Fingerspitzengefühl bei der Laufzeitsteuerung gefragt
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Tobias Geishauser
Portfoliomanager Fixed Income und Cc-Fondsmanager
DJE-Renten Global
Die Zeit des billigen Geldes ist wieder vorbei. Weltweit können Anleger mit Anleihen mittlerweile wieder attraktive Nominalrenditen erzielen.
Für Anleihen mit guter Qualität sind im Euroraum Renditen von drei bis vier Prozent je nach Laufzeit und Bonität möglich, in US-Dollar denominiert sogar von bis zu fünf Prozent. Bei Risiko-Anleihen – sogenannten High Yield Bonds – liegen die Werte noch etwas höher: in der Eurozone bei mehr als sechs Prozent, in US-Dollar sogar über sieben Prozent. Sollte die Inflation sich langfristig wieder auf die Zielraten der Notenbanken einpendeln, wären damit seit langem wieder reale Gewinne mit Anleihen möglich.
Was langfristig für Anleihen spricht
Kalkulierbare Zahlungsströme – Cashflows-, hohe Nominalrenditen und zusätzliche Kursgewinne bei einem fallendem Zinsniveau sind derzeit die grossen Benefits von Anleihen. Im Gegensatz zu Aktien wird das Kapital zu einem bestimmten Fälligkeitstag zurückbezahlt; unter der Voraussetzung, dass der Anleihen-Emittent nicht zahlungsunfähig wird. Die Beimischung von Anleihen eignet sich im Sinne der klassischen Portfoliotheorie zur Risikoreduktion bzw. Volatilität des Gesamtportfolios. Nach einem historisch starken Zinsanstieg stehen viele Volkswirtschaften in der Erwartung der Marktteilnehmer am Ende des Zinserhöhungszykluses. Sollten die Zinsen also wieder fallen, können Investoren insbesondere bei langlaufenden Anleihen neben dem festen Coupon mögliche Zusatzerträge über den Kursgewinn der Anleihe erwirtschaften (und umgekehrt auch Verluste). Auch die aktuell realisierten Ausfälle (z. B. nach Moody´s-Index) liegen langfristig betrachtet auf einem sehr niedrigen Niveau, so dass Cash-Flows sicher kalkuliert werden können.
Wie Anleihen gehandelt werden
Institutionelle Investoren handeln Anleihen in der Regel mit relevanten Market Makern ausserbörslich «over the counter», kurz OTC. Die letzten Jahre waren geprägt von gestiegenen regulatorischen Anforderungen – zum Beispiel nach mehr Eigenkapital, damit die Grossbanken entsprechende Risiken in den eigenen Bilanzbüchern überhaupt halten können. Das treibt die impliziten Handelskosten von Anleihen in die Höhe: Anleihen zu handeln ist derzeit so „teuer“ wie noch nie. Zudem entfällt mit den meisten Notenbanken ein weiterer Käufer von Anleihen, vor allem von Staatanleihen. Im Juli 2022 endete das von der EZB initiierte Anleihenaufkaufprogramm. Die Notenbanken verringen seit Jahren wieder ihre Bilanzsummen und treten als Verkäufer von Anleihen an den Markt. Dies hat weitreichende Einflüsse auf die Renditen und die Liquidität von festverzinslichen Wertpapieren.
Privatanleger sind mit hohen Markteintrittsbarrieren konfrontiert, da die Mindestanlagesummen von 100’000 Euro bei vielen Anleihen hoch sind. Viele Anleihen sind auch nicht über die Depotbank bzw. Broker für den Anleger erwerbbar. Speziell für Anleihen in Fremdwährung ist der Marktzutritt für Retail-Kunden fast unmöglich. An dieser Stelle beweisen sich Publikumsfonds als geeignete Instrumente.
Bei der Auswahl beachten
Das Anleihen-Universum ist vielfältig und komplex. Es gilt Währungs- bzw. Wechselkursrisiken zu beachten. Zudem ist die Stellung der Anleihe im Ranking der Bilanz des Emittenten bedeutsam. Ist die Anleihe besichert zum Beispiel durch einen Immobiliendeckungsstock, unbesichert oder nachrangig gegenüber anderer Gläubiger zu behandeln. Somit können Anleihen aktienähnliche Rendite-/Risikoprofile aufweisen. Eine durchdachte Diversifikation in Sachen Branchen, Bonitätsstrukturen und Währungen ist daher ungemein wichtig.
Auch dem Trend des nachhaltigen Investierens können sich Anleihen nicht entziehen. Nicht nur Unternehmen, sondern auch Länder begeben verstärkt Fremdkapital mit dem Ziel nachhaltige Investition zu fördern. Die Europäische Union möchte mit ökologisch nachhaltigen Anleihen Instrumente zur Finanzierung von grünen Technologien und Infrastruktur vermehrt in der Zukunft einsetzen. Geografisch betrachtet waren die letzten Monate in den Emerging Markets spannend. Mit Blick auf festverzinsliche Anlagen waren die letzten fünf Jahre dort tendenziell schwierig. Länder mit starkem Wirtschaftswachstum, die auch von einem möglichen Zenit der Dollarstärke profitieren würden, sind interessant. Dort wurden die Leitzinsen früher und aggressiver erhöht. Der Investor profitiert zudem von einer vorteilhaften Korrelation zu anderen Anleihenmärkten.
