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payoff Focus

Crypto-Währungen: Neue Welt für Anleger

11.01.2018 9 Min.
  • Martin Raab

Die Rekordjagd von Bitcoin befeuert das Interesse von Privatanlegern und institutionellen Investoren für digitale Währungen – Exzesse nicht ausgeschlossen. Wie jetzt im hochvolatilen Umfeld partizipiert werden kann.

Wahrscheinlich war es eines der meist und heiss diskutierten Themen auf allen Weihnachtund Neujahrsfeiern: «Der Bitcoin». Das Phänomen ist aktuell in aller Munde, egal ob arabischer Staatsfonds, privater Zocker oder europäischer Asset-Manager. Insbesondere Anleger ohne regulatorisches Korsett, sprich Family Offices und High Net Worth Individuals, prüfen derzeit Zukäufe im grossen Stil. Unter Privatanlegern hört man laufend Sätze wie: «Hätte ich damals nur ein paar Bitcoins gekauft, wäre ich heute reich». Bevor aber jetzt der eine oder andere Anleger zu träumen beginnt, erst einmal zur Frage, woher der Bitcoin bzw. «Crypto-Währungen» überhaupt stammen: Als 2008 die Finanzkrise ihren Höhepunkt erreicht hatte, erschien im November ein Skript im Netz von einem Unbekannten namens «Satoshi Nakamoto», das eine völlig neue virtuelle Währung beschreibt und als Grundlage für Bitcoin, Crypto-Währungenund die Blockchain-Technologie dient. Was damals mit 50 Bitcoins startete, kann bis zum Jahre 2140 auf maximal 21 Millionen digitale Münzen anwachsen. 2010 ging die erste Bitcoin-Wechselstube online.

Pizza für 10’000 Bitcoins
Im gleichen Jahr erfolgte die erste «reale» Bitcoin-Zahlung. Weil sie kein Bargeld hatten, zahlten zwei Programmier-Freaks aus Florida am 22. Mai 2010 für zwei Pizzen insgesamt 10’000 Bitcoin – die bis heute und zukünftig wohl teuerste Pizza der Welt. Die erste Warentransaktion mit der Crypto-Währung wird in der Szene seitdem als Bitcoin Pizza Day gefeiert. Doch was steckt eigentlich hinter Bitcoin? Vereinfacht gesagt, handelt es sich um eine digitale Währung, die völlig ohne Bargeld auskommt. Basis ist die dezentrale Datenbank «Blockchain». In diese – allen zugängliche und einsehbare – Datenbank werden alle Transaktionen eingetragen mit dem Ergebnis einer Aneinanderreihung von Transaktionen, die als Blockchain bezeichnet werden. Um in Crypto-Währungen direkt zu investieren, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Eine davon ist die «Wallet», eine digitale Briefbörse, mit der die virtuelle Währung empfangen oder überwiesen wird. Man kann hier zwischen «Online-Wallets», «Desktop/Mobile Wallets» und «Hardware Wallets» unterscheiden. Die höchste Anlegersicherheit stellen Letztgenannte dar, da sie – völlig losgelöst von Web oder Computer – z.B. auf einem USB-Stick im Schliessfach verwahrt werden können. Ein «Online-Wallet» ist zwar schnell und einfach eröffnet, unterliegt aber stets der Gefahr, dass die Onlinebörse gehackt wird und die Bitcoins für immer verloren sind.

Auf einen Blick: Crypto-Währungen
In den Produktwerkstätten diverser Finanzhäuser wird derzeit heftig an Crypto- und Blockchain-Angeboten gebastelt. So sind für das erste Quartal 2018 einige Anlagefonds (Schweiz, Luxemburg, Liechtenstein) in der Pipeline, ebenfalls sind Zertifikate-Lösungen auf Multi-Währungs-Baskets in Prüfung.

