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payoff Focus

Finanzmarkt Schweiz: Sternstunden für Strukis und ETFs

07.12.2017 14 Min.
  • Martin Raab

Dank der ungebremsten Kurszuwächse am Aktienmarkt schliessen nahezu alle Emittenten mit einem Rekordjahr ab. Nicht weniger impulsiv ist das derzeitige Stühlerücken in der Branche. Eine umfassende Stimmungsanalyse zum Jahreswechsel.

Das Börsenjahr 2017 kann sich bis Ende November sehen lassen: Der Swiss Market Index liegt im Jahresvergleich rund 15% höher, beim deutschen Aktienbarometer DAX sind es circa 20% und der Nasdaq Composite erzielte sogar um die 25% Wertzuwachs. Synchron sind die Umsatzentwicklungen bei Exchange Traded Funds und Strukturierten Produkten positiv. Allein im 3. Quartal 2017 lag der Umsatz nach Zahlen des Schweizerischen Verbands für Strukturierte Produkte (SVSP) bei CHF 64.7 Mrd, ein Plus von 20% gegenüber. dem Vorjahresquartal und +17.4% seit Jahresbeginn. Dominierende Grösse im Geschäft sind nach wie vor Barrier Reverse Convertibles, sie machen knapp die Hälfte des Gesamtumsatzes von in der Schweiz aufgelegten Finanzprodukten aus (siehe Grafiken). Nicht weniger stark glänzen ETFs; Die Mehrheit der Anbieter freut sich über satte Zuwächse. Nebulös bleibt dagegen das Thema Finanzmarkt-regulierung. In der EU gilt ab Januar 2018 das reformierte Gesetzespaket MiFID II für alle Finanzund Bank-Player. Das hat erhebliche Auswirkungen im Cross-Border Geschäft als auf die Bepreisung von Researchmaterial. Nationale Regelungen sind noch im Entwurfsmodus – eine Achterbahn zwischen Klarheit und Verwirrung. So liess Elisabeth Roegele, Exekutivdirektorin der BaFin jüngst durchblicken, dass man in Hinblick auf die nationale Umsetzung von MiFID II «Aufsicht mit Augenmass» betreiben werde.

Grosses Stühlerücken

In hoher Alles andere als schwankungsarm waren die Nachrichten zu personellen Veränderungen in den letzten Wochen sowohl im Derivatebereich als auch bei ETFs. So wurde der Bereich Public Distribution bei UBS, BNP Paribas, Deutsche Bank und Goldman Sachs verändert bzw. verändert sich (siehe Abschnitte unten). Wie u.a. auf www.branchendienst.news berichtet, hat der Verkauf des Europa-Geschäfts von ETF Securities an WisdomTree für USD 611 Millionen einiges an Staub aufgewirbelt. Zusätzlich geht die ETF Service-Plattform «Canvas» in neue Hände: Legal & General AM kauft sie. Einige Monate zuvor hat Invesco Powershares den ETF-Anbieter Source übernommen (payoff berichtete). Nima Pouyan leitet nun das fusionierte Schweiz-Geschäft von Source Powershares. Eine agile Mannschaft formt unterdessen auch die Deutsche Asset Management (DeAM) unter der neuen Leitung von Sven Württemberger, vormals bei BlackRock/iShares aktiv. Bis Jahresende sollen alle DeAM-Hirings abgeschlossen sein. Auch bei Vanguard gab es Veränderungen: Seit Sommer ist Thomas Merz als Europa-Chef ex UK gestartet. Er ist damit einziger Kontinentaleuropäer im Executive Board des ETF-Schwergewichts. Für 2018 plant er gewisse Veränderungen in der Struktur und Organisation. Im ETF-Bereich von BNP Paribas Asset Management ist neuerdings Chris Hofmann, vormals UniCredit, zum institutionellen Vertriebsteam um Claus Hecher dazugestossen. Sie betreut von München aus die D-A-CH Region. Seit kurzem sucht auch J.P. Morgan einen ETFVertriebsleiter für die Schweiz.

