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payoff Interviews

Die Natur lehrt uns, dass nur Kreislaufsysteme eine nachhaltige Lösung darstellen.

07.05.2020 10 Min.
  • Serge Nussbaumer, Chefredaktor

Patrick Huber, CEO der H2 Energy AG, zu Wasserstoff als Energieträger, möglicher Problempunkte bei der Speicherung, der Zusammenarbeit mit Hyundai Hydrogen Mobility und ob sich ein Investment heute schon lohnen würde.

Herr Huber, können Sie unseren Lesern erläutern, welche Geschäftsfelder H2 Energy bearbeitet?
Das Revenue Modell von H2 Energy setzt sich aus drei Bereichen zusammen: Es sind die Konzeption und Umsetzung von Wasserstoff-Ökosystemen, die Entwicklungen von Brennstoffzellen-Anwendungen und der Bau von Wasserstoff-Produktionsanlagen und Tankstellen. Es war notwendig, unsere Geschäftsfelder so breit zu definieren, weil beim Thema Wasserstoff auf keine bestehenden Infrastrukturlösungen oder Prozesse zurückgegriffen werden konnte und nur wenige Applikationen zur Verfügung standen. Aus diesen Gründen müssen wir in der Lage sein, die gesamte Wertschöpfungskette abzudecken, um neue Applikationen auch in eine entsprechende Infrastruktur einbetten zu können und die wohlbekannte «Henne-Ei»-Problematik zu umgehen.

Warum setzen Sie auf die Technologie Wasserstoff?
Wenn man Ressourcen einsetzt hat man entweder die Möglichkeit, diese linear zu fördern, zu verbrauchen und zu entsorgen oder man schafft eine Kreislaufwirtschaft, in der man die verwendeten Ressourcen recyclen und wiederverwerten kann. Die Natur lehrt uns, dass nur Kreislaufsysteme eine nachhaltige Lösung darstellen. Der Einsatz von Kreislaufsystemen reduziert sich aber nicht nur auf Materialien, sondern ist auch bei Energie anwendbar. Dies ist das Konzept von erneuerbaren Energien beziehungsweise von der «Energiewende». Da die Nutzung von erneuerbaren Energien durch den permanenten Wechsel zwischen Überschuss- und Mangelsituationen gekennzeichnet ist, braucht es Zwischenspeicher. Wasserstoff eignet sich dazu am besten, weil er ausreichend vorhanden ist, weil er die höchste gravimetrische Energiedichte besitzt und weil er in eine Kreislaufwirtschaft eingebunden werden kann.

K.I.T.T. aus der Serie Knight Rider war für mich das erste Auto mit Wasserstoffantrieb. Und das war 1982 bis 1986. Warum kommt das Thema Wasserstoffantrieb erst jetzt so richtig auf?
Das Konzept einer Brennstoffzelle konnte sogar bereits 1838 erstmals praktisch dargestellt werden und wird seit den 50er Jahren konsequent in der Raumfahrt eingesetzt. Im Automobilbereich hat GM bereits in den 1960er-Jahren Brennstoffzellenautos entwickelt. Zwischenzeitlich gab es auch von anderen Fahrzeugherstellern mehrere Anläufe, zu einer Serienproduktion kam es jedoch erst 2013. Im Wesentlichen sehen wir drei Gründe für den Durchbruch: Erstens löst das Momentum des Klimawandels die Energiewende aus und es besteht heute ein konkreter politischer Wille, erneuerbare Energien zu integrieren. Zweitens sind die Brennstoffzellensysteme dank neuer Technologien stabiler und damit salonfähig geworden und drittens führen die steigenden Produktionszahlen von Brennstoffzellensystemen zu wettbewerbsfähigen Preisen. Dies ist ein Effekt, dem generell zu wenig Beachtung geschenkt wird, weil das Bewusstsein fehlt, dass die grössten Kostenblöcke bei der Produktion der Brennstoffzellensystemen die Entwicklungsund Fertigungskosten sind und die Materialkosten nur eine untergeordnete Rolle spielen.

