DIVIDENDEN HABEN EWIGEN BESTAND…
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Damien Weyermann, CFA, Lead Portfolio Manager
Die Dividenden der börsenkotierten Unternehmen waren in den vergangenen Monaten starker Kritik ausgesetzt: manchmal schlecht geredet, oft angegriffen und stets verschrien. Sie waren Zielscheibe der breiten Öffentlichkeit, wurden von den Politikern in Geiselhaft genommen und sind jetzt dennoch zurück. Unauffällig wie gewöhnlich, aber mit Sicherheit.
God Bless the Dividends! Die Negativzinsen sind bereits seit einigen Jahren nichts Neues mehr. Zusammen mit dem Hinterfragen der Dividendenaussichten hätten wir um ein Haar das Ende des 8. Weltwunders erlebt: Das ist nach Albert Einstein der Zinseszins. Aber auch diesmal war dem trotz grosser Unsicherheit nicht so. Dies ist vor allem der ungeahnten Widerstandsfähigkeit der Unternehmen zu verdanken, die sich strategisch verpflichtet haben, ihre Ausschüttungspolitik unter allen Umständen zu verteidigen.
Die Dividenden-Aktien sind sonst Garanten von Stabilität und Qualität. In der Covid-19-Krise gerieten sie dennoch schnell in den Mittelpunkt der Turbulenzen. Zwar mussten manche Unternehmen infolge der brutalen Ausbremsung der Weltwirtschaft durch die Epidemie und der mangelnden Vorhersehbarkeit natürlich ihre Ausschüttungen reduzieren. Aber es war das frühe und ungewöhnliche Eingreifen externer Akteure wie Regierungen und Zentralbanken, das die Bewegung verschärfte und eine Welle der Panik unter den Anlegern auslöste.
Im Nachhinein wird klar: Der ursprüngliche Pessimismus und insbesondere die Befürchtungen hinsichtlich des Umfangs der künftigen Dividendensenkungen waren wie so oft übertrieben. Besonders aussagekräftig sind hier die Zahlen des US-Leitindexes S&P500: Zwar war die Anzahl der Dividende zahlenden Unternehmen mit 385 im Jahr 2020 um neun Prozent rückläufig gegenüber 2019. Aber der ausbezahlte Gesamtbetrag der im Index vertretenen Unternehmen hat sich leicht erhöht. Dies im neunten Jahr in Folge. Dieser Betrag lag im Endeffekt nur fünf Prozent unter dem vor der Krise erwarteten. Eine ähnliche Entwicklung – wenn auch weniger spektakulär – war in Europa zu beobachten. Vor allem wenn man den Einfluss der restriktiven „Empfehlung“ der EZB an die Banken einmal herausrechnet. Die kürzlich von LVMH und Royal Dutch Shell angekündigten Dividenden stimmen hoffnungsvoll und bestätigen diesen Trend.
Entgegen verbreiteten Vorstellungen erfreuen sich die Dividenden vieler börsenkotierter Unternehmen ziemlich guter Gesundheit. Konkret betroffen sind nur Unternehmen, denen Beschränkungen auferlegt wurden, und Zahlungen von Unternehmen mit „opportunistischer“ Ausschüttungspolitik. Oder von Unternehmen, die in von der Krise stark beeinträchtigten Sektoren tätig sind. Dennoch ist der weltweite Index für Aktien mit hoher Dividende (+2%) noch nie so stark hinter seinem „klassischen“ Kollegen (+16%) zurückgeblieben wie 2020. Ein Teil dieser Kluft lässt sich auf die herausragende Erfolgsbilanz bestimmter Technologiewerte und auf die unterschiedlichen Stilfaktoren zurückführen, aus denen sich diese Indizes angesichts der jüngsten Markt-Rotationen zusammensetzen. Trotzdem spiegeln sich darin die neuerlichen Befürchtungen der Anleger hinsichtlich der Dauerhaftigkeit von Dividenden wider.
Mit Blick auf die erwähnte Lage und die Wendung, die 2021 sowohl in wirtschaftlicher und politischer als auch in gesundheitlicher Hinsicht nimmt, könnten Dividendenpapiere sehr wohl ein Comeback mit grossem Tamtam feiern. Zum einen sind die Fundamentalwerte von Dividendenwerten weiterhin stark und bestätigen nachträglich ihre grössere Widerstandsfähigkeit und geringere Volatilität. Zum anderen stellen sie in einem Umfeld historischer und weit verbreiteter Niedrigzinsen weiterhin die einzige echte Alternative zu den blutarmen Anleiherenditen dar. Angesichts der derzeit besonders vorsichtigen Entwicklung, die der Markt für Dividenden im kommenden Jahrzehnt erwartet, sollten die anstehenden Ankündigungen von Erhöhungen und die schrittweise Aufhebung der verbleibenden Restriktionen schnell zu einer Umkehrung dieses Zustands beitragen. Die „wahren“ Dividendenwerte könnten dadurch nur gewinnen. Qualitätstitel mit einer nachgewiesenen Erfolgsbilanz und regelmässigen Dividendenausschüttungen werden zudem von der jüngsten „Bereinigung“ profitieren. Sie werden künftig noch begehrter sein und eine höhere Bewertungsprämie rechtfertigen.
Dann ist auch zu berücksichtigen, dass die Dividenden historisch etwa 40 Prozent der Gesamtrendite der Aktienmärkte generieren und Dividendenwerte eher zyklisch und „value“ sind. Deshalb ist auch mit einiger Sicherheit davon auszugehen, dass sie rasch wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken. Die Chancen stehen daher gut, dass sie im Vorfeld eines voraussichtlich eher moderat steigenden Börsenjahres schnell wieder in den Fokus rücken werden. Dies vor dem Hintergrund eines Makroszenarios, das einer „reflationären“ Positionierung entgegenkommt.
Damit sind alle Zweifel ausgeräumt. Auch wenn nicht alle ewigen Bestand haben: Die Werte mit sicheren Dividenden gibt es auf jeden Fall immer noch – paradoxerweise sind sie nach der Krise stärker denn je. Nach einem chaotischen Jahr dürften sie von einem bemerkenswerten Wiederaufleben des Interesses profitieren und eine der potenziellen Überraschungen des Jahres 2021 werden. Wie ja auch die jüngsten Ereignisse jedoch gezeigt haben, sind nicht alle dividendenstarken Aktienstrategien gleich gut sind und die richtige Auswahl zählt mehr denn je. Anleger, die beste Erfolge erzielen und dem Sirenengesang der „Value-Fallen“ entgehen wollen, werden daher diversifizierte, langfristig verankerte Ansätze bevorzugen. Sie kombinieren die Rendite, Wachstum und Dividendenqualität mit einer gründlichen Fundamentalanalyse jeder Anlage.
Damien Weyermann, CFA, Decalia
Damien Weyermann ist ein Spezialist auf dem Gebiet der internationalen und Schweizer Aktien. Er ist seit 2016 bei Decalia als Senior-Analyst im Privatkundengeschäft und als Manager des Fonds Decalia Dividend Growth tätig. Er verfügt über 20jährige Erfahrung mit Kapitalanlagen, die er sowohl als Sell-Side-Analyst bei Lombard Odier und der Vontobel Bank als auch auf der Buy-Side bei Lloyds International Private Bank erworben hat, bevor er bei Coutts International in der Vermögensverwaltung arbeitete. Damien Weyermann hat einen HEC-Abschluss der Universität Genf und ist seit 2004 CFA-Chartholder.