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payoff Interviews

«Die grösste Herausforderung waren die Daten.»

11.02.2016 5 Min.
  • Martin Raab

Paolo Vanini, Leiter Verkauf Strukturierte Produkte und Cross Assets  bei der Zürcher Kantonalbank, über die SFI White-Paper-Studie zu Strukturierten Produkten, das Total Expense Ratio für Partizipationsprodukte, die Stimmung am Markt für Strukturierte Produkte und akademische Forschungsfelder.

Herr Vanini, Sie sind Co-Autor der SFI White-Paper-Studie zu Strukturierten Produkten, in welcher Kosten und Performance analysiert wurden. Wie lauten die wichtigsten Schlussfolgerungen der Studie?

Die wichtigsten Konklusionen sind, dass die Kosten tiefer sind als viele befürchtet oder gehofft haben und dass die Performance die Marktentwicklungen widerspiegelt.

Bei den Kosten lag im Betrachtungszeitraum von April 2012 bis April 2015 der Median der Total Expense Ratio für Tracker bei 0,3%, bei 0,6% für Kapitalschutzprodukte, bei 1% für Bonus Zertifikate, bei 1,4% für Discount Zertifikate und bei 1,7% bei Barrier Reverse Convertibles, immer per annum. Die Streuungen um den Medianwert können erheblich nach oben oder unten sein. Dies drückt aus, dass zum Beispiel «Tracker nicht gleich Tracker» ist. Die Rebalancingfrequenz, die Liquidität der Titel oder auch das Volumen besitzen einen Wert und somit einen Preis.

Bei der Performance-Analyse, welche die Finanzkrise und Eurostaaten-Schuldenkrise mitberücksichtigt, folgt, dass bei 80% der Produkte eine positive Performance resultierte. Ob dies nun ein gutes Ergebnis ist, kann so nicht beantwortet werden. Denn die Produkte liefern immer dann eine gute Performance, wenn die Markterwartungen eintreffen. Man müsste hier also die Frage stellen, wie gut die Kunden an einem Zeitpunkt die Markterwartungen vorhersehen können.

Was waren die grössten Herausforderungen der Untersuchung?

Die grösste Herausforderung waren die Daten. Wir haben rund 80% des Aufwandes damit verbracht, einen möglichst repräsentativen und qualitativ akzeptablen Datensatz aufzubereiten. Bisher wurde den Daten zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Dies wird sich mit der Fintech-Transformation für die Strukturierten Produkte im Speziellen und Bankdaten im Allgemeinen ändern müssen.

Ist in 2016 ein Update des SFI-White Papers geplant?

Derzeit ist kein Update geplant, obwohl das Echo des Papiers – bis jetzt wurden rund drei dutzend Beiträge verfasst – gross war und es noch Themen von öffentlichem Interesse im Bereich der Strukturierten Produkte geben würde.

Eine Studie von Döhrer et al. zum deutschen Markt für Strukturierte Produkte schätzt die volumengewichtete jährliche Emittentenmarge auf 0,99% bzw. auf 4,51%, berechnet auf der durchschnittlichen Laufzeit. Wie hoch lauten schätzungsweise vergleichbare Werte im Schweizer Markt?

Die erwartete Emissionsmarge ist eine Mischung aus Produktions- und Risikomanagementkosten. Sie enthält aber nicht die Vertriebsaufwände und ist somit nicht mit der TER vergleichbar, welche alle Vertriebs- und Produktionsaufwände berücksichtigt. Die Emittentenmarge und die TER sind nicht direkt vergleichbar.

…die ZKB publizierte als eine der ersten Emittenten den Total Expense Ratio für Partizipationsprodukte. Ist die TER für Ihre Kunden inzwischen eine etablierte Kennziffer oder eher eine vernachlässigte Information?

Mittlerweile verwenden zwei weitere Emittenten, neben zusätzlichen Kennzahlen, ebenfalls die TER. Sie ist mittlerweile eine etablierte Kennziffer. Es hat sich gezeigt, dass die Kostentransparenz für die Anleger keine prioritäre Bedeutung hat. Für den Erfolg einer Anlage ist vielmehr der richtige Anlageentscheid massgebend. Dieser Aspekt ist zentral bei Anlagen, der TER hingegen kommt eine zweitrangige Bedeutung zu.

Barrier Reverse Convertibles sind die mit Abstand beliebteste Kategorie in der Schweiz. Seit einiger Zeit lässt die Nachfrage jedoch stark nach und erreichte im Oktober 2015 einen Jahrestiefstand. Welche Gründe vermuten Sie dafür?

Dies gilt nicht für die Zürcher Kantonalbank. Das emittierte Volumen an Renditeoptimierungsprodukten ist bei der Zürcher Kantonalbank um 79% höher als im Jahr 2014.

Welche Stimmung nehmen Sie derzeit ganz allgemein bei den Käufern von Strukturierten Produkten wahr? Das gegenwärtige Tiefzinsumfeld müsste dem Markt eigentlich Auftrieb verleihen…

Insbesondere seit der Aufhebung des Euromindestkurses stellt das Tiefzinsumfeld eine Chance für den Markt dar. Diese wurde von uns und von anderen Emittenten genutzt. Im Unterschied zu den anderen offensichtlich günstigen Umständen in den letzten Jahren – wie dem Hochschnellen von Aktienvolatilitäten – wird das Tiefzinsumfeld zumeist nicht auf den ersten Blick als Chance eingeschätzt. Viele Anleger nehmen die tiefen bzw. negativen Zinsen in einer ersten Phase eher als Bedrohung denn als Chance wahr. Die Anleger hatten zuerst gehofft, dass die Negativzinsen von kurzer Dauer sein würden. Diese Hoffnung hat sich im Laufe des Jahres verflüchtigt. Mit der Aussicht länger anhaltender Negativzinsen werden nun Chancen als solche erkannt und genutzt.

Gibt es noch akademische Forschungsfelder im Bereich Finanzprodukte, die es zu bearbeiten gilt, um das Anlegerverständnis zu fördern?

Bei den Strukturierten Produkten und auch beim Asset Management ist der Wandel im Bereich der Anlagemethoden und Technologien in vollem Gange. Dies definiert die Kundenschnittstelle und das Kundenerlebnis für die Produkte und Lösungen neu. Die Chancen und Risiken dieser neuen Prozesse sind im Wesentlichen unerforscht.

 

VITA

Paolo Vanini, verheiratet und Vater von zwei Kindern, absolvierte sein Studium von 1983 bis 1988 in theoretischer Physik an der Universität Zürich. Seine Dissertation schloss er 1994 in mathematischer Physik an der ETH Zürich ab. Bevor Vanini zur ZKB wechselte, war er u.a. als Physiklehrer sowie als wissenschaftlicher Mitarbeiter in experimenteller Ökonomie an der Universität Zürich tätig. Von 2000 bis 2004 war er Mitarbeiter im Risikocontrolling der ZKB. Zur gleichen Zeit hatte er eine Assistenzprofessur in Finance an der Universität Lugano. Ab 2005 bekleidete er das Amt des Chief Financial Engineer und war massgeblich am Aufbau des Financial Engineering der ZKB beteiligt. Seit 2008 leitet er die Abteilung Strukturierte Produkte und Cross Assets, Handel. Paolo Vanini ist seit 2011 Professor für Finance und Banking an der Universität in Basel. Ferner amtiert er ab 2014 als Research Director Swiss Finance Institute und ist Mitglied der Kommission für Strukturierte Produkte, SIX Group.

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