Ein grosses Spektrum der Anlagechancen
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Serge Nussbaumer
Chefredaktor
Nach einer schwachen Entwicklung im Sommer haben die Rohstoffmärkte nach oben gedreht. Zinssenkungen, Geopolitik und Chinas «Konjunktur-Doping» sprechen für weiter steigende Notierungen bei Gold & Co.
Das «Diplomat Beach Resort» ist ein Hotel der Extraklasse. Es liegt im Süden Floridas zwischen Miami und Fort Lauderdale und bietet einen traumhaften Blick auf den Atlantik. Vom 13. bis 15. Oktober wird das Resort mit rund 1’000 Zimmern und Suiten, eigenem Strand, zahlreichen Restaurants und Bars sowie einem 15’000 Quadratmeter grossen Spa-Bereich für viele strahlende Gesichter sorgen. Dann findet dort die «LBMA/LPPM Global Precious Metals Conference 2024» statt. Drei Tage lang diskutieren Teilnehmer aus dem Bergbausektor sowie dem Metallhandel mit Notenbankern, Analysten und Investoren über die aktuelle Lage, Trends und Perspektiven auf dem Edelmetallmarkt. Gold und Silber dürften dabei im Mittelpunkt stehen. Die beiden wichtigsten Vertreter des Segments sind enorm gefragt: Innerhalb von zwölf Monaten haben sich Gold und Silber um jeweils mehr als 40% verteuert.
Vielfältige Preisparameter
Ein Blick auf den UBS CMCI Composite Index zeigt, dass der Rohstoffmarkt als Ganzes auf Jahressicht nur leicht im Plus notiert. Edelmetalle sind in diesem diversifizierten Rohstoffgradmesser relativ schwach gewichtet. Silber und Gold steuern zusammen gut 6% bei. Dagegen besteht der CMCI Index zu annähernd einem Drittel aus Energieträgern. Öl hat sich zuletzt deutlich verbilligt und den diversifizierten Rohstoffgradmesser damit ähnlich ausgebremst, wie Sojabohnen und Mais – die beiden Getreidesorten gaben in den vergangenen zwölf Monaten prozentual zweistellig nach. In der unterschiedlichen Preisentwicklung kommt die Komplexität der Anlageklasse Rohstoffe zum Ausdruck. Neben Angebot und Nachfrage, nehmen Lagerbestände, Geo- und Geldpolitik, Wechselkurse und sogar das Wetter Einfluss auf die Warenpreise.
Speziell ist auch die die Art des Rohstoffhandels. An den Warenbörsen sind Terminkontrakte kotiert. Diese auch als Futures bezeichneten Vehikel verbriefen die Lieferung einer bestimmten Rohstoffmenge in einer vorgegebenen Güte zu einem fixen Termin. Ursprünglich wurden solche Kontrakte für Rohstofflieferanten und -verbraucher aufgesetzt. Sie fixieren mit Hilfe der Futures Lieferungen und sichern sich gegen Preisrisiken ab. Seit jeher sind an den Warenmärkten Spekulanten und Arbitrageure anzutreffen. Die letztgenannte Gruppe versucht, Profit aus Preisanomalitäten zu schlagen. Seit etwa Mitte des 20. Jahrhunderts gibt es Rohstoffindizes.
Gold: Am Puls von Zinsen und Dollar
Zurück zum aktuellen Marktgeschehen: Es fällt auf, dass der UBS CMCI Index kurz vor der jüngsten Sitzung der US-Notenbank nach oben gedreht hat. Am 18. September hat die Fed die Zinswende eingeläutet. Der Offenmarktausschuss nahm die «Target Rate» überraschend deutlich um 50 Basispunkte zurück. Unmittelbare Auswirkungen hatte dieser Schritt auf Gold. Da das Edelmetall selbst keine laufenden Erträge abwirft, steigern fallende Renditen den Reiz dieses Assets. Darüber hinaus befindet sich Gold in einer Art «ewigem Wettstreit» mit dem US-Dollar. Ein schwächelnder Greenback ist per se gut für das Edelmetall – gleiches gilt umgekehrt. Der US-Dollar Index ist nach der Fed-Sitzung auf das tiefste Niveau seit mehr als einem Jahr gefallen.
