Zurück
payoff Interviews

China – quo vadis?

13.04.2016 16 Min.
  • Dieter Haas

Der Kursrückgang in China im Sommer 2015 war einer der Auslöser für das Ende der mehrjährigen Hausse an den Weltbörsen. Vier ausgewiesene Experten diskutierten im Rahmen eines Roundtable-Gespräches die Gründe des Rückgangs, die mittelfristigen Perspektiven sowie die aktuellen Chancen und Risiken von Aktienanlagen im Reich der Mitte.

Die Medien orten die Ursache für den Kursverfall an den Aktienbörsen im Sommer 2015 und zu Jahresbeginn in China. Liegen sie richtig oder wird hier einfach nach einem Schuldigen gesucht?

Viktor Nossek: Es ist eine Kombination dreier Faktoren: sinkende Wachstumsraten in China, Überangebot an Rohöl und steigende US-Zinsen. Es ist vor allem das Ausmass an ausserordentlichen Massnahmen – sowohl auf der monetären als auch auf der fiskalischen Seite – zur Behebung der Krise in China, welche die Anleger verunsichert, nicht die eingetretene Abschwächung. Ferner hat die Aussicht auf steigende US-Zinsen eine beschränkende Wirkung auf die Kursentwicklung der Vermögensklassen und führt zudem zu einer Abschwächung der Aufschwungskräfte. Last but not least verstärkt der Angebotskrieg bei den Rohstoffproduzenten die negative Stimmung.

Gaël Combes: Der chinesische Inlandmarkt wird dominiert durch Kleinanleger, was dazu führt, dass er starken Stimmungsschwankungen unterliegt. Der Kursrückgang an den Börsen China hat sicherlich das globale Vertrauen in die Märkte erschüttert. Allerdings gilt es festzuhalten, dass der Markt zuvor zwischen Spätsommer 2014 und Mitte 2015 stark gestiegen ist. Seither haben die veröffentlichten Wirtschaftsdaten, die Unternehmensergebnisse und die Abwertung des Renmimbi die Investoren vorsichtiger werden lassen.

Michael Bolliger: China ist und bleibt ein wichtiger Treiber der globalen Finanzmärkte, und die Relevanz hat mit den Reformen des Wechselkurssystems, die im August des letzten Jahres eingeläutet wurden, noch zugenommen. China ist aber bei Weitem nicht der einzige Grund für die aktuellen Turbulenzen. Mindestens genauso wichtig sind US-Rezessionsängste, der tiefe Ölpreis und schwierigere Finanzierungsbedingungen für Unternehmen.

Nicholas Yeo: China ist zwar wichtig, doch die Verwerfungen an den chinesischen Aktienmärkten sind ein sehr schlechter Massstab für die Verfassung der Wirtschaft. Das Wachstum hat sich abgeschwächt, dahinter steckt jedoch mehr Absicht als Zufall. Das Vertrauen der Marktteilnehmer in die Rettungsmassnahmen der Regierung, mit denen sie der Abschwächung entgegensteuern will, ist ins Wanken geraten. Allerdings verfügt Peking noch über einige Instrumente zur Vermeidung einer Katastrophe, die den globalen Aufschwung gefährden würde.

 


Nicholas Yeo ist Leiter des China/Hong Kong Aktien-Teams bei Aberdeen.
Er arbeitet seit 2000 nach der Akquisition von Murray Johnstone für Aberdeen.
Er betreute zwischenzeitlich während zwei Jahren EMEA und lateinamerikanische
Gesellschaften im London Global Emerging Market Team.
Im März 2004 wechselte er nach Singapur ins asiatische Aktien-Team.
Im März 2007 erfolgte der Wechsel nach Hong Kong.
Hier leitet er das chinesische Aktien Research und wird von zwei Analysten unterstützt.

