Das Tempo wird zurückgenommen
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Karine Patron, Vermögensverwalterin
Ungeachtet des Kurseinbruchs zu Beginn der vergangenen Woche haben die Börsen schrittweise wieder an Terrain zugelegt und die Zentralbank-Termine gut überstanden.
Die Märkte scheinen ein allgemeines Zurückfahren der akkommodierenden Massnahmen zunehmend zu integrieren. Die norwegische Zentralbank hat mit der Anhebung ihrer Leitzinsen auf 0,25% als erste den Schritt vollzogen, und es ist davon auszugehen, dass Kanada und Neuseeland ihrem Beispiel folgen werden.
Was die mit Spannung erwartete Ankündigung eines Taperings durch die US-Notenbank Fed anbelangt, wurde erneut kein konkreter Zeitpunkt genannt. Fed-Chef J. Powell stimmt die Märkte aber weiterhin auf einen Kurswechsel ein und gab zu verstehen, dass die Reduzierung der Wertpapierkäufe anlässlich der November-Sitzung bekanntgegeben werden sollte. Gemäss dem berühmten «Dot Plot», der die Erwartungen der verschiedenen Fed-Mitglieder im Hinblick auf die Zinserhöhungen aufzeigt, rechnen 9 der 18 Gouverneure mit einer ersten Leitzinsanhebung im kommenden Jahr, gefolgt von 3 weiteren Anhebungen in den Jahren 2023 und 2024, womit der Leitzins innerhalb von 3 Jahren auf 1,75% ansteigen würde. Dieser Kurswechsel ist auch auf die von den Fed-Mitgliedern erwartete Inflationsentwicklung – mit einem Höhepunkt von 4,2% in diesem Jahr, d.h. doppelt so hoch wie das anvisierte Ziel – zurückzuführen. Die Fed hat auch ihre Wachstumsprognosen auf 5,9% (von 7% im Juni) nach unten revidiert.
Im Anschluss an die Powell-Rede zogen die Anleiherenditen an, was auf eine zunehmende Volatilität in diesem letzten Quartal des Jahres schliessen lässt.
Die chinesische Regierung fährt fort, die Märkte mit ihren Repressionsmassnahmen zurechtzustutzen. Im Visier stand dieses Mal die Kryptowährungsbranche. Peking hat seine Massnahmen gegen die Handelsplattformen für Kryptowährungen verschärft, um illegale Aktivitäten in diesem Umfeld zu unterbinden. Bitcoin-Mining ist künftig auf dem gesamten Staatsgebiet verboten, ebenso wie das Angebot von Dienstleistungen in Zusammenhang mit Kryptowährungen durch Banken und Zahlungsdienstleister.
Die Evergrande-Affäre in China sorgt bei den Anlegern nach wie vor für Beunruhigung, da diese Woche weitere Rückzahlungen fällig werden. Die chinesische Regierung hat immerhin knapp 461 Milliarden Yuan (61 Milliarden Euro) in die Finanzmärkte gepumpt, um diese zu stabilisieren, während EZB-Präsidentin Christine Lagarde erklärte, dass die Auswirkungen auf Europa beschränkt seien.
Das Weltwirtschaftswachstum büsst an Tempo ein, ebenso wie die Börsenindizes, die seit einem Monat nicht mehr von der Stelle gekommen sind. In diesem Zusammenhang muss festgehalten werden, dass der S&P 500 in den vergangenen 10 Jahren um 388%, bzw. annualisiert um 17%, zugelegt hat. Positive Überraschungen dürften daher heute angesichts der hohen Erwartungen selten sein. Im nächsten Quartal werden die Indizes nach neuen Impulsen suchen, die sie in den Unternehmensergebnissen finden könnten.