Die Vorteile von Crypto-Währungen sind insbesondere:

  • Dezentral
    Bei einem «Peer-to-Peer»-Netzwerk gibt es keine zentrale Instanz, keinen Staat oder Bank, die Zahlungen im Netzwerk kontrollieren oder verhindern.
  • Zugänglichkeit
    Aktuell verfügen lediglich 1.5 Milliarden Menschen weltweit über ein Bankkonto, sprich der weitaus grösste Teil der Menschheit ist vom Zahlungsverkehr gänzlich ausgeschlossen. Fast sechs Milliarden Menschen verfügen jedoch weltweit über ein Smartphone mit Internetzugang. Mit Bitcoin oder anderen Crypto-Währungen können auch diese Menschen Geschäfte ohne Bankkonto oder Bonität tätigen.
  • Inflationssicher
    Durch die Beschränkung auf maximal 21 Millionen Bitcoins und die fehlende Möglichkeit einer zentralen Instanz, diese Stückzahlen – wie z.B. bei Notenbanken – beliebig zu erweitern, besteht keine Gefahr der «Entwertung».
  • Günstig für Transfers
    Crypto-Währungen haben fast keine Gebühren für (inter-)nationale Transakti-onen, da Banken bei diesem System keine Rolle mehr spielen.
  • Sicher
    Der Aufbau der Blockchain garantiert eine nahezu 100%ige Sicherheit. Einmal gespeicherte Daten in der Blockchain können nicht mehr verändert werden.

Mehr als 1’300 Crypto-Währungen Inzwischen gibt es mehr als 1’300 verschiedene Crypto-Währungen weltweit. «In einer digitalen Welt sind digitale Währungen nur logisch», findet Rino Borini, Co-Veranstal-ter von Finance 2.0 und Studiengangleiter CAS Digital Finance an der Hochschule für Wirtschaft Zürich. Bitcoin ist aktuell mit Abstand führend, gefolgt von Ethereum, Bitcoin Cash, Ripple, Dash, Litecoin, Bitcoin Gold und IOTA. Welche Währungen sich zukünftig behaupten – unabhängig von der jeweiligen Wertentwicklung –, lässt sich zurzeit nicht seriös vorhersagen. Viele Experten gehen davon aus, dass die meisten der bestehenden und zukünftigen Coins wieder verschwinden. Für Anleger macht es daher Sinn, sich auf die etablier-ten, grossen Player zu konzentrieren. Auch professionelle Investoren, die inzwischen in diese Anlageklasse investieren, streuen in mehrere Währungen, statt alles auf eine Karte zu setzen.

«Auch professionelle Investoren, die inzwischen in diese Anlageklasse investieren, streuen in mehrere Währungen, statt alles auf eine Karte zu setzen.»

Investitionsmöglichkeiten in Crypto-Währungen
Einfacher, als sich ein digitales «Wallet» zu erstellen, sind Anlagen in Crypto-Währungen via klassische Wertschriften. Diese sind dennoch «sicher» und obendrein auch für weniger technikaffine Anleger erhältlich. Mit einem Engagement in einem Strukturierten Produkt, konkret einem Tracker-Zertifikat, investiert man nicht in die Crypto-Währung direkt, sondern folgt den Kursbewegungen (beispielsweise von Bitcoin) wie ein Schatten. Die Anlegerrisiken beschränken sich somit auf Kursverluste und Bonität des Emittenten (Ausfallrisiko). Der Anleger darf sich aber nicht in falscher Sicherheit wiegen, nur weil er ein Tracker-Zertifikat einer Bank gekauft hat: Sollte der Kurs seiner Crypto-Währung abstürzen oder gar wieder vom Markt ver-schwinden, besteht natürlich auch hier ein Totalausfallrisiko.

Pioniere aus der Schweiz
Die Bank Vontobel war die erste Emittentin, die Mitte 2016 mit dem ZXBTUV – Voncert auf Bitcoin ein Tracker-Zertifikat auf den Markt gebracht hat, welches seit dem Start um mehr als 2’500% zugelegt hat (Stand 18.12.2017). Das Produkt wurde damals zu Kursen um USD 664 emittiert, zum Redak-tionsschluss kostete es USD 19’120. Das Zertifikat notiert in US-Dollar und lässt den Anleger zu 100% an der Bitcoin-Kursentwicklung partizipieren. Management Fee gibt es hier zwar keine, jedoch berechnet Vontobel einen Ausgabeaufschlag von 2.5%. Auf eine Währungsabsicherung wurde verzichtet. Das Zertifikat läuft noch bis Juli 2018. Eine vorzeitige Kündigung seitens Vontobel ist nicht vorgesehen. Im Oktober 2017 hat die Bank Vontobel mit dem ZXBTAV-Tracker Zertifikat auf Bitcoin (BTCUSD) ein neues Crypto-Vehikel ohne Endfälligkeit auf den Markt gebracht. Das Bezugsverhältnis für den Anleger beträgt 0.10 und auf Quanto wurde eben-falls verzichtet. Die Management Fee beträgt faire 1.5%. Der Emittent hat hier – anders als beim ZXBTUV-Zertifikat – ein ordentliches Kündigungsrecht. Seit Oktober 2017 gibt es mit Leonteq einen neuen Anbieter eines Bitcoin-Zertifikates. Mit BITUTQ haben die Leonteq-Experten eine weitere Alternative geschaffen, in Bitcoin zu investieren. Das Zertifikat notiert in USD, ist alternativ auch in CHF (BITCTQ) oder auch EUR (Valor BITETQ) erhältlich. Das Ausübungsverhältnis beträgt hier ebenfalls 1:10, sprich die Preisdimension ist verdaulicher als direkt in Bitcoin zu investieren. Die Laufzeit endet im Septem-ber 2020. Eine vorzeitige Kündigung ist nicht vorgesehen. Die Gesamtkosten für den Anleger betragen bei diesem Zertifikat attraktive 0.50% (TER).

