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Genomik-Aktien am Beginn eines Megatrends

05.08.2021 8 Min.
  • Dieter Haas

Die systematische Analyse des vollständigen Genoms hat in den letzten Jahren grosse Fortschritte gemacht. Der Bereich des Sektors Biotechnologie zählt inzwischen zu den ganz heissen Anlagethemen.

Genomik ist die Untersuchung aller Gene eines Menschen und wie diese Gene miteinander und mit unserer Umwelt interagieren. Indem sie alle unsere Gene (Genom) verstehen, können Wissenschaftler Geheimnisse entdecken, die in unserer DNA eingebettet sind. Bei der Genetik betrachten die Wissenschaftler nur ein einzelnes Gen. Mit der Genomik untersuchen sie alle Gene, aus denen ein Organismus besteht. Und das hilft uns, die menschliche Biologie auf einer viel tieferen Ebene zu verstehen. Dank der Genomik können Wissenschaftler jetzt schon in jungen Jahren feststellen, welche Krankheiten ein Mensch später im Leben bekommen könnte. Sie hilft uns zu verstehen, warum manche Menschen, die rauchen, nie Sport treiben und sich ungesund ernähren, 100 Jahre alt werden. Mit diesen Informationen können Wissenschaftler und Ärzte gezielt erkennen, wie eine Person auf ein bestimmtes Medikament oder eine bestimmte Behandlung reagieren wird. Das öffnet die Tür für eine personalisierte Medizin. Bis anhin verwendet der Grossteil des heutigen Gesundheitswesens einen «One-Size-Fits-All»- Ansatz. Menschen mit sehr unterschiedlichen genetischen Merkmalen erhalten die gleiche Behandlung und die gleichen Medikamente. Die Kenntnis der genetischen Veranlagung einer Person ermöglicht es, massgeschneiderte Lösungen für jeden Patienten zu entwickeln. Die Genomik revolutioniert auch die Art und Weise, wie Pharmaunternehmen Medikamente entwickeln. Sie wird das Gesundheitswesen komplett verändern. Durchbrüche auf diesem Gebiet werden letztlich Milliarden von Menschen ein längeres und gesünderes Leben ermöglichen. Und die Unternehmen, die dies möglich machen, werden ein Vermögen einfahren.

Beginn der Wachstumsphase

Nach einer längeren Anlaufphase steht die Genomik am Beginn einer starken Wachs- tumsphase. Bis vor kurzem war der Zugang zu den Geheimnissen in unserer DNA extrem teuer. Inzwischen lässt sich die DNA eines Menschen in nur wenigen Stunden für etwa USD 1’000 entschlüsseln. Diese Kosten werden in den kommenden Jahren dramatisch sinken. Das wird eine völlig neue Welt des Verständnisses eröffnen. Die grössten Pharma- und Life-Science-Unternehmen der Welt stehen an der Spitze dieses Megatrends. Aber auch viele kleinere Unternehmen sind führend in dieser Revolution. Neu entwickelte, spezifische Bereichsindizes haben sich anfänglich in etwa parallel zum Weltaktienindex entwickelt. Erst seit dem Corona-Tief im März 2020 geht die Post richtig ab (siehe Grafik 1).

«Der aktiv verwaltete ETF ARKG war der erste Indexfonds auf den Bereich Genomics.»

Die beschleunigte Kursentwicklung kommt nicht von ungefähr. So haben sich Gentherapie- und Editing-Studien seit 2010 ver- fünffacht. Bis heute hat die U.S. Food and Drug Administration (FDA) erst zehn Gentherapien zugelassen. Zum Jahresende 2020 liefen 712 aktive klinische Gentherapie-Studien, 238 davon begannen im Jahr 2020. Bereinigt um die typische Misserfolgsrate bei Studien, werden in den nächsten zehn Jahren voraussichtlich etwa 170 Gentherapien zugelassen und vermarktet werden.

