«GENDER LENS INVESTING»
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Martin Raab
Frauen in Führungspositionen und gemischte Teams sorgen dafür, dass Unternehmen wirtschaftlich nachhaltig erfolgreicher sind. Das interessiert auch zunehmend Privatanleger und institutionelle Investoren. Wie aus Gender Diversity Gender Lens Investing wird – und welche Anlageprodukte bereits verfügbar sind.
Im November 1950 passierte es: Olive Ann Beech, Witwe des Gründers der Beech Aircraft Company («Beechcraft»), wurde die erste weibliche Unternehmenslenkerin in Nordamerika. Um diese Zeit hatten in Griechenland oder der Schweiz Frauen noch nicht einmal das Wahlrecht. Im Jahr 1961 debütierte wiederum die Witwe eines Patron als erste CEO eines damals börsenkotierten Unternehmens: Katharine Graham übernahm den Medienkonzern The Washington Post, welcher heute dem Amazon-Gründer Jeff Bezos als Privatinvestment gehört. In Deutschland gehörte Ellen Ruth Schneider- Lenné von 1988 bis 1996 als erste Dame überhaupt zur Spitze der Deutschen Bank. Ein Novum, das zu reden gab. Gleichzeitig war Schneider-Lenné damit bestverdienende Frau der Bundesrepublik: 500’000 Mark gab es pro Jahr. Das beschäftigte Boulevard- Blätter und seriöse Kommentatoren gleichermassen. Neben dem Kreditrisiko betreute die Managerin die Expansion im internationalen Geschäft und war gemäss damaligem Bankchef Hilmar Kopper «einfach unser bester Mann im Vorstand».
Spagat zwischen Wunsch und Wirklichkeit
Gender Diversity, sprich Geschlechter-Gleichberechtigung, sowie Women Leadership, die gezielte Förderung von Frauen als Führungskraft, ist in aller Munde. Die betrieblichen Effekte durch Gender Diversity als auch Women Leadership sind in unzähligen Studien positiv belegt: höhere Produktivität, nachhaltige Strategien und mehr Profitabilität. Doch die nüchterne Statistik zeigt insbesondere beim Thema Women Leadership Nachholbedarf zwischen wohlklingenden Pressemeldungen, Absichtserklärungen und der effektiven Stellenbesetzung. So weisen Unternehmen in den USA eine weibliche CEOQuote von acht Prozent aus, in Grossbritannien sind es sechs Prozent, in Frankreich zwei Prozent, in Deutschland und der Schweiz ein Prozent. Innerhalb des US-Börsenbarometers S&P 500 sind 24 weibliche CEOs aktiv, also gerade einmal 4.8%. Mit Blick auf den MSCI World Index (rund 50% US-Aktien) ist ein klarer «Gender Gap» bei CEO-Rollen erkennbar. Beim Finanzvorstand (CFO) sind Frauen hingegen prozentual ziemlich ausgeglichen repräsentiert, beim operativen Leiter (COO) noch etwas unterrepräsentiert.
Auch Schweiz mit Nachholbedarf
Hierzulande wurde – vom verpatzten Frauenstimmrecht und von lächerlichen 14 Wochen Mutterschaftsurlaub mal abgesehen – unter dem Motto «Taten statt Worte» bereits im Jahr 1986 ein Netzwerk für die Chancengleichheit durch eine Reihe Schweizer Unternehmen ins Leben gerufen. Doch dauerte es bis zum Jahr 2010 als Ziehvater Brady Dougan die Ernennung von Pamela Thomas-Graham als erstes weibliches Geschäftsleitungsmitglied bei einer Schweizer Grossbank initiierte. In den 20 Unternehmen, die im Swiss Market Index zusammengefasst sind, gibt es allerdings bis heute keine Dame als CEO. Doch machen Firmen wie EMS Chemie (Magdalena Martullo-Blocher), Microsoft Schweiz (Petra Jenner), Alpiq (Jasmin Staiblin) gewisse Ausnahmen. Headhunter Guido Schilling, welcher sich seit Jahren mit dem Thema Gender Diversity sehr aktiv befasst, bemängelt in seinem jüngsten Report, «dass es der Schweizer Wirtschaft nicht gelingt, die im letzten Jahr positive Entwicklung des Frauenanteils in den Geschäftsleitungen der 100 grössten Arbeitgeber fortzusetzen». 59% der von Schilling untersuchten Unternehmen beschäftigen aktuell keine Frau in der Geschäftsleitung.
