Borussia Dortmund: Chance auf einen Kurskonter
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Wolfgang Hagl
Redaktor
Nach dem dramatischen Scheitern im Kampf um die deutsche Meisterschaft ist die Fussballaktie abgestürzt – warum die Korrektur eine Einstiegsgelegenheit bieten könnte.
Es wäre interessant zu sehen, wie der Kurs von Bayern München auf den dramatischen Final der Bundesligasaison 2022/23 reagiert hätte. In letzter Minute hat sich die Mannschaft von Trainer Thomas Tuchel doch noch die 11. Meisterschaft in Folge sichern können. Praktisch zeitgleich mit dem Schlusspfiff der Auswärtspartie in Köln wurde bekannt, dass die Münchener sowohl ihren CEO als auch den Sportvorstand vor die Türe setzen. Am Ende einer turbulenten Spielzeit mussten «Titan» Oliver Kahn und Hasan «Brazzo» Salihamidžić ihre Posten räumen. Obwohl Bayern München längst als AG firmiert, bleiben die Auswirkungen dieser dramatischen Stunden auf den Unternehmenswert unbekannt – der Rekordmeister ist nicht kotiert.
Als einziges Fussballunternehmen in Deutschland hat Borussia Dortmund bis dato den Gang auf das Parkett gewagt. Nachdem die Westfalen die Meisterschale einmal mehr dem Rivalen aus dem Süden überlassen mussten, kannte die Börse keine Gnade: Am Pfingstmontag stürzte die BVB-Aktie um 27% ab. Damit hat der Spezialwert sämtliche Vorschusslorbeeren wieder verloren. Als Dortmund sich am vorletzten Spieltag an die Tabellenspitze gespielt hatte, war der Kurs regelrecht explodiert. Die Kritiker von Fussballaktien dürften sich nach dem jüngsten auf und ab einmal mehr bestätigt fühlen. Sie bezeichnen diese Papiere gerne als eine Alternative zum Gang in das Wettbüro.
Am europäischen Geldtopf
Die nüchterne Betrachtung macht Sinn: Aus wirtschaftlicher Sicht ist der Gewinn des nationalen Titels nicht ausschlaggebend für die Analyse von Borussia Dortmund. Einerseits spart sich das Fussballunternehmen sogar die entsprechenden Erfolgsprämien. Andererseits überweist die Deutsche Fussball Liga (DFL) keine Sonderzahlung an den Meister. Vielmehr schlägt die Tabellenplatzierung positiv auf die Verteilung der Einnahmen aus den Medienrechten durch. Hier ist aber ein Ranking über fünf Jahre massgeblich. Die Pleite am vergangenen Samstag kostet Dortmund daher in einem komplexen Verteilerschlüssel lediglich einen Punkt. Das für die Gewinn- und Verlustrechnung der nächsten Saison viel wichtigere Ziel hatte der Revierclub längst erreicht: Einmal mehr wird der BVB an der Champions League teilnehmen und damit am grossten Geldtopf des europäischen Fussballs partizipieren.
Auch auf die Einnahmen aus Werbung und Merchandising dürfte sich die verpasste Meisterschaft kaum auswirken. Die Reaktion der Fans nach dem bitteren Unentschieden gegen Mainz 05 zeigt, dass die Dortmunder zu Recht mit dem Claim «Echte Liebe» werben. Der Kultcharakter des Clubs färbt auch auf die Gewinnung von Sponsoren ab – neben dem Internetkonzern 1&1 zählen das Chemieunternehmen Evonik, der Sportartikelhersteller Puma und die Versicherung Signal Iduna zu den Hauptpartnern. Letztgenanntes Unternehmen ist Namensgeber für die Spielstätte des BVB. Das grösste Stadion Deutschlands mit einem Fassungsvermögen von 81’000 Zuschauern ist permanent ausverkauft. Mehr als zwei Drittel der Plätze werden von Dauerkartenbesitzern belegt. Allein mit den gut 4’000 Hospitality-Plätzen nimmt das Unternehmen pro Saison rund EUR 21 Mio. ein.
Überragendes Scouting
Borussia Dortmund verfügt noch über eine weitere wichtige Einnahmequelle, die Transfererlöse. Hier hat das Management um CEO Hans-Joachim Watzke einen beachtlichen Track Record aufgebaut: Vor einem Jahr gaben die Deutschen mit Erling Haaland den derzeit wohl besten Stürmer Europas für EUR 67 Mio. an Manchester City ab. Eine festgeschriebene Ablösesumme verhinderte höhere Einnahmen. Schon bald könnte der Club einen Transfer im dreistelligen Millionenvolumen verkünden. Der britische Mittelfeldspieler Jude Bellingham soll vor einem Wechsel zu Real Madrid stehen. Für den gerade zum «Spieler der Saison» in der Bundesliga gekürten 19-jährigen steht eine Ablöse von EUR 120 Mio. im Raum. Vor drei Jahren hatten die Dortmunder das Talent für EUR 25 Mio. verpflichtet.
Der mögliche knappe Verfünffacher des eingesetzten Kapitals wäre nicht ungewöhnlich. Als Borussia Dortmund in der Sommerpause 2021 den englischen Nationalspieler Jadon Sancho am Manchester United abgab, konnten sich Club und Aktionäre über ein zweistelliges Multiple freuen. Haaland, Bellingham, Sancho und weitere Namen wie Osmane Dembélé, Pierre Emerick Aubameyang oder Christian Pulisic führen die Leistungsstärke der Scoutingabteilung anschaulich vor Augen. Insofern muss man sich um eine sinnvolle Reinvestition der möglichen Transfereinnahmen keine grosse Sorgen machen.
Anlagekonklusion:
Laut dem Portal Transfermarkt.de bringt es der aktuelle Kader von Borussia Dortmund insgesamt auf einen Marktwert von EUR 547 Mio. Damit sind mehr als 80% der aktuellen Marktkapitalisierung abgedeckt. Hinzu kommt eine schuldenfreie Bilanz samt dem vollständig in Eigenbesitz stehenden Stadion – zum Ende der letzten Saison trugt diese Immobilie gut EUR 120 Mio. zum Anlagevermögen bei. Aufhorchen lässst die Bewertung des deutschen Vizemeisters auch in der relativen Betrachtung. Momentan bewegt sich die Kapitalisierung bei gut dem sechsfachen des für die Saison 2022/23 erwarteten operativen Ergebnisses (Ebitda). Juventus Turin und Manchester United zeigen hier Multiples von rund 16 respektive 18. Das alles ändert nichts daran, dass die Leistung der Mannschaft von Trainer Edin Terzić auch in der kommenden Spielzeit wesentlichen Einfluss auf den Aktienkurs nehmen wird. Anleger mit einem Faible für das runde Leder und einer gewissen Risikobereitschaft sollten sich dadurch nicht von dieser speziellen Wette abhalten lassen.