Investoren greifen vermehrt zur Krisenwährung. Laut Zahlen des World Gold Council (WGC) haben physisch hinterlegte Exchange Traded Funds ihre Goldbestände im Juli und August 2024 um mehr als 76 Tonnen aufgestockt. Sollte die Bilanz auch im September positiv ausfallen, hätte die Branche im 3. Quartal erstmals seit Anfang 2022 wieder Mittelzuflüsse verzeichnet. Während auch die Notenbanken auf der Käuferseite stehen, hinterlässt der Preisanstieg in der Schmuckindustrie negative Spuren. Laut WGC ist die Goldnachfrage aus diesem Sektor im 2. Quartal 2024 um nahezu ein Fünftel zurückgegangen.
Vor diesem Hintergrund ist es schwer vorstellbar, dass die Preisrallye ohne Unterbrechung weitergeht. Gold könnte korrigieren, wenn die Fed die Zinswende nicht so schnell vollzieht, wie es die Märkte derzeit erwarten. Langfristig dürfte das Edelmetall angesichts der übergeordneten Treiber Zinsen, Dollar und Geopolitik gefragt bleiben. Diese Einschätzung teilt auch J.P. Morgan. Die US-Bank erwartet für 2025 einen durchschnittlichen Goldpreis von USD 2’775.
Öl: Am Zünglein der OPEC+
Weniger eindeutig ist der Ausblick für Öl. Für Brent erwarten die Analysten zunächst eine Erholung in Richtung der Marke von USD 80 pro Barrel. Bis 2025 rechnet J.P. Morgan mit einer sukzessiven Verbilligung des wichtigsten Energieträgers. Im 4. Quartal könnte Brent unter die Marke von USD 70 abtauchen. Diese Prognose basiert auf einem erwarteten Marktüberschuss. Laut J.P. Morgan wird sich das globale Nachfragewachstum im nächsten Jahr auf 1.0% verlangsamen, gegenüber 1.3% im Jahr 2024. Gleichzeitig rechnen die Experten mit einem Anstieg des Angebots um rund 2%. Geht diese Rechnung auf, wären im Jahr 2025 weltweit durchschnittlich 1.3 Millionen Barrel Öl pro Tag zu viel auf dem Markt.
Die Marktbilanz steht und fällt mit den OPEC+. Bekanntlich verknappt die aus den OPEC-Mitgliedern und weiteren Förderstaaten, allen voran Russland, bestehende Gruppe seit einigen Jahren das Angebot. Acht Länder aus der Allianz halten zusätzlich 2.2 Millionen Barrel pro Tag zurück. Diese freiwillige Massnahme sollte eigentlich ab Oktober sukzessive auslaufen. Doch nachdem der Ölpreis Anfang September auf das tiefste Niveau seit Ende 2021 abgetaucht war, lenkte das Kartell ein. Die freiwilligen Kürzungen wurden um zwei Monate verlängert. Anfang November möchten die beteiligten Länder entscheiden, wie es weitergeht. Einen Monat später steht in Wien das nächste Treffen der OPEC+ auf Ministerebene an – dann könnte sich zeigen, wie sich die Gruppe für 2025 positioniert.
Industriemetalle: Eher knappes Material
Bei der Beurteilung der Ölmärkte spielt auch die Energiewende eine Rolle. Alternative Quellen, Effizienzsteigerungen und der Ausbau der Elektromobilität dürften die Nachfrage über kurz oder lang spürbar drücken. Dagegen sorgen diese und andere Megatrends für eine strukturelle Erhöhung des Bedarfs an Industriemetallen. Das gilt auch und gerade für den wichtigsten Vertreter dieser Rohstoffgattung, Kupfer. «Erneuerbare Energiequellen wie Solar- und Windenergie, Geothermie, Brennstoffzellen und andere Technologien sind wegen der hervorragenden Leitfähigkeit stark auf Kupfer angewiesen», stellt die International Copper Study Group (ICSG) fest. Auch im Fahrzeug- und Maschinenbau, in der Elektronik, im Bauwesen und bei vielen Infrastrukturprojekten ist das rote Metall unverzichtbar.
