweil locken die heimischen Blue Chips nach wie vor mit einer attraktiven Dividendenrendite. Gewiss: Nach den jüngsten Entwicklungen ist es durchaus möglich, dass die Konzerne ihre Gewinnbeteiligungen nicht wie geplant erhöhen oder gar kürzen. «Dies entspricht aber nicht unserem Basisszenario», sagt der J. Safra-Sarasin-Stratege. In die Hände spielen die bis auf Weiteres üppigen Dividenden der Konstruktion von Bonus-Zertifikaten. Die Emittenten ziehen die Ausschüttungen zur Finanzierung dieser Struktur heran. Wenige Tage nach dem SNB-Paukenschlag lancierte Julius Bär die auf den SMI lautende Variante JCTKJ. Am Laufzeitende im Januar 2017 stellt das Derivat eine Bonus-Rendite von 6% in Aussicht. Voraussetzung: Der heimische Leitindex fällt bis dahin nicht auf oder unter die Barriere bei 75% des anfänglichen Niveaus. Indikativ lag die Schutzschwelle bei 6‘146 Punkten. Derart tief notierte der SMI seit Mitte 2012 nicht mehr. Sollten die 20 Blue Chips in ihren Aufwärtstrend zurückkehren und bis zum Verfall um mehr als 6% zulegen, steigt die Tilgung analog zu ihrer Performance. Kommt es dagegen zu einer Schwellenverletzung, erlischt der Bonus-Mechanismus. In diesem Szenario wäre das Investment dem vollen Risiko des Basiswertes ausgesetzt. Kurzum: Dieses Strukturierte Produkt bietet den Kompromiss zwischen voller Positionierung und Rückzug vom heimischen Aktienmarkt.

Weniger die Franken-Turbulenzen als vielmehr allgemeine Gewinnmitnahmen schlugen Anfang Jahr der Wall Street etwas auf den Magen. In den ersten drei Handelswochen gab der S&P 500 um rund 2% nach. Dem jahrelangen Aufwärtstrend des Leitindex konnte dies jedoch keinen Abbruch tun. Auch fundamental stehen die Ampeln weiterhin auf Grün. Beispielsweise traut die UBS den Staaten eine Vorreiterrolle zu. Sie rechnet 2015 beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) mit einem Wachstum von 2,9%. Der Internationale Währungsfonds (IWF) geht noch weiter. In seiner aktuellen Prognose erhöhte er die Schätzung für die grösste Volkswirtschaft der Welt auf eine BIP-Steigerung von 3,6% (siehe Grafik). «Wir u¨bergewichten aufgrund der positiven fundamentalen Wirtschaftsfaktoren US-Aktien, US-Hochzinsanleihen und den US-Dollar in unserer taktischen Vermögensallokation», erklärte Mike Ryan, UBS-Chefstratege für Amerika, in einem Jahresausblick. Die jüngsten Daten aus Übersee unterstreichen die positiven Prognosen. Beispielsweise führten die starke Verfassung des Arbeitsmarktes und fallende Energiepreise dazu, dass das US-Verbrauchervertrauen im Januar den höchsten Stand seit elf Jahren erreichte. Selbst die Aussicht auf eine anstehende Zinserhöhung kann der Kauflaune der Amerikaner scheinbar keinen Abbruch tun. Die erste Anhebung seit 2006 gilt an den Kapitalmärkten für das laufende Jahr als ausgemachte Sache. Fraglich ist nur, wann das Fed zur Zinsschraube greift. UBS-Stratege Ryan geht davon aus, dass sie «sehr pragmatisch und vorsichtig vorgehen wird».

 

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ETF: «Functional Food» für Anleger