Smarte Innovation bei Raiffeisen

Eine Weiterentwicklung des klassischen Barrier Reverse Convertible kann Raiffeisen sich auf die Fahnen schreiben. Jüngst debütierte der Target One Level 100% BRC, u.a mit CZVRCH. Die Idee dahinter besticht gerade in Zeiten eines achtjährigen Bullenmarkts: «Unsere Target One BRCs bieten mehr Schutz vor potentiellen Risiken, da am Ende der Laufzeit des jeweiligen BRCs nur ein Basiswert über dem initialen Fixing Level notieren muss, damit das Produkt sicher zu 100% des Nominalwertes plus dem Coupon zurückbezahlt wird», bringt es Willi Bucher, Bereichsleiter Produkte & Vertrieb Zentralbank bei Raiffeisen Schweiz auf den Punkt. Die bisherigen Kundenfeedbacks sind extrem positiv gewesen. «Der neue Mechanismus kostet zwar etwas Coupon, garantiert jedoch ein optimiertes Risiko-Management», so Bucher. Das neue Angebot passt ideal für risikoaverse Investoren. Bisher gab es noch keine Adaption bei den Mitbewerbern.

ZKB auf allen Kanälen positiv

Gute Stimmung herrscht auch im Bereich Strukturierte Produkte bei der Zürcher Kantonalbank (ZKB). Die Kundenaktivitäten sind auf allen Kanälen überaus erfreulich. Neben dem üblichen Geschäft laufen derzeit die Vorbereitungen für die Lancierung des ZKB Jahresfavoriten Basket 2018. «Wir erwarten mit Spannung die Bekanntgabe der Research Favoriten für das kommende Jahr, um nun zum vierten Mal in Folge einen Basket auf diese Favoriten zu lancieren», erklärt Curdin Summermatter, Leiter Verkauf Strukturierte Produkte bei der ZKB.

«Egal ob Strukis oder ETFs – die Mehrheit der Anbieter freut sich über satte Zuwächse.»

Die Performance der bisherigen Jahresfavoriten – sowohl absolut als auch relativ – war sehr erfreulich und das Kundeninteresse ist nach Angaben von Summermatter entsprechend hoch. Er geht weiter davon aus, dass sich die aktuelle Hausse fortsetzen wird. «Alle Konjunkturindikatoren stimmen mich zuversichtlich. Der Aktienmarkt ist dank der Unternehmensgewinne keinesfalls überbewertet », gibt sich Derivat-Experte Summermatter überzeugt.

Hebelfokus zahlt sich für Commerzbank aus

Zufriedene Kunden und damit einhergehend attraktive Volumina verzeichnete die Commerzbank rückblickend auf die letzten Wochen. Das Jahr 2017 insgesamt verlief sehr gut, die Fokussierung auf Hebelprodukte zahlte sich aus. «Vor kurzem zog vor allem die Nachfrage nach Mini-Futures und Faktor-Zertifikaten auf Öl wieder an, nachdem der Energierohstoff deutlich zulegen konnte. Neben dem Evergreen wie DAX-Warrants rückten vermehrt Zertifikate auf Novartis, Roche, Gold und Credit Suisse in den Anlegerfokus», fasst Andreas Stocker, zuständig für Public Distribution, die gegenwärtige Situation zusammen. Auf der produktstrategischen Seite ergänzt Dominique Böhler, Head Public Distribution Schweiz, dass «unsere Palette an Faktor-Zertifikaten an der Schweizer Börse in den vergangenen Monaten erneuert und damit noch attraktiver gestaltet wurde». an der SIX Swiss Exchange werden aktuell 476 Faktor-Zertifikate der Commerzbank angeboten, auf SwissDOTS sind 669 Faktor-Zertifikate handelbar.

Stabwechsel bei BNP Paribas

Die Nachfolgersuche bei BNP Paribas ist abgeschlossen: Irene Brunner kehrt von der Deutschen Bank im Frühjahr 2018 an die Selnaustrasse zurück. Sie leitete zuvor bereits den Struki-Bereich der Royal Bank of Scotland, welcher von der BNP Paribas im Jahr 2014 akquiriert wurde. Der bekannte Frontmann Florian Stasch wird per Ende Jahr – nach insgesamt 17 Jahren in der Derivatelandschaft (u.a. ABN AMRO, RBS) – seinen Dienst quittieren und sich mit der Familie ab 2018 einer ausgiebigen Weltreise widmen. Was ein Jahr später als neues Betätigungsfeld gewählt wird, lässt Stasch völlig offen. An Talenten und Ideen mangelt es dem zweifachen Vater sicher nicht. Ohne Mangel zeigt sich auch die derzeitige Kundennachfrage. «Die Sommermonate waren überraschend rege beim Umsatz, derzeit profitieren wir von der immer noch positiven Marktstimmung und einer guten Nachfrage nach unseren Hebelprodukten», erklärt Florian Stasch, Head Exchange Traded Solutions Switzerland bei BNP Paribas (Suisse) SA.

