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Die Chronik eines angekündigten Comebacks

20.02.2023 4 Min.
  • Olivier Candrian
    Senior Portfolio Manager
    Reyl

Die Inflation ist der schlimmste Feind der Anleihenmärkte. Hinzu kamen steigende Leitzinsen. Doch jetzt kommt alles anders.

Das vergangene Jahr hinterliess bei den Anlegern einen zumindest bitteren Beigeschmack, da die Portfolios bei einem ausgewogenen Profil in Euro im Durchschnitt um 14,40 Prozent zurückgingen. Es war jedoch der Rückgang der Anleihen um 18 Prozent, der sich in den Köpfen der Anleger festsetzte, und nach Jahren der Geldmarktzinsen und historisch niedrigen Coupons waren alle Zutaten vorhanden, um uns das schlimmste Jahr für diese Anlageklasse seit langem zu bescheren.

2023: Das Jahr der Anleihen-Renaissance

Der brutale Schock des aussergewöhnlichen inflationären Angebots, den wir im letzten Jahr erlebten, veranlasste die Zentralbanken zu heftigen Anpassungen ihrer Geldpolitik. Zwar scheint der Desinflationsprozess in den USA in Gang gekommen zu sein, doch auch die Wirtschaftsaktivität beginnt Anzeichen einer Verlangsamung zu zeigen. Trotzdem werden die Falken auch bei den nächsten Sitzungen des Federal Open Market Committee (FOMC) die Oberhand behalten.

Früher oder später wird die Geldpolitik nachgeben, was den Anleiheinvestoren zugutekommen wird. Bereits heute ist das Risiko-Rendite-Verhältnis von Anleihen attraktiv. Die Planeten scheinen also so ausgerichtet zu sein, dass das Jahr 2023 zum Jahr der Wiederbelebung der Anleihen wird.

Wie die Aktienmärkte haben auch die Anleihenmärkte einen starken Jahresauftakt erlebt. Trotz der jüngsten Erholung, bei der die Rendite der 1-10-jährigen US-Unternehmensanleihen von 5,33 Prozent auf 4,80 Prozent (und die des 10y US-Treasury von 3,87 Prozent auf 3,40 Prozent) sank, erscheinen uns die Märkte weiterhin attraktiv, um eine «Barbell»-Positionierung zu unterstützen, die kurzfristige Investment-Grade-Unternehmensanleihen und eine Long-Positionierung in Staatsanleihen umfasst, und zwar im Hinblick auf eine Konjunkturverlangsamung und einen Anstieg der Kreditrisikoprämie. Zur Veranschaulichung: Die folgenden Renditen ergeben sich für 1-3-jährige Corporate Investment Grade in Franken, Euro und Dollar: 1,40 Prozent, 3,73 Prozent bzw. 4,87 Prozent (3). Solche Renditen wurden seit 2008 nicht mehr gesehen. Nach acht Jahren gibt es keine Anleihen mit negativen Renditen mehr (mit Ausnahme kurzer japanischer Staatsanleihen).

Wird das traditionelle 60/40-Portfolio (das von 1926 bis 2021 eine Rendite von 8,8 Prozent in Dollar erzielte), das sich seit einigen Jahren im Winterschlaf befindet, sein grosses Comeback feiern? Das hängt davon ab, wie sich die Inflation in den nächsten Quartalen entwickeln wird. Wir begnügen uns mit der Feststellung, dass ein Multi-Asset-Portfolio nun wieder Sinn macht und dass eine der Prioritäten eines normalen Anlegers darin besteht, ein ausgewogenes und widerstandsfähiges Portfolio (wieder) aufzubauen, das Erträge und Diversifizierung generiert. Was «TINA» (There Is No Alternative) betrifft, so wird sie nicht mehr auf dem grossen Investmentball tanzen.   

Liz Truss und Alan Greenspan

Der Anleihenmarkt ist jedoch kein ruhiger Fluss. Aufgrund seiner Komplexität und manchmal auch Inkohärenz (z. B. Zinsfutures, die eine Lockerung der Geldpolitik der Fed in diesem Jahr voraussagen, obwohl die Fed betont, dass dies nicht der Fall sein wird), bestehen systemische Risiken und die Gefahr von Fehlern der Zentralbanken. Hier sind zwei Marktereignisse zu nennen. Zum einen das angelsächsische Schuldendebakel, dessen Zünder aus einer gehörigen Portion Inflation (die die Kaufkraft beeinträchtigt), einer Prise Leistungsbilanzdefizit (die den Sterling schwächt) und dann einem Staatsdefizit (das die Solvenz der Staatsschulden, die sich mittlerweile auf 100 Prozent des BIP belaufen, verringert) bestand. Das Ergebnis? Der grösste jemals verzeichnete Anstieg der Renditen langfristiger Staatsanleihen und die Rendite 30-jähriger Staatsanleihen stieg von einem Prozent im Dezember 2021 auf fast fünf Prozent auf dem Höhepunkt der Krise Ende September. Die Bank of England sah sich daher gezwungen, in einer Notsituation die Entscheidung zu treffen, zwei Wochen lang täglich fünf Milliarden Schulden zu kaufen.

In einem weiter zurückliegenden Beispiel sei auch an die «Tequila-Krise» erinnert: 1994 führte das von Alan Greenspan gewählte Tempo bei der Anhebung der Leitzinsen und der Straffung der Geldpolitik zu einem starken Anstieg der langfristigen Zinsen und zu heftigen Korrekturen auf dem Anleihenmarkt. Man könnte zwar argumentieren, dass dies tatsächlich seine Absicht war: Nach den Spekulationsexzessen auf dem Anleihenmarkt sollte der Anleihenmarkt «gelandet» werden, auch wenn dies zu einer harten Anpassung führen würde.

Eine der grössten Einschränkungen für Anleger besteht darin, dass es schwierig ist, sich über Futures, Swaps oder Optionen vollständig abzusichern, da diese aufgrund technischer Elemente wie Nachschussforderungen, Gesamtrisikobudget und Exposure-Management komplex zu verwalten sind.

Soweit zu den Risiken und Einschränkungen; die oben erwähnten Aussichten sind so gut, dass die Anleihenmärkte für Anleger attraktiver sind als seit Jahrzehnten.

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