Fünfstufiger Investmentprozess
Unser Investmentprozess durchläuft fünf Stufen. Bei DJE werden in einem monatlichen Strategiemeeting die Grundsäulen der Investmentstrategie bestimmt und bei Bedarf angepasst. Das Grundmodell der Entscheidungen ist die FMM-Methode, also fundamentale, monetäre und markttechnische Faktoren werden zusammengetragen und analysiert, um Prognosen zu entwickeln. Die dreidimensionale FMM-Methode ist das Herzstück der Anlagephilosophie von DJE und geht auf die Promotion des Gründers Dr. Jens Ehrhardt zurück. Ihr zufolge beeinflussen neben fundamentalen Kriterien wie der Gesamtmarktbewertung und der Unternehmensanalyse auch monetäre und markttechnische Indikatoren die Kursentwicklungen. Dazu zählen z.B. das Geldmengenwachstum und die Inflationsentwicklung sowie die Auswertung von Stimmungs- und Trendindikatoren.
Zweiter Punkt ist das Screening des Anleihen Universums: Auf Basis der Investmentstrategie wird das gesamte Anleihen Universum gefiltert. Dabei werden Selektionskriterien wie Bonität, Laufzeit, absolute Rendite und Volatilitäten der Anleihen zu Grunde gelegt.
Analyse der Unternehmen im Detail
Dritter Punkt ist die fundamentale Analyse des Emittenten: Nach der Identifikation potenzieller Unternehmen oder auch Staatsanleihen werden diese anhand von quantitativer sowie qualitativer Faktoren bewertet. Zu den qualitativen Kriterien zählen die Bilanzqualität, die Gewinn- und Verlustrechnung, der Verschuldungsgrad, die Profitabilität und die Entwicklung der Unternehmenskennzahlen. Es werden die Free Cash-Flows zur Bedienung der Coupons und Rückzahlung der Anleihe genau bewertet. Diese Daten werden in einem unternehmenseigenen Ratingmodell zusammengetragen. Auf der qualitativen Ebene wird das Unternehmensmanagement, das Risikomanagement sowie das Geschäftsmodell bewertet. Dazu gehören auch persönliche und virtuelle Unternehmensbesuche. Ebenso werden die Eintrittsbarrieren für mögliche Wettbewerber, regulatorische und politische Risiken des Unternehmens untersucht. Nachhaltigkeitskriterien (ESG) des Emittenten nach externen Scoring Modellen wie z.B. MSCI spielen eine immer grössere Bedeutung.
Viertens kommt die Analyse der Ausgestaltungsmerkmale und Relative Bewertung des Anleihen Titels: Bei diesem Schritt des Investmentprozesses geht das Anleihen-Management von DJE genauer auf die Ausgestaltung der selektierten Anleihen ein. Die Verzinsungsmodalitäten – fixer oder variabler Coupon-, Fälligkeitsstruktur (Call-Optionen des Emittenten) und optionale Wandlungsrechte müssen berücksichtig werden. Eine wesentliche Rolle bei der Gesamtverzinsung einer Anleihe spielt ihr Credit Spread, also die (Kredit-)Risikoprämie. Bei Unternehmensanleihen bedeutet dies die Bewertung dieser Risikoprämien im Vergleich zu anderen Emittenten mit vergleichbarer Bonität, aber auch im Vergleich zu den Risikoprämien von Staatsanleihen und Swapsätzen („risikolose“ Zinsbenchmark). Auch die Liquidität der selektierten Anleihe spielt schliesslich eine Rolle. Dazu gehören u.a. die Geld-Briefspannen und die Grösse des Emissionsvolumen des Titels.
Portfolioaufbau
Auf Portfolioebene werden Gewichtungen zwischen Unternehmensanleihen und Staatsanleihen bestimmt. Sollten die Credit Spreads für Unternehmen aufgrund einer potenziellen Rezession stiegen, könnten Staatsanleihen eine Alternative bieten. Des Weiteren wird auf Gesamtportfolioebene die durchschnittlich gewichtete Rating-bzw. Bonitätsstruktur überwacht. Die Duration-Steuerung, also die Steuerung der durchschnittlichen Kapitalbindungsdauer des Portfolios, ist ein weiteres wichtiges Instrument. Zinszyklen verlaufen nicht immer in einem linearen Muster. Aus diesem Grund steuert das Anleihen Management von DJE die Duration in einem dynamischen und flexiblen Ansatz. Während 2022 noch sehr kurze Durationen bevorzugt wurden, kann diese im Hinblick des Zinsgipfels, für dieses Jahr ausgebaut werden. Durationen können mittels Zins Derivaten unterstützend gesteuert werden ohne das Grundportfolio andauernd anpassen zu müssen. Anleihen in anderer Währung denominiert wie z.B. in US-Dollar unterliegen einem zusätzlichen Fremdwährungsrisiko. Das Fondsmanagement muss die makroökomischen Rahmenbedingungen bewerten und eine Einschätzung für die jeweiligen Währungsmärkte treffen. Fremdwährungsrisiken können über Hedging-Strategien mittels Derivate abgesichert werden.
Fazit
Anleihen sind nach dem historisch starken Zinsanstieg wieder ein attraktiver Bestandteil eines Portfolios geworden und können zur Stabilität beitragen. Dennoch gibt es viele Faktoren zu berücksichtigen, um eine möglichst hohe und stabile Rendite mit Anleihen zu erwirtschaften. Aktuell ist Fingerspitzengefühl besonders bei der Laufzeitsteuerung angesagt.