Das Potenzial der Genomik ist enorm. Cathie Wood, CEO und Gründerin von ARK, äusserte sich am 14. April wie folgt: «Digital wallets and genomics are the next big sector boom.» Die Aussage ist verständlich. So spielen genetische Faktoren bei neun der zehn häufigsten Todesursachen in den Vereinigten Staaten eine Rolle – abgesehen von Verkehrsunfällen und Unfällen anderer Art. In vielen Fällen sind sie der Grund dafür, dass Menschen an Herzkrankheiten, Krebs und Diabetes erkranken. Man schätzt ausserdem, dass jeder fünfte Erwachsene krankheitsbedingte Genmutationen in sich trägt. Und dennoch sind heute nur 5% der Krankheiten, die durch ein Gen verursacht werden, behandelbar. Mit Gene Editing könnte diese Zahl irgendwann 100% erreichen. Laut Cathie Wood stellen allein diese Krankheiten eine Chance von USD 2 Billionen dar. Der Markt für Krankheiten, die von mehreren Genen verursacht werden, ist wesentlich grösser. In einem Tweet vom 9. Juli unterstrich die Gründerin von Ark-Invest das ihrer Meinung nach riesige Potential mit folgender Aussage: «If biotech companies capitalize on the convergence between and among DNA sequencing, artificial intelligence and gene editing/therapies, health care will enter a golden age that could be better than that in the 80’s and 90’s!»

Eindrückliche Performance

Die grossen Fortschritte der Genomik blieben natürlich nicht unbemerkt. So verzeichnet die Aktie von Illumina, dem weltweiten Marktführer im Bereich der genetischen Sequenzierung, seit Mitte Dezember 2016 einen Anstieg um rund das Vierfache. CRISPR Therapeutics, ein in der Schweiz ansässiger Gen-Editing-Pionier, notiert seit dem Börsengang an der Nasdaq (!) vom 19. Oktober 2016 um das zehnfache über seinem damaligen Ausgabekurs. Editas Medicine, ein weiterer wichtiger Akteur im Bereich Gene Editing, legte Anfang 2016 in den ersten zwei Monaten als börsennotiertes Unternehmen um 131% zu. Nach einer anschliessenden Korrektur, der eine längere Seitwärtsphase bis November 2020 folgte, geht es seither mit hektischen Ausschlägen wieder aufwärts. Die Liste der Überflieger liesse sich beliebig erweitern. In Anbetracht der riesigen Marktpotentiale sind die Bewertungen der führenden Vertreter trotz stark gestiegener Aktienkurse aber nicht wie zuvor spottbillig.

Ark-Invest – Pionier dieses Megatrends

Bereits im Jahr 2017 legte Ark-Invest mit ARKG einen aktiv verwalteten ETF zu diesem Thema auf. Die Unternehmen innerhalb von ARKG konzentrieren sich auf die Verlängerung und Verbesserung der Lebensqualität von Menschen und anderen Lebewesen, indem sie technologische und wissenschaftliche Entwicklungen und Fortschritte in der Genomik in ihr Geschäft einbeziehen, und es wird erwartet, dass sie davon erheblich profitieren werden. Die an ARKG beteiligten Unternehmen können Folgendes entwickeln, produzieren oder ermöglichen:

CRISPR
Gezielte Therapeutika
Bioinformatik
Molekulare Diagnostik
Stammzellen
Agrarbiologie
Anmerkung: CRISPR – Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats – sind Abschnitte sich wiederholender DNA (repeats), die im Erbgut vieler Bakterien und Archaeen auftreten. Dieses System bildet die Grundlage der gentechnischen CRISPR/ Cas-Methode zur Erzeugung gentechnisch veränderter Organismen.)

 

Nach einer Anlaufzeit bis Anfang 2020 ist der Kurs regelrecht explodiert. Der ETF hat seit seiner Lancierung den Nasdaq Biotechnology Index um rund das Dreifache übertroffen. Im laufenden Jahr legte der in den USA kotierte ETF ARKG bis dato eine Verschnaufpause ein. Mit Intellia Therapeutics gab es bislang erst einen richtigen Knaller. Die Aktie des Genom bearbeitenden Unternehmens profitierte unter anderem Ende Juni von bahnbrechenden klinischen Daten zur In-vivo-CRISPR-Genom-Editierung.

