Faktorzertifikate: Mit konstantem Hebel gewinnen
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Martin Diethelm
Tradern bieten sich seit geraumer Zeit spannende Instrumente für kurzfristige Positionen. Wer einige Regeln einhält, findet in Faktorzertifikaten eine einfache und transparente Alternative zu Hebelprodukten.
Breite Auswahl an Basiswerten
Pionier im Markt ist die Commerzbank, die Faktorzertifikate auf verschiedene Basiswerte, von Einzelaktien über Rohstoffe und Zinsen bis hin zu Volatilitätsfutures, emittiert hat. Seit wenigen Tagen ist auch der Mitbewerber Deutsche Bank auf den Zug aufgesprungen und bietet Faktorzertifikate an. Allerdings ausschliesslich an deutschen Börsenplätzen. Der Grundmechanismus ist einfach und transparent, doch falsch eingesetzt führt das Produkt den Anleger mit grosser Wahrscheinlichkeit zu einem Verlust. Ein Faktorzertifikat multipliziert den täglichen prozentualen Gewinn oder Verlust des Basiswertes mit einem vordefinierten Faktor, üblicherweise sind Multiplikatoren von 1 bis 4 erhältlich, auf einzelne Basiswerte bis 5, Zinsprodukte können wegen der kleinen Schwankungen noch deutlich stärker gehebelt werden. Wenn der SMI um 1% zulegt, verteuert sich z.B. ein Long-Faktorzertifikat mit Hebel 3 um 3%, während das entsprechende Short-Faktorzertifikat 3% verliert. Vermindert wird diese Performance durch eine Indexgebühr von normalerweise unter 1% pro Jahr. Die Zinskomponente für den Hebel mindert den Wert von Long-Derivaten zusätzlich, während Short-Produkte davon profitieren. Vor allem bei kurzen Laufzeiten sind diese Komponenten allerdings vernachlässigbar.
Mühsame Suche entfällt
Vor jedem Kauf einer Option muss sich der Anleger mühsam durch Listen kämpfen, um das optimale Derivat bezüglich Laufzeit, Strike und impliziter Volatilität zu finden. Ähnlich verhält es sich mit Mini-Futures, deren Hebel sich je nach Abstand des Basiswertkurses zum Knock-Out laufend verändern. Diese Probleme stellen sich bei Faktorzertifikaten nicht, denn die Produkte sind unabhängig von der impliziten Volatilität, weisen keine Knock-Out-Schwellen auf und haben keine Laufzeitbeschränkung. Entsprechend kann mit einer sehr übersichtlichen Produktpalette operiert werden. Neuemissionen wegen veränderten Marktbedingungen sind quasi nicht notwendig. Für den Anleger hat dies entscheidende Vorteile, wie Christian König, Public Distribution Structured Products & ETF bei der Commerzbank in Zürich, erklärt: «Die Symbole der Produkte ändern sich nicht. Wer einen gewissen Hebel sucht, findet ihn stets beim gleichen Produkt. Dementsprechend kann er schneller auf eine Marktentwicklung reagieren als der Optionstrader, der zuerst das passende Hebelprodukt suchen muss.»
Problem der Pfadabhängigkeit
Am Tagesende wird das Produkt neu ausbalanciert, was bedeutet, dass der Faktor nur innerhalb eines Tages präzise gilt. Beispiel 1 zeigt die Problematik auf. Gewinnt Silber zwei Tage aufeinander 5%, was insgesamt 10,25% ausmacht, beträgt die Gesamtrendite des x3 Long-Faktorzertifikates 32,25%, was mehr ist als 3 x 10,25% = 30,75%, während das x3 Short-Faktorzertifikat nur 27,75% verliert. Diese Ungenauigkeit resultiert aus der Tatsache, dass sich (sog. diskrete) Renditen nicht direkt addieren lassen. Während in diesem Beispiel der Investor eine bessere Performance erreicht als erwartet, kann auch der gegenteilige Fall eintreffen, nämlich dann, wenn der Wert des Underlyings stark hin und her pendelt. In Beispiel 2 steigt der Kurs des Silbers am ersten Tag von USD 30 auf USD 33 und fällt im darauffolgenden Tag wieder auf USD 30 zurück. Während der Inhaber eines Silber-Futures gesamthaft eine Nullperformance verbucht, verliert ein Faktorzertifikat an Wert – egal, ob long oder short, wobei Letzteres im Beispielfall eine massive Werteinbusse von über 10% erfährt. Je volatiler das Underlying und je höher der Hebel des Zertifikates ist, desto stärker wirkt sich dieser Effekt auf die Performance des Derivates aus.
Funktionsweise am Beispiel Silber
Das Problem wird eindrücklich illustriert, wenn der hochvolatile Verlauf des Silberpreises mit dessen Faktorzertifikat verglichen wird, siehe Abbildung 1. Im ersten Quartal 2011 sorgte der stetige Anstieg des Silberpreises für eine starke Performance der Faktorzertifikate. Im Jahresvergleich sind die Kurse der 3x und 4x Faktorzertifikate auf Silber hingegen massiv gesunken, obwohl der Silberkurs nur gut 10% verloren hat. Grund für diese schlechte Performance sind wenige starke Rückschläge im Silberkurs von bis zu 20% an einem Tag. Insgesamt sind Langzeitvergleiche für Faktorzertifikate (allgemein für Hebelprodukte) allerdings wenig aussagekräftig, weil die Produkte nicht als Buy-and-Hold-Anlage konzipiert wurden. König bestätigt: «Faktorzertifikate sind ideal, um auf kurzfristige Trends zu setzen. Sie sind keinesfalls als Langfristanlage gedacht. Je langfristiger der Anlagehorizont, desto tiefere Hebel sollten gewählt werden.»
Schutz vor Totalverlust
Eine weitere Besonderheit von Faktorzertifikaten ist ein Mechanismus, der den Anleger vor einem Totalverlust schützt: Angenommen, der Silberpreis fällt innerhalb von einem Börsentag um 25%, dann würde ein (long) Faktorzertifikat mit Hebel von 4 wertlos verfallen. Um dies zu verhindern, wird bei einer bestimmten Verlustschwelle des Underlyings (für dieses Produkt bei 20%) ein neuer Handelstag simuliert. Das bedeutet, dass der Inhaber des Zertifikates erst 4 x 20% verliert und danach 4 x 5%, was sich insgesamt in einem Verlust von 84% statt 100% niederschlägt. Das mag für so manchen Trader ein schwacher Trost sein, doch im Worst-Case zählt bekanntlich jeder Rappen, den man nicht als Verlust verbuchen muss.
In der Kürze liegt die Würze
Faktorzertifikate eignen sich für die kurzfristige Spekulation (long und short) auf einzelne Basiswerte. Im Gegensatz zu Optionen und Mini-Futures steht – falls der Basiswert durch einen Emittenten abgedeckt ist – stets ein optimales Derivat zur Verfügung. Wenn auf stark volatile Underlyings gesetzt wird, ist die zeitliche Präzision entscheidend: Während bei Optionen und Mini-Futures der Verlauf des Basiswertes unwichtig ist, solange er sich am Ende am gewünschten Ort befindet, ist die Vermeidung von Rückschlägen bei Faktorzertifikaten äusserst wichtig, denn diese wirken sich überproportional auf die Gesamtperformance des Derivates aus. Wer mit dieser Problematik umgehen kann und im Gegenzug die Zeitersparnis für die Produktsuche schätzt, findet in Faktorzertifikaten eine gute Alternative zu Hebelprodukten.