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payoff Interviews

Die Fed muss die Zinsen schnell erhöhen, um einen Vertrauensverlust zu vermeiden.

05.05.2022 5 Min.
  • Serge Nussbaumer, Chefredaktor

Herr Caflisch, welches waren die wichtigsten Entwicklungen an den Währungsmärkten seit Anfang des Jahres?
Die wichtigsten Trends waren der starke Dollar und der schwache Euro aufgrund der unterschiedlichen Reaktionen der jeweiligen Zentralbanken auf den stärker werdenden Inflationsdruck. Die steigenden Preise für Rohwaren reflektierten sich in stärkeren «Commodity Währungen» wie NOK, AUD oder BRL. Schliesslich auch der Einbruch des Rubels und die überraschende Erholung.

Offenbar ziehen die Notenbanken nicht mehr alle am gleichen Strick (Stichwort: Japan oder Türkei). Woran liegt das?
Die Inflation macht sich in den verschiedenen Ländern unterschiedlich stark bemerkbar. Während in den USA breit abgestützte Preiserhöhungen stattfinden, ist die Inflation im Euroland hauptsächlich auf die höheren Energiepreise zurückzuführen. Entsprechend reagiert die Fed aggressiver als die EZB. Japan versucht seit 20 Jahren etwas Inflation zu kreieren, endlich scheint es zu klappen und das will die BoJ natürlich nicht mit Zinserhöhungen wieder zu Nichte machen. Ein ganz anderes Thema ist die Türkei. Die türkische Zentralbank verfolgt eine sehr unorthodoxe Zinspolitik, die längerfristig kaum von Erfolg gekrönt sein dürfte.

In den letzten Tagen hat die chinesische Währung stark an Wert verloren – weshalb?
Die «Null-Covid»-Strategie in China hemmt das wirtschaftliche Wachstum stark. Dazu kommen Probleme im Immobilien Sektor und Eingriffe der Regierung in den Aktienmarkt, was von Investoren grundsätzlich nicht gerne gesehen wird. Die chinesische Zentralbank wird versuchen, die Wirtschaft mit einer lockereren Geldpolitik zu stützen, was sich wiederum negativ auf die Währung auswirken dürfte.

«Die chinesische Zentralbank wird versuchen, die Wirtschaft mit einer lockereren Geldpolitik zu stützen.»

Derzeit scheint der USD die Rolle des «last man standing» einzunehmen. Wie lange kann die Fed, ihre Absicht, die Leitzinsen zu erhöhen in die Tat umsetzen, bevor auch in den USA angesichts der Schulden ein Umdenken stattfinden muss?
Die Fed muss die Zinsen schnell erhöhen, um einen Vertrauensverlust zu vermeiden. Je schneller die Zinsen jetzt steigen, desto tiefer dürfte die «Terminal Rate» ausfallen, was wiederum hilft, den Schuldendienst auf einem erträglichen Niveau zu halten.

Der Euro hat sich seit März 2021 gegenüber dem Schweizer Franken stetig abgewertet und nähert sich allmählich dem absoluten Tiefstand vom Januar 2015. Droht in den kommenden Monaten ein neues Rekordtief?
Der Tiefstkurs in EUR/CHF wurde am 15.1.2015 mit ca. 0.8500 erreicht. So tief dürften wir in den kommenden Monaten kaum fallen. Kurse unter der Parität scheinen aber durchaus möglich. Die SNB versucht zwar die Aufwertung des Schweizer Frankens etwas zu bremsen, die dämpfende Wirkung eines starken Schweizer Frankens auf die Inflation kommt ihr aber entgegen. Erst wenn die EZB ihre Zinspolitik ändert und die Zinsen deutlich anhebt, wird der EUR/CHF Kurs nach oben drehen.

Die Notenbanken prüfen seit längerem die Einführung von sogenannten digitalen Zentralbankwährungen. Ab wann wird es soweit sein und welche Auswirkungen könnten diese neuartigen Zahlungsmittel haben?
Die Zentralbanken untersuchen vor allem, ob digitales Zentralbankgeld im Falle einer Krise zu mehr oder weniger Stabilität im Finanzsystem führt. Einige Zentralbanken sind bereits seit Jahren am Experimentieren. Wann eine flächendeckende Einführung von digitalem Zentralbankgeld ansteht ist schwer zu sagen. Der Zahlungsverkehr dürfte durch digitales Zentralbankgeld deutlich vereinfacht werden.

Wird die Einführung von Zentralbankwährungen die bestehenden Kryptoanlagen kannibalisieren?
Nein, das wird meiner Meinung nach nicht passieren. Digitale Zentralbankwährungen und Kryptowährungen wie Bitcoin und Ether haben unterschiedliche Anwendungen. Digitales Zentralbankgeld erfüllt dieselben Funktionen wie physisches Geld während Kryp- towährungen nicht von einer offiziellen Institution ausgegeben werden und eine alternative zu «Fiat-Money» darstellen.

Das schwindende Vertrauen in etliche Währungen müsste eigentlich den Edelmetallen Gold und Silber Auftrieb verleihen. Was spricht in den kommenden Monaten für und was gegen die Edelmetalle?
Für Edelmetallanlagen spricht natürlich die steigende Inflation, der Krieg in der Ukraine und auch die Gefahr einer wirtschaftlichen Abkühlung ausgehend von China. Gegen die Metalle sprechen vor allem die steigenden Realzinsen.

Das aktuelle Währungssystem scheint allmählich am Ende seines Lateins zu sein. Wie könnte eine Neuordnung aussehen?
Auf kurze Frist gibt es wohl keine Alternative zum aktuellen System. Dieses wird sich aber weiter entwickeln. Die drei Währungsblöcke USA, China und Europa werden auf absehbare Zeit die bestimmenden Kräfte bleiben.

Was empfehlen Sie Schweizer Anlegern, die sich gegen Währungsrisiken absichern möchten?
Währungsabsicherungen werden mittels Termingeschäfte oder Optionen gemacht, wobei nur der Kauf einer Option auch eine wirkliche Absicherung ist. Für Schweizer Anleger ist es sicher ratsam, eine Währungsabsicherung in Betracht zu ziehen, allerdings empfehle ich dazu eine entsprechende Fachperson zu konsultieren, um die individuellen Risiken und Opportunitäten abzuwägen.

Gibt es spezifische Anlagen (ETFs ..) auf die Anlageklasse Währungen?
Währungen werden hauptsächlich OTC (Over-the-Counter) gehandelt. Der Markt ist sehr transparent und an keine Börsenöffnungszeiten gebunden. Ein gutes Einstiegsprodukt sind Reverse Convertibles auf ein bestimmtes Währungspaar. Dabei wird eine Call-Option auf die Investitionswährung verkauft und die Prämie in Form eines Coupons ausbezahlt.

Auf welchen Niveaus schliessen USD/ CHF, EUR/CHF und Gold Ende 2022?
Die Prognosen des Julius Baer Research Teams für Ende 2022 sehen wie folgt aus:

  • USD/CHF 0.90
  • EUR/CHF 1.03
  • XAU/USD 1750

Vielen Dank!

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