ETF-Konkurrenz

ARKG ist längst nicht mehr unangefochten der Platzhirsch. So haben Global-X im April 2019 mit dem ETF GNOM und iShares im Juni 2019 mit dem ETF IDNA ebenfalls zwei passive Indexfonds auf den Megatrend ge- startet. GNOM basiert auf dem Solactive Genomics Index und IDNA auf dem NYSE Fact-Set Global Genomics and Immuno Biopharma Index. Anzahlmässig umfassen alle drei ETFs eine vergleichbare Anzahl an Titeln. Die Unterschiede bei der Gewichtung sind ebenfalls relativ gering. Auffallend sind die erstaunlich unterschiedlichen Auswahlen. Wie man in der bisherigen Jahresrangliste von IDNA (siehe Grafik 4) sieht, sind hier derzeit auch die beiden Covid-19-Impfvorreiter Moderna und Biontech in der Auswahl vertreten.

Ein markanter Unterschied der drei ETFs ist deren Bewirtschaftung. So handelt es sich bei ARKG um einen aktiv verwalteten ETF, während GNOM und IDNA sich passiv an ihren Basiswerten orientieren. In der jüngsten Vergangenheit hat sich die höhere Flexibilität der aktiven Verwaltung bei ARKG im Vergleich zur Konkurrenz positiv niedergeschlagen (siehe Grafik 6).

Nasdaq Junior Biotechnology Index

Ein Grossteil der an der Börse kotierten Genomikaktien sind Bestandteil des Nasdaq Junior Biotechnology Index. Der wurde erst am 30. April 2020 vom Börsenbetreiber ins Leben gerufen. Am 13. Juli umfasste er 234 Titel, aus verschiedenen Bereichen des Sektors Biotechnologie. Für versierte Stock Picker ein Fundus an Aktienperlen wie Prothena oder Rubius. Prothena konzentriert sich auf die Entdeckung, Entwicklung und Vermarktung von Immuntherapien zur Behandlung von Krankheiten, die eine Fehlfaltung von Proteinen oder Zelladhäsion zur Folge haben. Die Aktie profitierte im laufenden Jahr unter anderem indirekt von der Zulassung von Aduhelm, dem ersten Produkt gegen Alzheimer. Die therapeutischen Schwerpunkte von Rubius sind die Entwicklung von Zelltherapien gegen Krebs und Enzymmangelerkrankungen.

Tracker-Zertifikate

Der Megatrend Genomics hat auch bei den Strukturierten Produkten erste Spuren hinterlassen. Bereits am 19. Juli 2018 lancierte die Bank Vontobel das endlos laufende Tracker-Zertifikat ZGENUV. Es basiert auf dem hauseigenen Vontobel Gene Therapy Performance Index. Der Index besteht im Normalfall aus 16 Mitgliedern (https://indices.vontobel.com/DE/IndexDarstellen/ CH0420465459). Die im Vergleich zu den ETF-Basiswerten sehr kleine Anzahl und eine in den letzten Monaten nicht optimale Auswahl haben dazu geführt, dass das Tracker-Zertifikat performancemässig im Vergleich zu den drei ETFs ins Hintertreffen geraten ist. Dem Thema widmete sich auch die Bank Bär mit dem am 21. September 2021 letztmals gehandelten Genomics Basket DAGCJB. Bei derart langfristigen Megatrends wie der Genomik ist die von der Bank Bär am 30. September 2020 liberierte Anlagelösung nicht optimal. Der maximal mögliche Mehrwert kommt erst langfristig zum Tragen. Daher sollten Anleger um Baskets mit einer kurzen Laufzeit in der Regel einen grossen Bogen machen. Bei einem Megatrend wie dem Thema Genomics sollten von den Anlegern endlos laufende, breit diversifizierte Anlagemöglichkeiten eingesetzt werden. Sie dürften es nicht bereuen.

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