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payoff Opinion Leaders

Drei Risiken für die Kreditmärkte in diesem Sommer

09.07.2020 4 Min.
  • Ken Orchard, Co-Portfolio Manager, Diversified Income Bond Strategy

Darum werde ich gegenüber Unternehmensanleihen vorsichtiger

Nach einigen sehr schwierigen Monaten erweckt der Kreditmarkt wieder einen Eindruck von Stärke. Die Anleihekäufe der Zentralbanken haben die Anleger mit viel Liquidität versorgt, es gab kräftige Mittelzuflüsse in die Märkte und die Spreads haben die Ausweitung aus dem 1. Quartal zu etwa drei Vierteln ungeschehen gemacht. Unsere makroökonomischen Kennzahlen für die Märkte und die Stimmung deuten nach wie vor darauf hin, dass Long-Engagements in Kreditrisiken in unseren Portfolios möglicherweise der richtige Ansatz sind. Drei Faktoren können in nächster Zeit aber potenziell für Unsicherheit sorgen und gewisse Risiken bergen: eine zweite Coronavirus-Welle, eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Aussichten und Marktvolatilität vor der US-Präsidentschaftswahl im November. Betrachten wir diese Faktoren nun jeweils für sich.

Eine zweite Coronavirus-Infektionswelle in nächster Zeit erscheint mir unwahrscheinlich. Die Virus-Übertragungsraten in Gegenden, in denen der Lockdown gelockert wurde, sind im Allgemeinen nur sehr geringfügig gestiegen, und die Entwicklung von Impfstoffen macht anscheinend Fortschritte. Das bedeutet nicht, dass es keinesfalls irgendwann eine zweite Welle gibt. Wir haben nur den Eindruck, dass dies nicht in diesem Sommer passieren wird. Im Herbst könnte dies aber tatsächlich drohen.

Die wirtschaftlichen Aussichten sind ein schwierigeres Thema. Dass es durch die Verhängung der Lockdowns in aller Welt einen massiven Rückgang der Wirtschaftsaktivität geben würde, war vorhersagbar. Ebenso, dass sie wieder zunehmen würde, sobald die Lockdowns nach und nach aufgehoben werden. Schwieriger vorauszusagen ist, wie stark das Wachstum sein wird, wenn alle Büros, Geschäfte und Restaurants wieder geöffnet sind. Die Aktivität wird nicht umgehend auf ihre vorherigen Hochstände zurückkehren. Ich glaube, sie wird sich zügig bis auf ein Niveau unterhalb der Hochstände erholen und danach langsamer zulegen. Der Wendepunkt und das Tempo in jener zweiten Phase der Erholung werden Auswirkungen auf die Rentabilität der Unternehmen, die Arbeitslosigkeit, die Impulse der Fiskalpolitik sowie die Geldpolitik im 4. Quartal und im Jahr 2021 haben. Daher besteht beträchtliche Unsicherheit darüber, wie diese aussehen werden.

Vor den US-Wahlen hat der voraussichtliche Präsidentschaftskandidat der Demokraten, Joe Biden, in Meinungsumfragen einen komfortablen Vorsprung. Wie wird sein Rivale Donald Trump reagieren, wenn sich daran nichts ändert? Schwer zu sagen. Still hinnehmen wird er es aber wahrscheinlich nicht. Wenn der Wahltermin näher rückt, sind politische Überraschungen und eine Zunahme der geopolitischen Spannungen absolut möglich, wenn Trump versucht, mehr Wähler für sich zu gewinnen. Falls Biden seinen Vorsprung in den Meinungsumfragen verteidigt, werden die Märkte irgendwann beginnen, die wahrscheinlichen Auswirkungen eines Wahlsiegs der Demokraten auf die Wirtschaft zu beurteilen. So oder so dürfte die Zeit vor der Wahl im November viel Unsicherheit für die Finanzmärkte bedeuten.

Was nun die drei potenziellen Quellen für Unsicherheit betrifft, die ich oben erwähnt habe, geht meiner Ansicht nach von einem ein geringes, von einem ein moderates und von einem ein hohes Risiko aus. Günstige Bewertungen können die Auswirkungen von Unsicherheit abfedern, und bis vor Kurzem waren in den Spreads eine Menge schlechter Nachrichten eingerechnet, unter anderem eine Rezession. Doch seit Ende April haben sich die Spreads sehr stark verengt, so dass dieser Puffer nicht mehr vorhanden ist. Die Spreads müssen sich möglicherweise erneut ausweiten, wenn die wirtschaftliche und politische Unsicherheit wächst.

In der Anfangszeit der Coronavirus-Krise bot auch die negative Stimmung einen Puffer gegen die Unsicherheit (negative Überraschungen richten weniger Schaden an, wenn ohnehin schon jeder das Schlimmste erwartet). Da sich die Konjunkturdaten nun aber bessern und die Zuversicht für die Zukunft nach dem Coronavirus wächst, wächst auch das Risiko von Enttäuschungen. Vor allem aber führt das sehr hohe Emissionsvolumen bei Unternehmensanleihen dazu, dass der Markt die Positionen in Kreditrisiken nach und nach erhöht, wenn er die neuen Anleihen aufnimmt. Dadurch schrumpft der Puffer gegen Unsicherheit weiter, weil die Anleger keinen Spielraum haben, um bei einem Abverkauf nachzukaufen.

Diese Kombination aus wachsender Unsicherheit und weniger Schutz gegen eben diese Unsicherheit bedeutet, dass die Kreditmärkte in den Sommermonaten meiner Ansicht nach volatiler werden dürften. Das heisst aber nicht, dass ich für die Kreditmärkte nun pessimistisch bin (jedenfalls noch nicht), sondern eher, dass ich etwas vorsichtiger geworden bin.

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