Sehr gute Kundenstimmung bei UBS

Erfolgreich umgebaut präsentiert sich der «Struki-Desk» bei UBS: Nach 17 Jahren hat Robin Lemann die Bank verlassen. Jérôme Allet ist als Head Public Distribution Schweiz sein Nachfolger. Adrian Steinherr (Head Distribution) ist übergeordneter Co-Head zusammen mit Thomas Wicki (Head Institutional) für Derivate auf Aktien in der Schweiz. Zwei weitere Kräfte werden Jérôme im Tagesgeschäft unterstützen. Und Hilfe kommt gerade recht, denn die Kundenstimmung ist weiterhin sehr gut. «Seit Mitte Oktober sehen wir wieder grosses Interesse an unseren Zeichnungsprodukten, Themenzertifikaten und der Rohstoff-Palette – auch sind AMCs stark nachgefragt von bestehenden und neuen Kunden», erläutert Jérôme Allet. Doch auch Absicherungslösungen rücken seit kurzem wieder in den Fokus der Kunden. Produktseitig wird UBS bald wieder frische Warrants auf Devisen und Edelmetalle lancieren. «Zudem verbessern wir unser sehr erfolgreiches Newsletter-Angebot weiter und sind dabei nach den Daily Marktes auch für den Weekly Hits eine mobile-optimierte Version anzubieten», ergänzt Derivatspezialist Allet. Mit Blick auf den Markt ist er inzwischen eher zurückhaltend: «Persönlich glaube ich, dass es dieses Jahr keine Ralley geben wird».

Neue Leitung für Goldmans Schweiz Desk

Eine Stabübergabe hat auch jüngst bei Goldman Sachs stattgefunden: Gaudenz Eichenberger ist neuerdings verantwortlich für das Geschäft mit Strukturierten Produkten in der Schweiz. Sein Vorgänger Christian Beerli, inzwischen zum Managing Director befördert, hat eine neue Rolle in Hong Kong übernommen. Das Schweiz-Geschäft mit Strukturierten Produkten wird bislang von London aus gemanagt. Allenfalls steht in diesem Bereich ein Umzug im Zusammenhang mit Goldmans neuer Europa-Zentrale in Frankfurt an. Im ab 2019 fertiggestellten Marienturm, direkt gegenüber den Deutschen Bank Zwillingstürmen, wird die Investmentbank Büroflächen für 1’000 Arbeitsplätze anmieten.

Leonteq debütiert mit Short-Bitcoin-Tracker

Weiterhin vielfältige Nachrichten produzierte, neben Julius Bär und dem Absprung von Boris Collardi, das Derivatehaus Leonteq in den letzten Wochen. Die Rolle des CEO soll neu besetzt werden, nachdem Jan Schoch Anfang Oktober – samt Verkauf seines 64 Millionen Franken Aktienpakets endgültig Adieu gesagt hatte. Marco Amato leitet das Unternehmen ad interim.

«Weiterhin vielfältige Nachrichten produzierte, neben Julius Bär und dem Absprung von Boris Collardi, das Derivatehaus Leonteq.»

Auch Pressesprecher Rüdiger Assion, einst hochdekorierter Kommunikationschef der Deutschen Börse, nahm inzwischen seinen Hut. Die Kunden nehmen es gelassen, wie man hört. So attestiert Manuel Dürr, Head Public Distribution bei Leonteq Securities, ebenfalls ein «nach wie vor recht positives Sentiment auf Anlegerseite». Es werden unter anderem Bonus-Zertifikate und auch Outperformance-Zertifikate gesucht. Bei coupon-fokussierten Zeitgenossen treffen Basiswerte wie Hertz und Avis Budget den Nerv. Frisch aus der Produktwerkstatt gibt es eine besondere Premiere: Nachdem vor mehreren Wochen Long Tracker-Zertifikate auf Bitcoin erfolgreich am Markt platziert wurden, ist seit 17. November ein Short Tracker-Zertifikat auf Bitcoin (SHORTQ) sowie das erste aktiv gemanagte Zertifikat auf Bitcoin (SQXBTQ) live. «Neben den vielversprechenden Bitcoin-Premieren werden wir eine neue Version des Constructors live herausgeben, um MiFID IIinspirierten Regeländerungen Rechnung zu tragen», gibt Frontmann Dürr einen Ausblick.