 

«China ist ein Markt für langfristig orientierte Investoren.» Nicholas Yao, Leiter des China/Hong Kong Aktien-Teams bei Aberdeen

Welchen Makro-Ausblick sehen Sie für das Reich der Mitte? Laut IWF trug China in den letzten fünf Jahren 35% zum globalen Wachstum bei und bis 2020 wird mit einem Anteil von rund 30% gerechnet.

Gaël Combes: Es gibt mehrere Szenarien für die zukünftige Entwicklung der Wirtschaft in China. Das Wahrscheinlichste ist nach unserer Ansicht eine Abschwächung der Wachstumsraten. Dabei bezweifeln wir, dass dies auf eine graduelle Art und Weise erfolgt. Die Probleme rund um die hohe Verschuldung der Unternehmen sowie der bestehenden Überkapazitäten müssen angegangen werden und lassen sich wohl nicht so leicht lösen.

Nicholas Yeo: Wir rechnen damit, dass die Wirtschaft in diesem Jahr um 6,5% und 2017 nur um 6,3% wächst. Weiter in die Zukunft reichende Prognosen stellen wir generell nicht auf. Die Marktteilnehmer vergessen jedoch nur allzu gerne, dass Industrieländer von einer derart guten Wachstumsrate nur träumen können. Zweistellige Wachstumsraten gehören der Vergangenheit an, und das ist an sich ja nichts Schlimmes. Nachhaltigkeit ist weitaus wichtiger.

Viktor Nossek: Die neue ökonomische Ausrichtung Chinas bezüglich Konsumdienstleistungen, Technologie, Gesundheitswesen, Ökoenergie und Infrastruktur bleibt ein wichtiger Pfeiler der globalen Wirtschaft und trägt dazu bei, den Rückgang sowie die Restrukturierung von Chinas traditioneller industrieller Basis aufzufangen.

Michael Bolliger: China ist aktuell die zweitgrösste Volkswirtschaft weltweit und wird in den kommenden Jahren weiterhin an Bedeutung gewinnen. Dies beinhaltet einerseits den Beitrag zum weltweiten Wirtschaftswachstum, wobei wir das Wachstum in China mit 6,2% in 2016 und 5,8% in 2017 nach wie vor deutlich über dem weltweiten Durchschnitt sehen und andererseits die zunehmende Verflechtung chinesischer Unternehmen mit der Weltwirtschaft. Das jüngste Übernahmeangebot für Syngenta durch ChemChina ist nur ein Beispiel.

 


Viktor Nossek verantwortet das Research von WisdomTree Europe, wozu
Macro-Analysen entlang der wichtigsten Assetklassen wie Aktien, Rohstoffe
und Anleihen zählen. Zu seinen Aufgaben gehört es auch, Tradingideen
für Short- und Hebel-ETPs zu liefern. Viktor Nossek verfügt über mehr
als 14 Jahre Erfahrung als Research-Spezialist. Bevor er zu WisdomTree stiess,
arbeitete er als Leiter Research für Renaissance Asset Managers.
Davor war er für BlackRock und Thomson Financial als Analyst tätig.
Er besitzt einen Master in Economic der Maastricht Universität in den Niederlanden.

«Es ist vor allem das Ausmass an ausserordentlichen Massnahmen – sowohl auf der monetären als auch auf der fiskalischen Seite – zur Behebung der Krise in China, welche die Anleger verunsichert, nicht die eingetretene Abschwächung.» Viktor Nossek, Leiter Research WisdomTree Europe

Chinas Leader möchten von einer investitionsgetriebenen zu einer dienstleistungs- und konsumorientierten Wirtschaft transformieren. Wo stehen wir derzeit und wie beurteilen Sie die Chancen für ein Gelingen?

Viktor Nossek: Wir befinden uns mittendrin. Chinas Fokus von der traditionellen industriellen Fertigung hin zu werthaltigen, teureren Produkten wird zu einem deutlichen Rückgang von Arbeitskräften führen. Um diese Transition von einer zyklischen zu einem strukturellen Wachstum möglichst friktionsfrei zu bewältigen, sind mehr fiskalische Stimulierungsmassnahmen notwendig. Konkret erforderlich sind eine Steigerung der öffentlichen Ausgaben sowie eine höhere Staatsverschuldung.