Welches sind die Vorteile von Wasserstoff gegenüber batteriebetriebenen Fahrzeugen?
Grundsätzlich ist mir die Aussage wichtig, dass keine Technologie besser ist als die andere. Die Vorteile einer Technologie beziehen sich immer nur auf bestimmte Anwendungen. Es ist beispielsweise nicht davon auszugehen, dass wir in absehbarer Zukunft mit Brennstoffzellen betriebene Uhren oder Handys benutzen werden, aber ich schliesse es auch aus, dass wir bald mit Energie aus Batterien oder Diesel ins All fliegen werden.

Eine Eigenschaft von Wasserstoff ist dessen grosse gravimetrische Energiedichte und deshalb eignet sich Wasserstoff vor allem für Bereiche, die hohe Energiemengen verlangen, um grosse Distanzen zu überbrücken oder schwere Nutzlasten zu transportieren, während Batterien als Energiespeicher von kleinen Energiemengen verwendet werden sollten, bei denen das Gewicht eine untergeordnete Rolle spielt. Der wesentliche Vorteil von Wasserstoff liegt aber darin, dass die Generierung und der Verbrauch von Wasserstoff zwei voneinander getrennte Prozesse sind. Batteriebetriebene Fahrzeuge können nur geladen werden, wenn sie stehen. Dies ist beim Wasserstoff anders, dieser kann unabhängig vom Fahrzeug produziert werden und ermöglicht es von den fluktuierenden Energiepreisen zu profitieren.

«Grundsätzlich ist mir die Aussage wichtig, dass keine Technologie besser ist als die andere.»

Der Wasserstoff für Ihre Fahrzeuge soll ausschliesslich aus nachhaltigen, erneuerbaren Stromquellen stammen. Wie stellen Sie das sicher und bestehen heute bereits genügend nachhaltige Stromquellen?
Wenn man den Einsatz von fossilen Energieträgern reduzieren will, so kann dies zum überwiegenden Teil nur durch den Einsatz von elektrischer Energie geschehen. Aber wie sie richtig bemerken, macht dies nur Sinn, wenn dafür genügend erneuerbarer Strom zur Verfügung steht. In der Schweiz befinden wir uns diesbezüglich in einer sehr komfortablen Lage, weil über die Hälfte unserer Stromproduktion aus erneuerbaren Quellen stammt. Das Problem beim erneuerbaren Strom ist jedoch nicht die Produktionsmenge, sondern vor allem die zeitliche Verfügbarkeit. Hier kommt ein weiterer wesentlicher Vorteil von Wasserstoff ins Spiel, nämlich dass die Produktion und Nutzung von Wasserstoff zeitlich und räumlich entkoppelt ist und so grosse Energiemengen zu Zeiten des Stromüberschusses produziert und später zu Zeiten des Energiemangels genutzt werden können. Auf Grund dieser Überlegung hat sich Alpiq mit 45% an Hydrospider beteiligt, welche die 1’600 LKWs mit Wasserstoff versorgen wird.

Wie problematisch ist die Speicherung von Wasserstoff?
Wie oben bereits angesprochen hat Wasserstoff relativ zu seinem Gewicht die höchste Energiedichte. Allerdings ist Wasserstoff auch das leichteste Atom und besitzt deshalb relativ zu seinem Volumen eine sehr niedrige Energiedichte. Dieser Nachteil kann reduziert werden, wenn man Wasserstoff unter Druck speichert. Im Umgang mit der Druckspeicherung müssen jedoch immer Sicherheitsbestimmungen eingehalten werden. Wenn man die Hochdruckanwendung vermeiden möchte, könnte man Wasserstoff auch verflüssigen. Wir sehen aber zurzeit keine Möglichkeit, die flüssige Speicherung von Wasserstoff für den Fahrzeugbereich kommerziell sinnvoll darzustellen. Aktuell werden aber auch weitere zukunftsträchtige Speichermedien wie z. B. «carbo nanotubes» entwickelt, die in Zukunft durchaus eine grosse Rolle spielen könnten.