«59% der Schweizer Unternehmen beschäftigen keine Frauen in der Geschäftsleitung.»
Zahlen sprechen klare Sprache
Das ist bedauerlich, denn hierdurch würde die Mehrheit der Unternehmen auch positive Impulse für ihre Geschäftszahlen erfahren. Gemäss einer Research- Studie des Indexanbieters MSCI sind die Auswirkungen von Frauen in der Teppichetage klar messbar: So produzieren Unternehmen mit Damen in der C-Suite einen deutlich höheren Return-on-Equity sowie eine leicht höhere Aktienbewertung (siehe Grafik). Die Rechenkünstler von McKinsey kommen in ihrer Sonderpublikation «Women Matter» gar auf einen EBIT-Vorteil von 47%. Es wurden 300 Unternehmen mit und ohne Frauen in der C-Suite in 10 verschiedenen Ländern analysiert. Wenig verwunderlich, dass insbesondere Pensionskassen und institutionelle Investoren sich diesem Thema vermehrt widmen. Die Mehrrendite begeistert – gerade auch Anleger, die Umwelt- und Sozialgedanken beim Anlageentscheid berücksichtigen.
Anlagekonzepte lange im Schatten
Die ersten strategischen Ansätze zu Gender Lens Investing erblickten bereits 1993 mit dem 2007 von Pax World erworbenen Women’s Equity Fund PXWEX das Licht der Welt. Das Produkt ist in der Schweiz derzeit nicht zum Vertrieb zugelassen. Diese Produkte fristeten allerdings lange Zeit ein Schattendasein. Erst in den vergangenen fünf Jahren ist das Angebot stark gestiegen. Dazu beigetragen haben Studien wie diejenige des Indexanbieters MSCI oder der Bank Nordea. Letztere errechneten zwischen 2009 und 2017 eine annualisierte Rendite für Aktien von Unternehmen, die von Frauen geführt werden (CEO oder VR-Präsident), basierend auf einer gleich gewichteten Methode, von 25%. Das lag deutlich über den 11% des Gesamtmarktes MSCI.
Frauenpower im ETF und ETN-Mantel
Eine Umsetzung in investierbare Konzepte ist alles andere als einfach, wie ein Performance-Vergleich in CHF einiger Indizes zeigt. Seit Juli 2011 hatten die US fokussierten Indizes SSGA Gender Diversity TR Index und Barclays Women in Leadership TR Index ganz klar die Nase vorne. Auf beide Basiswerte gibt es handelbare Produkte: Das Flaggschiff unter den angebotenen Gender Lens Investing-ETFs ist zweifellos der SPDR State Street Global Advisors Gender Diversity Index ETF mit dem unverwechselbaren Symbol SHE. Er wurde im Juli 2016 aus der Taufe gehoben. Er setzt auf grosse US-Gesellschaften mit dem höchsten Anteil an Managerinnen in den jeweiligen Sektoren. Seine Zusammensetzung wird jährlich überprüft und neugewichtet. Am 4. Mai hielt der ETF 169 Positionen. Die grössten davon mit Anteilen zwischen 5.62% und 4.78% entfi elen auf Pfi zer, Coca-Cola und Mastercard. Positiv zu erwähnen sind die vergleichsweise niedrigen Jahresgebühren von 0.20% des in den USA gehandelten ETFs. Ebenfalls auf USWerte (NYSE und Nasdaq) fokussiert ist WIL, die Barclays Women in Leadership ETN. Für die Auswahl kommen Unternehmen in Frage, die entweder einen weiblichen CEO haben oder einen Mindestanteil von 25% an weiblichen Mitgliedern im Verwaltungsrat. Der ETN erblickte bereits im Juli 2014 das Licht der Welt. Gemessen an der Börsenkapitalisierung von rund USD 36 Mio. ist WIL nur rund halb so gross wie SHE und erhebt zudem gut doppelt so hohe Jahresgebühren von 0.45%.
