Es gibt eigentlich nur Gewinner
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Martin Raab
Investment-Stratege
Der US-Leitindex S&P500 zeigt: Egal wer im Weissen Haus sitzt, die Aktienmärkte sind eher auf der Gewinnerseite. So war es zumindest in den vergangenen 25 Jahren, mit einer kurzen Unterbrechung. Eine Kurzanalyse.
Was haben die Bewohner von 1600 Pennsylvania Avenue NW, Washington und der S&P 500 Index gemeinsam? Beide sind beliebte Indikatoren für den Zustand Amerikas und von hohem Medieninteresse. Das war es dann bei genauem Hinsehen aber auch schon mit den Gemeinsamkeiten. Denn allen proklamierten Sprüchen zum Trotz: Dem US-Aktienmarkt war es die letzten 25 Jahre herzlich egal, welche Person sich im Oval Office breitmacht. Die Aktienmarktentwicklung ist von zahlreichen Faktoren abhängig, die häufig jenseits der Kontrolle eines Staatsoberhaupts liegen. Das möchte aber im Wahlkampf natürlich keiner als Real Fact auf seinem Infotainment-Zettel stehen haben — weder Donald J. Trump noch Kamala Harris.
George W. Bush (2001–2009): «Bad Luck» (-39%)
Die Präsidentschaft von George Bush Senior begann mit der Dotcom-Blase und endete in der globalen Finanzkrise. Der S&P 500 fiel in Bushs erster Amtszeit, beeinflusst durch das Platzen der Technologieblase und die Folgen der Terroranschläge vom 11. September. Trotz einer Erholung um die Mitte seiner Amtszeit brachte die Implosion des US-Hypothekarmarkts die globale Finanzkrise von 2008 ins Rollen. Der S&P 500 beendete Bushs Amtszeit 2009 etwa 40% unter dem Stand, den er beim Amtsantritt hatte – Börsen haben eben ihr eigenes Leben.
Barack Obama (2009–2017): «Yes, we can!» (+171%)
Obama übernahm das Amt mitten in der schwersten Finanzkrise seit Jahrzehnten. Die Erholung begann mit umfassenden Konjunkturpaketen und einer lockeren Geldpolitik der Federal Reserve. Die niedrigen Zinsen und die allmähliche wirtschaftliche Erholung führten zu einem beispiellosen Aufschwung des S&P 500. In den acht Jahren von Obamas Präsidentschaft stieg der Index um fast 300%, was den sogenannten «Bullenmarkt» einläutete. Manch Trader vergoldete sein Portfolio in dieser Zeit in nie gekannten Dimensionen.
Donald Trump (2017–2021): «Crazy Bulldozer» (+47%)
Donald Trump trat mit einem starken Fokus auf Wirtschaftswachstum und Deregulierung an. Seine Steuerreform von 2017 senkte die Unternehmenssteuern erheblich, was die Gewinne vieler börsennotierter Unternehmen steigerte. Der S&P 500 zeigte ein starkes Wachstum während der ersten drei Jahre seiner Präsidentschaft. Die zweite Hälfte von Trumps Amtszeit war dann sehr desaströs, die Handelskonflikte mit China und der EU bremsten erheblich. Die Aktienmärkte konnten sich nach Covid-Crash im März 2020 dank umfassender Unterstützung der US-Notenbank jedoch schnell wieder erholen. Trotz der hohen Volatilität beendete der Index die Amtszeit von Trump 2021 höher als bei seinem Amtsantritt.
Joe Biden (seit 2021): «Forward, Upward» (+54%)
Joe Biden übernahm das Amt in einer noch immer von der Pandemie geprägten Zeit. Zu Beginn seiner Amtszeit profitierte der Markt von den bereits eingeführten Stimulusmassnahmen und der weiterhin lockeren Fed-Geldpolitik. Allerdings führten die hohen Konjunkturausgaben und die Erholung der Wirtschaft zu einem sprunghaften Anstieg der Inflation. Die Federal Reserve begann daraufhin mit einer strafferen Zinspolitik, was eine neue Herausforderung für den Aktienmarkt darstellte. Die Performance des S&P 500 ist seit März 2021 um +54% gestiegen, seit Frühjahr 2023 geradezu explodiert – trotz erheblicher Erschütterungen, Stolperer und Verrenkungen des bisher ältesten US-Präsidenten. Mögen die Börsengötter dem US-Aktienmarkt und dem US-Dollar weiterhin gnädig gestimmt sein, unabhängig davon wer im Rose Garden des Weissen Hauses künftig mehr oder weniger aussagekräftige Pressekonferenzen abhält und welche Winde durch die Südstaaten wehen. Und ein Bestimmter hat je nach Gewinn oder nicht, vielleicht schon eine Melodie von Frank Sinatra im Sinn: «And I’m gonna make a brand-new start of it, right there in old Florida. You better believe it, folks. You always make it there, you make it anywhere. Come on, come through, Florida, Florida.»