Michael Bolliger: Die anhaltende Unterstützung obsoleter Wirtschaftszweige deutet auf einen sehr langsamen Transformationsprozess hin. Trotzdem gibt es einige Beispiele für Erfolg: Die zunehmende Wichtigkeit von Dienstleistungsimporten, etwa im Tourismusbereich, ist ein gutes Beispiel. Rund ein Drittel des Überschusses im Güterhandel wird für den Import von Dienstleistungen verwendet. Eine Reduktion der Sparquote und eine zunehmende Bereitschaft der Regierung zu weniger populären Schritten sind wichtige Indikatoren für die längerfristigen Erfolgsaussichten dieser Transformation.

Nicholas Yeo: Der Dienstleistungssektor ist bereits jetzt wichtiger. CLSA und CITIC Securities zufolge entfielen 2014 auf Immobilien, Finanzdienstleistungen, Gastronomie, Gross- und Einzelhandel, Transport, Bau und sonstige Dienstleistungen rund 55% des BIP, nachdem dieser Wert 2006 nur 47% betragen hatte. Dieser Anteil wird weiter steigen, da die Industrieproduktion rückläufig ist. Ausserdem sind für den Dienstleistungssektor weniger Daten verfügbar.

Gaël Combes: China steht vor einer gewaltigen Herausforderung, die darin besteht, seine Abhängigkeit von Anlagegütern basierend auf Krediten abzulösen durch Kredite auf inländischen Konsum. Dieser Prozess befindet sich in vollem Gange und ist längst nicht zu Ende aufgrund der grossen bestehenden Ungleichgewichte. Die traditionelle Wirtschaftstätigkeit ist nach wie vor gross und beschäftigt eine hohe Zahl von Menschen. Ein zu rasches Vorgehen würde zu einem kräftigen Anstieg der Arbeitslosenzahlen führen, was vom Staat unerwünscht ist.

Die People’s Bank of China versucht mit Zinssenkungen und einer Währungsabwertung dem Abwärtstrend an der Börse Einhalt zu gebieten. Wie weit muss sie gehen, bis es zu einer Trendwende kommt?

Nicholas Yeo: Das ist die Frage aller Fragen, und die ehrliche Antwort darauf ist, dass wir es nicht wissen. Die chinesische Regierung verfügt über mehr Geld und besitzt mehr Macht als andere Staaten weltweit, sodass sie noch einige Pfeile in ihrem Köcher haben dürfte. Nur wenige Länder können Unternehmen befehlen, Aktien zu kaufen, um die Kurse zu stützen. Echte Fortschritte sind derzeit noch kaum erkennbar und dürften von einer Verbesserung des externen Umfelds und einer Erholung des Vertrauens abhängen.

Gaël Combes: Unserer Ansicht nach ist ein starker Renmimbi Teil einer Lösung im Rebalancing-Prozess der chinesischen Wirtschaft. Wir bezweifeln allerdings, dass das politische System die Risiken einer starken Währung in Kauf nehmen wird, da dies zu einem starken Anstieg der Arbeitslosigkeit führen würde durch die Schliessung unproduktiver Industriezweige. Deshalb bestehen in den nächsten Quartalen erhebliche Risiken weiterer Abwertungsrunden des Renmimbi.

Viktor Nossek: Ein Innehalten der gegenwärtigen Lockerungen ist erst möglich, wenn der Abwärtstrend bei den Rohstoffen stoppt. Die Abwicklung der bestehenden Überkapazitäten sowohl bei den Energie- als auch den Industriemetallen wird nur langsam voranschreiten, da Anreize zur Überproduktion bestehen zur Verteidigung von Marktanteilen, was den Abbau von Leerkapazitäten begrenzt.

