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payoff Interviews

«Es gibt verschiedene Strategien, um Volatilität Ertrag bringend einzusetzen.»

30.11.2016 8 Min.
  • Martin Raab

Gilbert Keskin, Co-Head Volatility und Convertible Bonds bei Amundi, über Chancen und Risiken beim Umgang mit Volatilität und wie man davon profitieren kann.

Herr Keskin, in Volatilität zu investieren ist nicht wirklich neu. Dennoch ist diese Anlageklasse knifflig. So ist das Volatilitätsbarometer VIX nicht direkt investierbar. Warum eigentlich?

Der VIX-Index spiegelt die implizite Volatilität des S&P 500 wieder. Genauer gesagt handelt es sich um die implizite Volatilität einer hypothetischen 30-Tage Option. Da Optionen nur bestimmte Fälligkeiten haben, kann man nämlich nicht jeden Tag eine 30-Tage Option im Markt kaufen. Der VIX wird daher mit einer Formel berechnet. Vereinfacht dargestellt ist der VIX ein gewichteter Mittelwert der auf Optionen mit unterschiedlichen Laufzeiten und Strikes basiert. Um direkt in den Spot VIX zu investieren, müsste man ein komplexes Optionsportfolio konstruieren, das täglich angepasst wird. Anleger können in den VIX am einfachsten über Futures oder ETNs/ETFs investieren, die selber Futures nutzen. Man sollte jedoch beachten, dass Futures nicht dem Spot-VIX entsprechen, sondern der Erwartung für den VIX bei Fälligkeit des Futures. Die Futures sind deshalb etwas weniger reaktiv als der Spot-VIX.

Welche Eigenschaften haben implizite Volatilität und historische Volatilität im Vergleich?

Die historische oder auch realisierte Volatilität ist eine ex-post Messung der Schwankungsintensität einer Aktie, einem Index oder einem Fonds. Mathematisch gesehen handelt es sich um die Standardabweichung der täglichen oder wöchentlichen Performance über einen gewissen Zeitraum hinweg, zum Beispiel einem Monat oder ein Jahr. Es ist die Volatilität, die man im Markt beobachtet. Dieser Wert wird häufig als Risikoindikator genutzt. Die implizite Volatilität ist hingegen ein ex-ante Risikoindikator. Dieser Wert spiegelt die Markterwartung zukünftiger Schwankungen wider. Historische und implizite Volatilität sind stark korreliert. In der Regel liegt die implizite oberhalb der realisierten Volatilität. Diese Prämie ist ein Risikoaufschlag für die Risikoabsicherung. 

Stichwort implizite Volatilität. Was steckt dahinter?

Die implizite Volatilität kann von Optionspreisen abgeleitet werden. Bei steigender Volatilität steigt die Optionsprämie. In der Tat ist die Volatilität – neben dem Marktpreis, dem Strike, der Fälligkeit und der Zinsrate – in der Regel die einzige Unbekannte in der Gleichung, um Optionen zu bewerten. Vergleichbar mit Zinsraten oder Kredit-Spreads bezieht sich die implizite Volatilität immer auf eine Laufzeit. In der Regel hat man für die nahe Zukunft einen besseren Überblick der Risiken, während die Unsicherheit auf mittlere und längere Sicht zunimmt. Entsprechend nehmen implizite Volatilitäten in der Regel mit der Laufzeit zu. Als Investitionsklasse kommt nur die implizite Volatilität, also die zukunftsgerichtete und nicht die historische Vola, in Frage.

Ein häufig gebrauchter Begriff ist «Mean Reversion», also das einpendeln auf einen Durchschnitt. Wie spielt das im Volatilitätskontext eine Rolle?

Die klassischen Assetklassen (Aktien oder Renten) weisen langfristig einen Trend auf. In der Regel geht dieser nach oben, wenn man ein ausreichend langes Zeitfenster betrachtet. Die Volatilität ist hingegen langfristig trendlos. Sie kann sehr niedrig sein, wenn Investoren zuversichtlich sind oder sehr hoch, wenn Märkte eine starke und eventuell unerwartete Krise durchlaufen. Früher oder später kommt die Volatilität aber immer wieder auf durchschnittliche Niveaus zurück. Diese Charakteristik kann man nutzen, indem man niedrig kauft, wissend dass die Vola wieder steigen wird und zu verkaufen oder short zu gehen –, wenn die Vola hoch ist und man eine Normalisierung erwartet. Anlageklassen ohne „mean reversion“ bieten diese „Gesetzmässigkeit“ nicht.

Wie kann von Volatilitäten aus Anlegersicht profitiert werden?

Es gibt verschiedene Strategien, um Volatilität Ertrag bringend einzusetzen. Zunächst gibt es Arbitragestrategien, die darauf ausgelegt sind, temporäre oder strukturelle Über- oder Unterbewertung von impliziter Volatilität zwischen verschiedenen Indizes, Sektoren oder Einzelaktien (Relative Value Strategien) oder im Vergleich zur realisierten Volatilität (Carry Strategien) zu nutzen. Im derzeitigen unsicheren Marktumfeld ist unsere direktionale Volatilitätsstrategie sehr erfolgreich. Sie basiert auf der Mean Reversion. Das heisst, wir kaufen Volatilität wenn sie günstig ist und verkaufen sie, wenn sie teuer ist. Da Aktienvolatilität negativ mit den Aktienmärkten korreliert ist, ist diese Strategie sehr gut zur Diversifikation geeignet. Durch aktives Management, können wir auch absolute Renditen erwirtschaften, wenn die Volatilität selber ausreichend schwankt.