UBS mit schweiz-kotiertem Gender ETF
In der Schweiz kotiert ist seit Anfang 2018 der UBS Global Gender Equality ETF (Symbol GENDER). Er basiert auf dem Solactive Equileap Global Gender Equality 100 Leaders Index. Er bildet 100 Aktien von 100 Unternehmen ab, die im Bereich Geschlechtergleichstellung international führend sind. Vorgenommen wird das auf einer milden ESG Basis, d.h. Unternehmen, die den Grossteil ihres Umsatzes mit Waffen, Glücksspiel oder Tabak erzielen, werden ausgeschlossen. Das Screening wird durch das Research- Haus Equileap durchgeführt. Performancemässig hinkt der Basiswert seinen beiden US-Konkurrenten SSGA Gender Diversity TR Index und Barclays Women in Leadership TR Index seit Juli 2017 hinterher. Er hielt jedoch ebenfalls Schritt mit dem Weltaktienindex. Zum Verhängnis wurde dem Ansatz in den vergangenen Jahren seine globale Ausrichtung sowie die überdurchschnittliche Ausrichtung auf Blue Chips. Nichtsdestotrotz ist auch der ETF GENDER eine sehr valable Investitionsmöglichkeit. Positiv hervorzuheben sind die sehr niedrigen Jahresgebühren von 0.20%.
«Die ersten Ansätze zu Gender Lens Investing starteten bereits 1993.»
Gender Lens Investing ideales Tummelfeld für AMCs
Unter den in der Schweiz angebotenen Strukturierten Produkten war Gender Lens Investing bis vor kurzem nur durch das Tracker-Zertifikat WOMEN der Bank Vontobel vertreten. Das bereits im Juli 2011 lancierte, aktiv gemanagte Zertifikat («Actively Managed Certificate»- AMC) basiert auf dem VT Top Executive Women Basket. Es ermöglicht Anlegern die Partizipation an einem Basket von zwölf Aktien von Unternehmen, bei welchen Frauen seit mindestens zwei Jahren als CEO oder VR-Präsidentin tätig sind. Im mehrstufigen Selektionsverfahren werden mit Hilfe der Kriterien hohe Ausschüttungsrendite, Länder- und Branchenbeschränkung von maximal 25% sowie Handelbarkeit jährlich zwölf Aktien herausgefiltert. Die bewusst in Kauf genommene Untergewichtung der USA drückte seit Dezember 2016 auf die Performance im Vergleich zum Weltaktienindex. Dieser Malus könnte sich in den kommenden Monaten aber sukzessive als vorteilhaft erweisen. Etwas besser geschlagen hat sich in der genannten Zeitperiode das im November 2011 lancierte Tracker-Zertifikat GENCHU der UBS auf den Solactive Global Gender Diversity Index (CHF) und einer jährlichen Management Fee von 0.75% nicht zuletzt dank seiner deutlich höheren Präsenz in Nordamerika.
Einen neuartigen Ansatz verfolgen die drei Anfang März von der Bank Julius Bär emittierten, allerdings nur bis Ende Februar 2019 laufenden Tracker-Zertifikate DAFIJB auf den Think Yellow Gender Equality Benchmark Basket, den DAFJJB auf den Think Yellow Gender Equality Global Basket und den DAFKJB auf den Think Yellow Gender Equality Nordic Stars Basket. Als Berater für die Auswahl fungierte das Start-up Unternehmen Think Yellow (siehe auch Interview mit Mette Rotbøll, Mitgründerin von Think Yellow). Dem Auswahlprozess liegt die Gender-Scorecard von Equileap zugrunde, in der über 3’000 börsenkotierte Unternehmen nach den vier folgenden Kategorien bewertet werden: ausgewogenes Geschlechterverhältnis zwischen Führung und Arbeitskräften, gleiche Entlohnung und ausgewogenes Verhältnis zwischen Arbeit und Privatleben, Massnahmen zur Förderung der Gleichstellung der Geschlechter und ein Engagement für die Stärkung der Rolle der Frau. Idealerweise laufen solche Anlagethemen als Open-End-Zertifikat.
Wertsteigende Wirkung
Das kleine aber durchaus feine Angebot im Bereich Gender Lens Investing dürfte in den kommenden Jahren zweifellos weiteren Zuwachs erhalten. Es ist mittlerweile hinlänglich nachgewiesen worden, dass der verstärkte Einbezug von Frauen in die Geschicke eines Unternehmens sich sowohl wertsteigernd als auch risikomindernd auswirkt. Eine langfristig höhere Performance bei geringeren Risken sowie einem Einbezug von Nachhaltigkeitskriterien sind aber genau die Attribute, die im Markt gesucht werden!