Michael Bolliger: Wir sehen die Währungsabwertung in erster Linie als eine Konsequenz der Reformen im Wechselkurssystem, die im letzten August initiiert wurden, nicht als einen Versuch, die Exporte anzukurbeln. Für Letzteres ist die Abwertung von einigen wenigen Prozentpunkten schlicht zu gering. Diese Reformen sind ein wichtiger Bestandteil für ein schliesslich liberaleres chinesisches Wirtschaftssystem. Auf die Börsen – sowohl in China wie auch im Rest der Welt – hat sich dieser Schritt negativ ausgewirkt. Weitere wirtschaftspolitische Massnahmen, wie etwa Zinssenkungen, werden auch im Jahr 2016 kommen. Allerdings agieren die Behörden heute deutlich zurückhaltender als noch im letzten Jahr. Wir sehen dies als ein Zeichen, kurzfristige Wachstumseinbussen in Kauf zu nehmen, um ein längerfristig nachhaltigeres Wachstum zu erreichen.

 


Gaël Combes, CIIA, Senior Vice President, ist Fundamental Risikoanalyst
im Aktien-Team und Mitglied des Aktien Investment & Research-Ausschusses.
Er kam im Juli 2013 zu Unigestion. Gaël begann seine Karriere 2001 mit einem
zweijährigen Trainingsprogramm bei Lombard Odier & Cie. Anschließend wechselte
er als Quantitativer Analyst in die Abteilung Equity Sector Fund und wurde
2004 Co-Manager des LODHI Industrials & Materials Fonds. 2006 zog Gaël Combes
nach Hong Kong und leitete dort das Aktien Research-Team für Asien (ohne Japan).
2009 kehrte er als Analyst nach Genf zurück und übernahm Verantwortung
für die globale Abdeckung von Industriewerten.
Gaël Combes besitzt einen Master-Abschluss im Bauingenieurwesen des
Swiss Federal Institute of Technology in Lausanne, (EPFL).

 

«In den nächsten Quartalen bestehen erhebliche Risiken weiterer Abwertungsrunden des Renmimbi.» Gaël Combes, CIIA Fundamental Risk Analyst im Aktien-Team von Unigestion

Was spricht mittelfristig für ein Engagement in den chinesischen Aktienmarkt?

Michael Bolliger: Die Bewertung chinesischer Aktien sieht attraktiv aus, sowohl in Bezug auf deren Historie wie auch im Vergleich mit anderen Ländern oder Märkten. Die momentanen Kurse reflektieren also viele der aktuellen Sorgen und Ängste. Interessant ist sicherlich auch die steigende Zahl neuer Unternehmen, die in die chinesischen Aktienindizes integriert werden, wie beispielsweise Baidu oder Alibaba. Diese Unternehmen gehören in den meisten Fällen zum Dienstleistungssektor, in dem das Wirtschaftswachstum und die Einnahmen- und Gewinnentwicklung deutlich stärker sind als im verarbeitenden Gewerbe.

Nicholas Yeo: Der Investment Case ist nicht neu: eine riesige Wirtschaft in Verbindung mit der Schaffung von Wohlstand in einem bisher beispiellosen Ausmass und Tempo. China ist der grösste Automobil- und Smartphone-Markt der Welt. Die Investmentstory ist unserer Ansicht nach auch weiterhin intakt: wachsende Mittelschicht, hohe Sparquoten, Urbanisierung, steigende Nachfrage. Nichts deutet darauf hin, dass sich dies in Zukunft ändert.

Viktor Nossek: Die säkulare Wachstumsgeschichte in den neuen Industrien/Sektoren ist ungebrochen. Wir sehen dabei besonders bei den kleineren Gesellschaften im Bereich Konsum und in technologischen Innovationen attraktive Werte, die von Anlegern genutzt werden können.