Vontobel schickt ebenfalls Bitcoin-Shorts

Auf ein sehr gutes Jahr blickt man im Bereich Strukturierte Produkte bei der Bank Vontobel zurück. Insbesondere die Themen-Investments (u.a. Artificial Intelligence)
zogen erhebliche Kundengelder an. Von offizieller Seite wird «ein nach wie vor guter Flow» durch Eric Blattmann, Head Public Distribution Switzerland bestätigt. «Themen-Tracker waren unser stärkstes Zugpferd. Weiterhin liefen auch die Barrier Reverse Convertible Klassiker gut, speziell dann, wenn Features wie Autocalls dem Anleger einen Extra-Renditekick beschert haben», erklärt Vertriebschef Blattmann. Strategisch wird sein Bereich, Public Distribution, welcher im Wettbewerb zur hauseigenen deritrade Plattform steht, verstärkt ein Augenmerk auf zeitgenössische Anlagethemen und payoff-Diagramme legen, die nicht über Plattformen abgebildet werden. Sehr zeitgenössisch sind Bitcoins. Hier lässt sich Vontobel nicht die Butter vom Brot nehmen und kontert den Vorstoss von Leonteq in einer spontanen Aktion mit zwei Mini-Futures Short (MXBTMV und MXBTRV) auf Bitcoin. Weiterhin ist geplant mit INVESTerest im grossen Stil ins Social Trading einzusteigen. Dazu gehört auch ein exklusiver Marktplatz für Actively Managed Certifcates sowie neuer Themen, die innert weniger Mausklicke verbrieft werden können. Die Details werden derzeit noch erarbeitet, man möchte aber rasch damit an den Markt. Ebenfalls einige Neuerungen werden in Deutschland (mein-zertifikat.de) und Asien in den nächsten Wochen erwartet. Eric Blattmann ist unterdessen überzeugt, «dass es eine schöne Jahresend-Rally geben wird». Das Potenzial sei noch nicht ausgeschöpft.

Mehr Sicherheitsnetze bei Julius Bär

Gezielt Positionen abbauen ist trotz ebenfalls positiver Grundstimmung ein Thema unter Kunden von Julius Bär. «Die aktuelle Marktlage wird durchaus genutzt, um Gewinne zu realisieren oder in Produkte mit vollem bzw. bedingtem Kapitalschutz umzuschichten. Nicht alle sind dabei bereit, bei aktuellem Marktniveau ohne Sicherheitsnetz zu investieren», gibt Nikos Pollakis, Head Structured Products Advisory & Sales bei der Bank Julius Bär Einblicke. Produkte auf europäische Aktien standen in letzter Zeit an erster Stelle bei der Kundennachfrage, insbesondere solche auf den EuroStoxx Banks Index. Zum Stichwort Jahresend-Rally hat der Derivate-Fachmann Nikos Pollakis eine klare Meinung. «Aus den Wachstumsmärkten in Asien kommen nach wie vor positive Signale, mehrere Länder verzeichnen einen Handelsüberschuss. Somit ist eher mit einem positiven Momentum als mit einem Strohfeuer zu rechnen. Für eine Jahresend-Rally spricht auch, dass die europäischen Aktien aus  Bewertungssicht gegenüber US-Aktien noch über Aufholpotential verfügen.»

Luzerner KB hat Markteintritt fest im Blick

Den Markteintritt im Bereich Strukturierte Produkte fest vor Augen hat man währenddessen in Luzern. Vor einigen Monaten wurden die Geschäftspläne bestätigt (payoff berichtete). «Die Projektarbeiten, wenn auch umfangreich und komplex, kommen soweit gut voran. An der Zielsetzung, im ersten Halbjahr 2018 die Emissionstätigkeit aufzunehmen, wird festgehalten», erläutert Claudio Topatigh, Leiter Kompetenzzentrum Strukturierte Produkte bei der LUKB. In Sachen Produktangebot will man sich nach seinen Angaben an den Bedürfnissen des Marktes ausrichten. «Nebst Kapitalschutzprodukten werden auch Barrier Reverse Convertibles in ihren unterschiedlichen Ausprägungen im Regal stehen, insbesondere Autocallables und Softcallables», so Topatigh. Das Produktsortiment der LUKB wird auch nach der Lancierung sukzessive ausgebaut. Im März dieses Jahres nannte Daniel von Arx, Leiter Kommunikation der LUKB, im Interview ein geplantes Emissionsvolumen von 1 Milliarde Franken bis zum Jahr 2020 als Ziel – das verspricht weitere Sternstunden für Strukturierte Produkte.

 

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