Für 2024 erwartet die ICSG einen weltweiten Kupferverbrauch von mehr als 27 Millionen Tonnen. Das wären knapp 80% mehr als zur Zeit der Jahrtausendwende. Die Kupferproduktion in Bergwerken und Schmelzhütten konnte lange nicht Schritt halten: Bis 2023 war der Weltmarkt 13 Jahre nacheinander unterversorgt. Im laufenden Jahr soll die Bilanz drehen. Die ICSG geht von einem deutlichen Kupferüberschuss aus. Auch 2025 wird das Angebot die Nachfrage laut den aktuellen Projektionen übertreffen. So richtig überzeugt sind die Märkte davon scheinbar nicht. Trotz einer starken Korrektur im Sommer kostet die Tonne Kupfer derzeit 27% mehr als vor einem Jahr.
Anlagelösungen
Das Industriemetall hat wie andere Rohstoffe vom jüngsten Schritt der People’s Bank of China (PBOC) profitiert. Mit einem Konjunkturpaket möchte die Zentralbank in Peking die darbende Wirtschaft und insbesondere den Immobiliensektor anschieben. Der Stimulus in Fernost spricht zusammen mit der Zinswende im Westen dafür, dass die jüngste Aufwärtsbewegung beim UBS CMI Index anhält. Auf lange Sicht machen strukturelle Treiber wie Verknappung, neue Bedarfsfelder oder die Wettereinflüsse im Agrarsegment Rohstoffe zu einer interessanten Anlageklasse. Mit dem Tracker-Zertifikat CCMCIU ist ein einfacher Zugang möglich. Das Partizipationsprodukt bildet den UBS CMCI Composite Index ab. Wechselkursschwankungen zwischen der Handelswährung CHF und der Rohstoffvaluta USD werden auf monatlicher Basis neutralisiert.
Gold sollte in keinem ordentlich aufgesetzten Portfolio fehlen. Wer hier Nachholbedarf hat, kann zum Exchange Traded Fund ZGLDSW greifen. Die ZKB lagert in ihren Tresorräumen für die Halter dieses Fonds knapp 160 Tonnen des Edelmetalls. Für eine Gesamtkostenquote von 0.40% p.a. bietet der ETF eine gute Möglichkeit, die «Goldkarte» zu ziehen.
Zum Schluss eine Idee für die Trader: US-Erdgas macht sich daran, die Trendwende nach oben zu schaffen. Innerhalb eines Monats hat sich der Energieträger um mehr als 40% verteuert. Jetzt klopft der Future mit dem Beinamen «Henry Hub» am kurzfristigen Abwärtstrend an. Fundamental sprechen die in der längerfristigen Betrachtung weiterhin tiefen Preise für einen nachhaltigen Rebound. Sie hinderten die Gasproduzenten in den USA laut J.P. Morgan daran, neue Bohrstellen zu öffnen. Den Analysten zufolge schliesst sich das Zeitfenster für eine Kapazitätsausweitung mit Blick auf 2025 langsam. Vor diesem Hintergrund rechnen sie für die Wintermonate mit rückläufigen Vorräten und steigenden Preisen. Zum 1. Quartal 2025 liegt die Prognose von J.P. Morgan für Henry Hub bei USD 3.75 – ein Aufschlag von fast 40% auf die aktuelle Notierung. Der Mini-Future Long MNGAAV partizipiert mit einem Hebel von 7.5 an einem steigenden US-Gaspreis. Achtung: Dreht der Rohstoff, beispielsweise wegen eines milden Winters, nach unten, drohen überproportionale Verluste.