Gaël Combes: China steht vor einigen zyklischen und strukturellen Herausforderungen. Das Land hat allerdings ein gutes Bildungssystem und es investiert in hohem Masse in Infrastruktur. Daher bestehen gute Chancen einerseits zur Vermeidung von Einkommenseinbrüchen bei mittleren Einkommen und andererseits, weitere Fortschritte zu erzielen in der Wertschöpfungskette.

 


Michael Bolliger ist Head Asset Allocation Emerging Markets UBS WM CIO.
Sein Team verantwortet die Allokation für die Schwellenländer.
Er begann im März 2009 im Bereich UBS Wealth Management als Emerging Market Analyst.
Seit 2012 ist er verantwortlich für EM FX und Obligationen.
Bolliger startete seine berufliche Karriere 2003 vor seinem Wechsel zur
UBS als Ökonom bei der Schweizerischen Nationalbank.
Er doktorierte in Ökonomie an der Uni Basel.
Zuvor absolvierte er ein Ökonomie- und Ökonometrie-Studium an der
Universität St. Gallen, das er mit einem Master-Abschluss beendete.
Ferner absolvierte er ein Austauschprogramm an der WITS Business School in Südafrika.

 

«Die Bewertung chinesischer Aktien sieht attraktiv aus, sowohl in Bezug auf deren Historie wie auch im Vergleich mit anderen Ländern oder Märkten.» Michael Bolliger, Head Asset Allocation Emerging Markets UBS WM CIO

Wo liegen derzeit die grössten Risiken?

Nicholas Yeo: Die Finanzmärkte sind noch in der Entwicklungsphase. Den inländischen Investoren und Aufsichtsbehörden fehlt die Erfahrung. Die Corporate Governance ist noch weitgehend schwach. Die Aktienkurse erlauben keine Rückschlüsse auf die Qualität der Unternehmen. Eine effiziente Due Diligence ist absolut kritisch. Die Reformen deuten auch darauf hin, dass China eine schmerzhafte Übergangsphase durchläuft. China ist ein Markt für langfristig orientierte Investoren.

Gaël Combes: Beim bestehenden Ausmass an Hebeln in seiner Wirtschaft, den bestehenden Überkapazitäten, den Kapitalabflüssen verbunden mit einer schwachen globalen Konjunktur, können zukünftige Krisen in China nicht ausgeschlossen werden.

Michael Bolliger: Die strukturelle wie auch zyklische Abkühlung der chinesischen Wirtschaft ist nach wie vor ein Risikofaktor, obwohl die Abschwächung bereits weitgehend in den aktuellen Kursen reflektiert ist und der längerfristige Ausblick positiv ist. Perioden von stärkerer Abwertung der chinesischen Währung bleiben wahrscheinlich und werden weiterhin zu Korrekturen an den Aktienmärkten führen. Wir gehen zudem davon aus, dass die Zahl der Konkurse zunehmen wird.

Viktor Nossek: Den Verantwortlichen ist es bislang nicht gelungen, die eingetretene wirtschaftliche Abschwächung erfolgreich zu verwalten. Erst wenn dies gelingt, können die Aktienmärkte sich stabilisieren. Der Schlüssel dafür sind fiskalische und monetäre Stimulierungsmassnahmen. Ein Verzicht auf eine dieser Unterstützungen ist die grösste Gefahr für den in hohem Masse verschuldeten Unternehmenssektor, dem ein Abbau der Überkapazitäten bevorsteht.

Wo (Sektoren, Einzeltitel) sehen Sie die besten Opportunitäten und welche Segmente gilt es zu meiden?

Viktor Nossek: Technologie- und Konsumgüteraktien sollten sich überdurchschnittlich entwickeln. Das gilt auch für Unternehmen im Staatsbesitz, da diese direkten Zugang zu Finanzierungsquellen haben.

Michael Bolliger: Wir haben eine Präferenz für spezifische Sektoren, wie etwa den Exportsektor, die Pharmabranche oder Unternehmen aus dem IT- und Technologiesektor. Dagegen sind wir vorsichtiger bezüglich des Rohstoffsektors. Einzeltitel werden von uns ausserhalb unserer Publikationen nicht kommentiert.