Am Bitcoin-Crash mitverdienen Inzwischen sind sich selbst die grössten Crypto-Optimisten einig: Eine Korrektur ist nur eine Frage der Zeit. Wie stark dieser Rücksetzer sein wird, weiss heute niemand. Die Emittenten Leonteq und Bank Vontobel haben darauf jedenfalls bereits reagiert. Seit Ende November 2017 ermöglicht die Bank Vontobel durch zwei neue Short Mini Futures auf Bitcoin, auf fallende Kurse zu setzen. Allerdings wurde durch den extremen Kursanstieg bereits am 07.12.2017 das Stop-Loss-Level erreicht und die Pro-dukte wurden liquidiert. Vontobel hat aber bereits neue Short Mini Futures auf Bitcoin nachgelegt und emittiert. Auch Leonteq hat vergangenen November mit dem SHORTQ ein Short Tracker-Zertifikat auf den Markt gebracht, welches durch die wahre Kursexplosion in weniger als inem Monat bereits den Stop-Loss-Level erreicht hatte und liquidiert wurde. Vorerst plant Leonteq jedoch nicht, mit einem neuen Short Tracker-Zertifikat nachzuziehen. Alternativ ist es seit dem 11.12.2017 möglich, mit dem ersten frei handelbaren Bitcoin Future an der Chicagoer Options-börse CBOE auf steigende oder fallende Kurse zu wetten. Interactive Brokers zum Beispiel bietet nun seinen Kunden inzwi-schen, an die Bitcoin-Futures zu shorten.

Das Potenzial ist intakt, die Risiken auch
So schön die Gewinnsträhne von Bitcoin auch ist, Experten raten zur Vorsicht. «Die Skalierbarkeit, sprich die Anzahl der Transaktionen pro Sekunde von allen bisherigen Blockchains ist sehr schlecht, auch bei Bitcoin», gibt Lucas Betschart, Präsident der Bitcoin Association Switzerland, zu bedenken. «Neue, bessere Skalierungslösungen für Bitcoin kommen ab dem Jahr 2018», gibt Betschart einen Ausblick. Der technische Fortschritt lässt auch Crypto-Währungen erwachsener werden. «Bitcoin entwickelt sich zum digitalen Gold der Masse», kon-statiert Insider Betschart. Viele Experten sind sich sicher: Crypto-Währungen wie der Bitcoin haben riesiges Potenzial, die Welt vollständig zu «disruptieren» bzw. umzukrempeln. Dazu müssen aber noch einige Hürden bezwungen werden, wie z.B. der extrem hohe Stromverbrauch und die langen Transaktionszeiten.

André Kostolany würde inzwischen raten: «Kaufen Sie Cryptos und nehmen Sie Schlaftabletten»

Kreditkarte mit Crypto-Währung
Anleger, die langfristig an die Idee einer dezentralen Währung glauben, sollten sich ernsthaft überlegen, das eine oder andere Zertifikat ins Depot zu legen. Aber um Anlegernerven zu schonen, sollte anschliessend nicht täglich der Kurs verfolgt werden. Am besten verfährt man wie der berühmte André Kostolany, angepasst auf unsere heutige digitale Zeit: «Kaufen Sie Cryptos und nehmen Sie Schlaftabletten». Aktuell gibt es in der Schweiz keine Apotheke, die Bitcoins als Zahlungsmittel für den Kauf der Schlaf-tabletten akzeptiert, aber das ist nur noch eine Frage der Zeit. Indirekt geht es schon, denn die Kreditkarten von Xapo oder Revolut können seit kurzer Zeit auch mit Crypto-Währungen bestückt werden – willkommen in der neuen Welt.

 

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