Welches sind die Nachteile von Wasserstoff gegenüber batteriebetriebenen Fahrzeugen?
Für jede Fahrzeugspezifikation gibt es Technologien, die sich besser oder schlechter eignen. Ich vergleiche hier wirklich sehr ungern, aber für ein Nutzfahrzeug oder ein Fahrzeug, mit einem grösseren Reichweitenbedarf beziehungsweise einer schnelleren Betankungsdauer ist Wasserstoff alternativlos. Für Fahrzeuge, die stundenlang geladen werden können, ein stabiles Stromnetz zur Verfügung haben und nur dazu verwendet werden, um kurze Strecken zurückzulegen, bietet sich eher die Batterietechnologie an. Ein emissionsarmer Betrieb kann aber durch beide Technologien ermöglicht werden.

Hyundai Motor und H2 Energy bereiten gemeinsam bis ins Jahr 2023 die Einführung von tausend schweren Nutzfahrzeugen mit Wasserstoff-Elektroantrieb für den Schweizer Markt vor. Wie ist der diesbezügliche Stand?
Der erste Hyundai Xcient Fuel Cell befindet sich seit März zu Testzwecken in der Schweiz. Weil auf Grund der ausserordentlichen, durch Covid-19 verursachten,-Situation für die koreanischen Ingenieure Reisebeschränkungen bestehen, müssen wir jedoch weiter den Grossteil der Tests in Korea durchführen. Die Serienproduktion der Trucks hat im April in Korea begonnen und wir erwarten bis Ende des Jahres rund 50 Lastwagen in der Schweiz und gehen davon aus, dass bis dahin rund fünf Tankstellen operativ sein werden. Zurzeit sind wir noch bemüht, die letzten vertraglichen Details mit den Kunden zu regeln, aber es ist damit zu rechnen, dass die Einigung auf das Vertragswerk bis Mai stattfinden wird.

Gibt es bei Ihnen Planungen für einen Wasserstoff-Elektroantrieb für PKWs?
2013 hat Hyundai mit der ersten Serienproduktion eines Brennstoffzellen PKWs, dem «ix35 Fuel Cell», begonnen. Dieser ist seit 2016 in der Schweiz erhältlich. Ab 2018 kamen mit dem Toyota Mirai I und II und dem Hyundai Nexo noch weitere Brennstoffzellen Serienmodelle auf den Markt. Zusätzlich bietet Honda mit dem Clarity Fuel Cell eine zusätzliche PKW-Variante an. Weitere Anbieter und Modelle werden noch dieses Jahr erwartet. Für uns ist dieser Markt global gesehen bereits zu etabliert, als dass wir uns jetzt noch in die Planung von PKWs einbringen möchten. Allerdings haben wir intensiv mitgeholfen, das Flughafentaxi Projekt in Kloten zu realisieren. Dort werden seit letztem Jahr Hyundai Nexos für den umweltfreundlichen Personentransport eingesetzt und wir sind zurzeit daran eine zusätzlich Wasserstoff-Tankanlage im Einzugsgebiet des Flughafens zu realisieren, damit die Nexo-Flotte noch dieses Jahr weiter ausgebaut werden kann. Da die Kosten von Wasserstoff als Treibstoff für PKWs unter den Kosten von Benzin liegen, sehen wir eine hohe Nachfrage nach diesen Fahrzeugen, die zurzeit aber durch die limitierten Produktionskapazitäten von den Automobilherstellern noch nicht vollständig befriedigt werden kann.