Nicholas Yeo: Wir sehen nach wie vor Wachstumsbereiche. Wir behalten die Tourismus-, Gesundheits- und Versicherungssektoren aufmerksam im Auge. So ist unser Lokalwährungsfonds beispielsweise in den Shanghai International Airport investiert, der vom sehr starken Anstieg des Auslandstourismus profitiert. Kleine Immobilienentwickler sind aufgrund des Angebotsüberhangs am Wohnimmobilienmarkt in kleineren Städten und der Finanzierungsprobleme wahrscheinlich keine gute Wahl.

Gaël Combes: Bereiche mit Bezug zu Technologie, Dienstleistungen im Allgemeinen oder die Branche Gesundheit werden von den gegenwärtigen langfristigen Trends am stärksten profitieren. Selbst Sektoren, die gegenwärtig mit zyklischen Problemen zu kämpfen haben, können bei einer Marktliberalisierung profitieren.

Weshalb ist China in den globalen Indizes derart krass untervertreten und wie hoch stufen Sie die Chancen ein, dass China bereits 2016 in den Indizes von MSCI ein höheres, ihrer volkswirtschaftlichen Bedeutung gerechteres Gewicht erhält?

Gaël Combes: China ist hauptsächlich unterrepräsentiert wegen seiner Kapitalverkehrskontrollen, die es internationalen Anlegern nicht ermöglichen, auf einfachem Weg Geld im Inlandmarkt zu investieren oder abzuziehen. Das dürfte sich schrittweise verbessern. Im laufenden Jahr sind aber keine bedeutungsvollen Schritte in dieser Richtung zu erwarten. Es ist aber denkbar, dass A-Aktien 2016 in den MSCI Emerging Index aufgenommen werden könnten.

Viktor Nossek: Aktienindizes erfordern einen uneingeschränkten Zugang von ausländischen Investoren. Daher ist eine weitere Marktliberalisierung der Schlüssel für eine verstärkte Integration chinesischer Aktien in den globalen Indizes. Förderlich ist auch eine transparente marktorientierte Wechselkurspolitik sowie die steigende Akzeptanz chinesischer Unternehmen, internationale Standards der Rechnungslegung zu akzeptieren.

Nicholas Yeo: A-Aktien, d.h. Aktien chinesischer Unternehmen, die in der Währung der Volksrepublik China an den Börsen von Shanghai und Shenzhen gehandelt werden, sind in den globalen Börsenindizes unterrepräsentiert, da für ausländische Investoren rechtliche Beschränkungen gelten. Trotz einiger Lockerungen sind die Handelsvolumen für Ausländer gedeckelt und die Modalitäten für die Rückführung der Gewinne vorgeschrieben. Darüber hinaus können Kapitalverkehrskontrollen den Zugang internationaler Anleger zu Yuan-Investments beschränken, was bei Anlagen an den chinesischen Festlandbörsen problematisch sein kann.

Michael Bolliger: Die Auswahlkriterien für globale Indizes beinhalten typischerweise Kriterien wie Marktzugang und Liquidität. Ein wesentlicher Teil des chinesischen Aktienmarktes (sogenannte A-Shares) erfüllt diese Kriterien wahrscheinlich nicht, was den im Vergleich zur Grösse der Volkswirtschaft geringen Anteil in den Indizes erklärt. Wir gehen aber davon aus, dass MSCI möglicherweise bereits in diesem Jahr den A-Shares-Markt zu seinen Indizes hinzufügen wird (die Überprüfung ist auf Mai/Juni angesetzt), was dann in 2017 umgesetzt wird. Vergleichbare Beispiele in der Vergangenheit haben gezeigt, dass die Kurse der betroffenen Titel aber bereits vor der eigentlichen Anpassung der Indizes reagieren.

Weitere News aus der Rubrik

Unsere Rubriken