Mit dieser Einschätzung ist er nicht alleine. Für viele Analysten und Strategen ist der US-Aktienmarkt ein wichtiger Bestandteil bei der für 2015 vorgeschlagenen Portfolio-Rezeptur. Eine Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters bei knapp 50 Researchhäusern ergab für den S&P 500 per Ende Jahr ein durchschnittliches Kursziel von 2‘200 Punkten – ein Aufschlag von knapp 9% gegenüber dem aktuellen Indexstand. Einfach und kosteneffektiv können sich Anleger mittels Exchange Traded Funds (ETFs) in den 500 grössten Blue Chips der USA positionieren. Diese Benchmark stand zuletzt im Mittelpunkt eines im Sektor zu beobachtenden Preiskampfs. Beispielsweise handelt Source an der SIX den passiven Indexfonds SPXS, dessen jährliche Gesamtkostenquote auf 0,05% zusammengeschrumpft ist. Die in London ansässige Anbieterin repliziert den S&P 500 durch den Besitz von physischen Wertpapieren und geht zusätzlich Tauschgeschäfte, im Fachjargon Swaps, ein. Dabei versucht sie, das bestehende Kontrahentenrisiko durch den Einsatz mehrerer Gegenparteien zu reduzieren. Bei Investoren kommt diese Konstruktion an: Ende Januar erreichten die Assets under Management (AuM) umgerechnet knapp 1,4 Milliarden Franken.

In ganz anderen Sphären bewegt sich der Gold-ETF der ZKB. Per 9. Januar publizierte die Kantonalbank AuM in Höhe von 5,6 Milliarden Franken. Damit beliefen sich die Edelmetall-Bestände des physisch hinterlegten Fonds auf 141 Tonnen. Vor dem Hintergrund des auf ein Mehrjahrestief abgesackten Goldpreises haben Anleger die Lager der ZKB auf Sicht von zwölf Monaten um rund ein Fünftel erleichtert. Doch zuletzt konnte das wichtigste Edelmetall eine frische Duftmarke setzen. Zwischen Silvester und dem 20. Januar verteuerte sich die Feinunze um mehr als 9%. Damit trotzte sie der anhaltenden und vor allem für Öl geltenden Negativtendenz am Rohstoffmarkt. Offenbar besinnen sich die Marktteilnehmer auf den Ruf des Edelmetalls als sicherer Hafen zurück. Diese zentrale Eigenschaft war in den vergangenen Jahren stark in den Hintergrund gerückt. Vielmehr lastete der wieder erstarkte US-Dollar auf der Notierung. Gold zeigt seit jeher eine negative Korrelation zum Greenback.

 

EZB mixt brisanten Cocktail

Beim jüngsten Comeback dürfte die Europäische Zentralbank (EZB) eine zentrale Rolle gespielt haben. Sie kündigte im Kampf gegen Deflationsgefahr und schwache Konjunktur den gross angelegten Aufkauf von Staatsanleihen an. Schon vor dem Startschuss herrschte an den Märkten Uneinigkeit darüber, ob die EZB mit ihrem Quantitative Easing (QE) ähnlich erfolgreich sein kann wie das US-Fed. Nach Ansicht von Macquarie-Analyst Matthew Turner besteht die Möglichkeit eines Scheiterns. In der Folge könnte sich die Konjunktur weiter eintrüben und damit die Sorgen vor einem Auseinanderbrechen der Eurozone neu befeuern. «Gold profitiert, sobald es danach aussieht, als würden die Zentralbanken die Kontrolle verlieren», meint der Experte. Zusammen mit dem deutlich aufgehellten Chartbild spricht dieses Argument für den Kauf des Edelmetalls. Insbesondere für Anleger, in deren Portfolio die vermeintliche Ersatzwährung noch fehlt, könnte der Zeitpunkt günstig sein. Der bereits erwähnte ZKB-ETF bietet das dazu passende Instrument. Auch wenn die Auslieferung nur zu Standardbarren von 12,5 Kilogramm möglich ist: Hier ist der Investor de facto im Besitz von physischem, in der Schweiz gelagertem Gold.

Im aktuellen Umfeld spricht einiges für die währungsgesicherte, auf Franken lautende Anteilsklasse ZGLDHC. Weiteren Turbulenzen am Devisenmarkt können die Halter relativ gelassen entgegenblicken. Nicht nur beim Franken, generell ist an den Kapitalmärkten in den kommenden Monaten mit zunehmenden Schwankungen zu rechnen. Egal ob geopolitische Spannungen, eine stärkere konjunkturelle Abschwächung oder weitere überraschende Notenbankentscheidungen: An potenziellen Risiken, welche die angedachte Menüfolge durcheinanderwirbeln können, herrscht kein Mangel. Umso mehr gilt es für Anleger, vorsichtig zu agieren und sich nicht vom süssen Honig potenzieller Renditechancen die Sinne vernebeln zu lassen.

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