Welches sind die wichtigsten Projekte von H2 Energy im laufenden Jahr (u. a. JV mit Nel Asa)?
Unser wichtigstes Projekt ist gegenwärtig der Launch der 1’600 Lastwagen durch Hyundai Hydrogen Mobility für die Schweiz und dem damit verbunden Aufbau des Eco-Systems in Zusammenarbeit mit dem Förderverein H2 Mobilität und Hydrospider. Die Schweiz wird somit das erste Land sein, das über eine eigene Brennstoffzellen LKW-Flotte verfügen wird. Das Projekt umfasst zurzeit aber auch die Planung und den Bau von rund 20 Wasserstofftankstellen in der Schweiz und wir bereiten noch die Bauphase einer 10 MW Elektrolyse-Anlage in der Schweiz vor, welche die die Wasserstoffversorgung der nächsten 250 Trucks sicherstellen soll.

Wir sind aber auch bemüht, den Rollout der Lastwagen auf andere europäische Länder auszuweiten. In diesem Zusammenhang muss auch das Joint Venture Green H2 Norway mit Nel ASA gesehen werden. Dieses JV hat sich zum Ziel gesetzt in Norwegen eine Wasserstoff-Infrastruktur für LKWs und PKWs aufzubauen. Die Entwicklung und Produktion von Brennstoffzellen-Applikationen wird für H2 Energy jedoch zunehmend zentraler und wir hoffen in den nächsten Wochen über zusätzliche Projekte im Bereich von stationären und mobilen Anwendungen berichten zu können.

An der Börse ist das Thema Wasserstoff zuletzt sehr heiss gelaufen. Welche drei börsenkotierten Unternehmen besitzen aus Ihrer Sicht die besten Voraussetzungen, um optimal von diesem Megatrend zu profitieren?
Wir beobachten, dass grosse Akteure diese Technologie entdeckt haben und dass sich der Markt aktuell stark konsolidiert. Dieser Umstand erschwert das Erstellen einer fundamentalen Investitionsanalyse für Anleger. Die absolut bahnbrechende Technologie-Innovation im Bereich des Wasserstoffs ist aus unserer Sicht aber nicht erkennbar und deshalb sind Investitionen in diesem Bereich auch immer mit grossen Risiken verbunden. Wenn man aber trotzdem in Wasserstoffaktien investieren möchte, rate ich ein gut diversifiziertes Delta 1 Zertifikat zu erwerben. Diese werden von der UBS, der Bank Julius Bär und der BCV angeboten, und auch die Credit Suisse arbeitet zurzeit an der Evaluation eines solchen «Baskets» mit Wasserstoffaktien.

Aus meiner Sicht ist es aber wichtig zu erkennen, dass die Wasserstoff-Technologie nur ein Mittel ist, um die Energiewende umzusetzen. Die grosse fundamentale oder «tektonische» Bewegung ist die steigende Nachfrage nach erneuerbarer Energie und deshalb gefallen mir Investitionen in Fonds oder Stromproduzenten, welche sich im Bereich von erneuerbarer Energie engagieren und längerfristig die Nachfrage danach befriedigen können.

Ich bedanke mich herzlich für das Interview.

 

Nach dem Abschluss des wirtschaftswissenschaftlichen Studiums an der Universität Zürich mit Schwerpunkt Banking und Finance arbeitete Patrick Huber über zwanzig Jahre für die CS First Bosten und die Credit Suisse in Frankfurt, London und Zürich. In seiner letzten Funktion leitete er für die Credit Suisse das Trading und Structuring von Strukturierten Produkten aller Asset-Klassen in der Schweiz. Nachdem er 2017 die Bank verlassen hatte, schloss er sich H2 Energy AG an und wurde 2018 CEO der Gruppe. H2 Energy versteht sich als Business Innovator für erneuerbare Energien und besteht aus erfahrenen Unternehmern und ausgewiesenen Technologieexperten, welche sich zum Ziel gesetzt haben, den Klimawandel zu stoppen. Patrick Huber ist verheiratet, Vater zweier INTERVIEW Kinder und lebt in Zürich.

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