Gibt es Volatilitäten eigentlich nur auf Aktienmärkte?

Historische Volatilität kann man für jede Anlageklasse oder jedes Investment berechnen, solange es jeweils Preise dafür gibt. Implizite Volatilität gibt es nur, wenn es auch Derivate gibt. Prinzipiell gibt es also auch implizite Volatilität für zahlreiche andere Assetklassen. Das Problem jedoch ist oftmals die mangelnde Liquidität der Optionsmärkte, insbesondere für Laufzeiten von mehr als ein paar Monaten. Daher gibt es kaum Volatilitätsstrategien auf Kredit-Spreads oder Renten. Selbst für VIX-Futures sind vor allem die ersten zwei Kontrakte liquide. Im Aktienmarkt gibt es auch große Liquiditätsunterschiede zwischen verschiedenen Indizes: Zum Beispiel entspricht der VSTOXX-Markt (30-Tage implizite Volatilität des Euro Stoxx 50) nur etwa 5 % der Volumina des VIX.

Sie managen derzeit rund EUR 5 Milliarden in Volatilitätsfonds. Welche Art von Anleger investiert dort und wie steht es um Zu- und Abflüsse von Investorenseite?

In unsere direktionalen Volatilitätsstrategien investieren die unterschiedlichsten Anlegergruppen. Wir haben sowohl institutionelle Kunden wie Versicherer und Pensionskassen. Auf der Distributionsseite sind unsere Fonds in alternativen oder Absolute-Return-Fund-of-Funds zu finden. Sie werden oft Mischportfolien wie Multi-Asset-Fonds oder im Rahmen von Modelportfolios und der diskretionären Vermögensverwaltung eingesetzt, da sie sehr gut zur Diversifikation von Aktien und anderen klassischen Anlageklassen geeignet sind. Family Offices sind auch gut vertreten. Unsere Strategie ist aber auch mit alternativen bzw. Hedge-Fund-Strategien negativ oder unkorreliert. Für das Advisory Segment ist die Strategie etwas kniffliger. Es ist schwierig, sie in Kürze zu erklären. Da diese Volatilitätsstrategie aktives Management benötigt, bevorzugen Kunden oft, dies den Vola-Profis zu überlassen. So hatten wir seit Anfang des Jahres hohe Zuflüsse und unsere Assets sind seit Anfang des Jahres von ca. 2 auf knapp 5 Milliarden Euro angestiegen.

Abschließend: Keine Chance ohne Risiko. Was sind die generellen Risiken bei Volatilitätsanlagen und was macht Amundi besser als andere?

Für die direktionale Volatilitätsstrategie besteht in erster Linie das Risiko, dass Volatilität fällt wenn man „long“ positioniert ist bzw. steigt wenn man „short“ ist. Zudem kommen die Kosten der Strategie, die wir versuchen zu minimieren bzw. zu kompensieren, wenn es das Marktumfeld erlaubt. In Volatilität investiert man über Futures oder Optionen sowie über Fonds, inklusive ETNs/ETFs, die selber solche Derivate nutzen. Da solche Kontrakte eine Fälligkeit haben, entstehen Roll- und eventuell Haltekosten, selbst wenn die Volatilität unverändert bleibt. Daher ist ein Buy & Hold-Ansatz inklusive über VIX ETNs langfristig nicht geeignet und sollte nur für kurzfristige taktische Investments oder Absicherungen genutzt werden. Um die Kosten zu kompensieren und langfristig Geld zu verdienen, ist aktives Handeln und eine tägliche Anpassung des Portfolios an Marktschwankungen nötig, auch wenn die Volatilitätssensitivität des Fonds nicht verändert wird. Wir machen das ausschließlich mit gelisteten und liquiden Optionen. Amundi hat über 15 Jahre Erfahrung mit Volatilität im allgemein und verwaltet direktionale Volatilitätsfonds erfolgreich seit 11 Jahren. Wir managen das Volatilitätsexposure entsprechend einem einfachen transparenten Investmentraster, das einen gewissen Spielraum für die Fondsmanager vorsieht. Dies ermöglicht aktives Management und die Berücksichtigung der Marktumstände, was – wie gesagt – langfristig für die direktionale Volatilitätsstrategie erforderlich ist.

 

Gilbert Keskin
Gilbert Keskin ist Co-Head Volatility und Convertible Bonds sowie Portfolio Manager für direktionale Volatilitätsfonds. Er begann seine Karriere im Jahr 2000 im Research von Crédit Agricole AM. Er hält einen Abschluss der französischen technischen Hochschule ENSIMAG in Mathematik und Computerwissenschaften.

 

 

 

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