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payoff Interviews

«Faktor ETFs sind kein Ersatz, sondern eine Ergänzung»

10.03.2016 5 Min.
  • Martin Raab

Jacques-Etienne Doerr, Managing Officer, Vanguard Investments Switzerland über die neu lancierten Faktor-ETFs, bessere Risikokontrolle und das best gehütete Geheimnis von Vanguard.

Herr Doerr, Vanguard ist seit kurzem mit vier neuen Faktor-ETFs an der SIX Swiss Exchange präsent. Was dürfen sich Anleger und Vermögensverwalter von Faktor-Investments erwarten?

Faktoren widerspiegeln die eigentliche Exposure, die das Investmentrisiko einer Anlage erklärt. So ist beispielsweise der Marktfaktor das zugrundeliegende Risiko eines marktkapitalisierungsgewichteten Portfolios. Die Marktexposure ist dabei der Faktor der die Überrendite im Vergleich zu einer risikofreien Anlage erklärt. Ein faktorbasierter Investmentansatz integriert Faktorexposure-Entscheidungen in den Prozess der Portfoliokonstruktion. Dieser Ansatz bedingt, dass der Anleger Faktoren identifizieren kann, die künftig eine positive Risikoprämie erzeugen werden.

«Mit dem Vanguard Global Minimum Volatility ETF bieten wir hier ein interessantes Produkt, um das Gesamtrisiko eines Portfolios zu reduzieren.»

Sie erwähnten akademische Modelle. Welche Theorien stehen hinter Faktor-Investments?

Die aktuelle Diskussion über Faktor-Investments oder Smart Beta täuscht darüber hinweg, dass ähnliche Konzepte schon seit über 80 Jahre bekannt sind. Value Investing, 1934 beschrieben von Graham und Dodd, kann beispielsweise als früher Typus eines Faktor-Investments angesehen werden. Auch das CAPM ist im Kern ein Ein-Faktor-Modell. Das Arbitrage Pricing-Modell führte 1976 mehrere Quellen aktiver Risiken ein und bildet damit die theoretische Grundlage für Faktor-Investments. Fama und French erklärten 1992 die Zusammenhänge zwischen den Charakteristika von Aktienanlagen und Rendite. Das Fama-French Drei-Faktor-Modell zeigt auf, dass die Volatilität von Aktienportfolios durch deren Exposure in drei Faktoren erklärt wird: Markt, Grösse und Value.

Was sind die Vorteile einer Faktor-basierten Anlagestrategie?

Zunächst einmal sind Faktor ETFs kein Ersatz für markkapitalisierungsgewichtete ETFs. Faktor ETFs bieten einen regelbasierten, aktiven Investmentansatz. Ziel ist es, Risiken besser zu kontrollieren oder Überrenditen zu erzielen. Faktor ETFs bieten eine kostengünstige Alternative zu den anderen aktiven Strategien, die vergleichbare Ansätze einsetzen, um Überrenditen zu erzielen. Verglichen mit traditionelleren Formen des aktiven Managements bieten unsere Faktor ETFs dem Anleger eine höhere Transparenz und Kontrolle. Zudem sind sie deutlich günstiger. 

Vanguard ist mit Minimum-Volatility, Value, Momentum und Liquitity ETFs neuerdings in der Schweiz präsent. In welchen ETFs spielt bis dato die meiste Musik – auch wenn man die OTC-Flows hinzuzählt?

Die Produkte sind erst seit wenigen Wochen an der SIX kotiert, daher ist es für echte Trends noch etwas zu früh. Aus unseren Gesprächen wissen wir, dass sich unsere Kunden im aktuellen Umfeld mit volatilen Aktienmärkten insbesondere mit Instrumenten beschäftigen, die eine stringentere und transparente Risikokontrolle erlauben. Mit dem Vanguard Global Minimum Volatility ETF bieten wir hier ein interessantes Produkt, um das Gesamtrisiko eines Portfolios zu reduzieren.

«Dass Vanguard rund ein Drittel der USD 3’400 Milliarden an Kundenvermögen weltweit aktiv verwaltet, scheint noch immer nicht überall bekannt zu sein.»

Wie hebt sich das Angebot der Vanguard Faktor-ETFs von den Mitbewerbern ab?

Wir verwenden einen aktiven, aber regelbasierten Prozess, um die spezifischen Faktoren sehr konzentriert anzusteuern. Im Rahmen der Portfoliokonstruktion behalten die Portfoliomanager einen gewissen Freiraum beim Handeln einzelner Anlagen. Dabei versuchen die Portfoliomanager zwei Ziele gleichzeitig zu erreichen, nämlich die Transaktionskosten tief zu halten während sie gleichzeitig die angestrebte Faktorexposure aufrechterhalten. Je nach Marktsituation kann das heissen, dass die Portfoliomanager seltener oder häufiger handeln, immer abhängig von einer Kosten-Nutzen-Analyse – die zusätzlichen Handelskosten werden dem Nutzen einer zielgerichteten Faktorexposure gegenübergestellt.

Generell: Wie ist die Nachfrage derzeit und welche Kundenstimmen fangen Sie momentan ein?

Dass Vanguard rund ein Drittel der USD 3’400 Milliarden an Kundenvermögen weltweit aktiv verwaltet, scheint noch immer nicht überall bekannt zu sein. Anleger die uns nicht gut kennen, sind daher überrascht, dass wir aktive Produkte anbieten. Allseits wird anerkannt, dass wir unsere Faktor ETFs aktiv verwalten und nicht einfach einen Index Tracker auf sogenannte «Smart Beta-Indizes» anbieten. Unsere Kunden sind sich einig: Aktive Produkte sollen auch aktiv verwaltet werden. Insbesondere wenn es ein Anbieter wie Vanguard für eine TER von 0,22% sehr kostengünstig umsetzen kann.

Werden wir ein paar weitere Vanguard ETFs in den nächsten Monaten in der Schweiz sehen?

Bisher bieten wir in der Schweiz lediglich 13 ETFs an. Dabei handelt es sich um internationale Aktien- bzw. Faktor-ETFs. Unser Angebot für Schweizer Anleger werden wir kontinuierlich ausbauen, in bestehenden und neuen Anlagekategorien.

 

VITA
Jacques-Etienne Doerr
ist Managing Officer der Vanguard Investments Switzerland GmbH. Er arbeitet seit 2008 für Vanguard und ist verantwortlich für die Geschäftsentwicklung und die Betreuung bestehender Kunden in der Schweiz. Zuvor hat er 18 Jahre lang ähnliche Positionen bei verschiedenen Schweizer und US-Anlageverwaltern innegehabt, unter anderem Lombard Odier und GMO Switzerland. Jacques-Etienne Doerr ist CFA Charterholder und hat einen Master-Abschluss in Wirtschafts-und Finanzwissenschaften der Universität Zürich.

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