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payoff Blockchain Report

Geplante Regulierung kann Hype um Kryptowährungen ein Ende setzen

01.04.2021 7 Min.
  • Serge Nussbaumer
    Chefredaktor

Herr Mortier, was unterscheidet eine Kryptowährung wie Bitcoin vom Papiergeld (USD, EUR, …)?
Klassische Währungen werden von Zentralbanken geschaffen und zentral gesteuert. Hinter ihnen steht ein Staat oder ein Staa- tenverbund mit seinen Strukturen, seiner Glaubwürdigkeit und erprobten geld- und währungspolitischen Instrumenten. Kryptowährungen sind nicht regulierte und dezentrale Technologien, hinter denen keine staatlichen Organe stehen. Zudem gibt es viele konkurrierende Kryptowährungen mit unterschiedlichen Eigenschaften. Auch lassen sich Bitcoin & Co. nicht ohne weiteres als Wertaufbewahrungsmittel oder universelles Zahlungsmittel nutzen. Wenn jetzt Tesla, Paypal oder die Zuger Steuerbehörde Bitcoins akzeptieren, zeigt dies, wie dynamisch die Entwicklung ist. Gleichzeitig gibt aber auch Gemeinsamkeiten: Der Erfolg der Währungen ist eng mit dem Vertrauen verknüpft.

Ein Plus von Kryptowährungen wie Bitcoin ist ihr begrenztes Angebot.
Ist die seit der Lancierung stetig steigende Nachfrage als ein Misstrauensvotum gegenüber der Geldpolitik der Notenbanken zu verstehen oder sehen Sie andere Ursachen für die zunehmende Popularität von Bitcoin? Kryptowährungen sind während der Finanzkrise 2008/2009 entstanden, als die Zentralbanken auf eine ultralockere Geldpolitik umgeschwenkt sind. Das Misstrauen gegenüber Staaten und ihren Institutionen und die Furcht vor der Inflation war bereits damals eine wichtige Antriebsfeder für die Entwicklung von Kryptowährungen. Heute haben viele Zentralbanken im Zuge der Corona-Pandemie wieder massiv den Geldhahn aufgedreht. So hat Joe Biden Anfang März ein 1.9 Billionen-Dollar-Hilfspaket auf den Weg gebracht. Dieses grösste Konjunkturprogramm aller Zeiten hat die US-Geldmenge M2 in den vergangenen 12 Monaten um 40% ausgeweitet. Das hat langfristig Folgen für die Währungen und lenkt die Aufmerksamkeit der Marktakteure auf die limitierten Kryptowährungen. Andererseits: allein, dass etwas limitiert ist, macht es noch nicht wertvoll.

Was halten Sie vom Modell des Analysten Plan B für die Preisentwicklung von Bitcoin?
Plan B setzt die Preisentwicklung der nächsten Bitcoin-Phase in Relation zu Gold und geht davon aus, dass sich der Bitcoin bis Ende 2024 auf einen neuen Rekordwert von 288’000 US-Dollar verdreifachen kann. Kryptowährungen als digitales Gold? Warum nicht! Das kontrovers diskutierte Modell hat sich zumindest mit Blick auf die aktuelle Kursentwicklung als überraschend valide erwiesen. Wir verfolgen solche Modelle sowohl mit Interesse als auch mit Vorsicht. Mit Vorsicht, weil Bitcoins eben kein Gold sind.

Was unterscheidet Kryptowährungen von Gold, das seit alters her Währungsersatzcharakter besitzt?
Kryptowährungen sind heute weder Gold noch digitales Gold. Während es Bitcoins seit gut einem Jahrzehnt gibt, fördert die Menschheit bereits seit 6’000 Jahren Gold. Die Goldmärkte sind krisenerprobt, und Gold ist sprichwörtlich das letzte, was brennt. Gold hat sich in Währungskrisen schon immer als ultimatives Zahlungsmittel behauptet. Ausserdem hat Gold einen konkreten Nutzen – als Rohstoff in der Industrie oder in der Schmuckproduktion. Es ist ein von Investoren geschätztes Real Asset, das man auch physisch halten und tauschen kann. Kryptowährungen haben keinen inneren Wert, weshalb auch klassische Bewertungsmodel- le ins Leere laufen. Die hohen Volatilitäten sind ein Spiegelbild dafür.

Weshalb ist der Nutzen von Kryptowährungen als Zahlungsmittel potentiell destabilisierend und mit systemischen Risiken verbunden?
Kryptowährungen sind dezentralisiert, anonym und unreguliert. Daher waren sie nicht selten ein Tummelfeld der Halbwelt für Geldwäsche, Steuerhinterziehung und die Finanzierung illegaler Geschäfte. Behörden haben daher ein Interesse, mehr Licht ins Dunkel zu bringen. Effizientere Zahlungssysteme sind dabei durchaus ein das Ziel vieler Staaten und Notenbanken. Problematisch ist jedoch, dass das Zahlungsmittel das Monopol der Zentralbanken untergräbt und das Finanzsystem mittel- bis längerfristig destabilisieren kann. Auch haben die Abwicklungssysteme noch nicht bewiesen, dass sie einen Stresstest bewältigen können.

Welche regulatorischen Voraussetzungen müssten gegeben sein, damit Kryptoanlagen von den bestehenden Institutionen als alternatives Zahlungsmittel anerkannt werden könnten?
Wichtig sind zwei Punkte: Erstens müssen die Akteure und Intermediäre aus der Anonymität herauskommen, und zweitens müssen die Transaktionen durch ein funktionsfähiges Clearing-System abgesichert werden. Noch sind die Regulatoren mit der Bewältigung der aktuellen Krise beschäftigt. Äusserungen der FED, der Bank of China und der G7 lassen jedoch erwarten, dass 2022 die Regulierung der Kryptowährungen Fahrt aufnehmen wird. Ich erwarte sogar, dass die Regulierung von Kryptowährungen eines der wenigen Themen sein wird, bei dem die verschiedenen Zentralbanken koordiniert zusammenarbeiten.

Welche Rolle spielen zukünftige digitale Währungsformen, wie sie von den meisten Notenbanken geprüft oder wie im Falle der People’s Bank of China bereits getestet werden für die bestehenden Kryptowährungen?
Wir beobachten seit einiger Zeit die Digitalisierung bestehender Währungen. Hierbei handelt es sich nicht um Kryptowährungen, sondern um so genanntes Fiatgeld, also eine neue Nutzungsformen bestehender Währungen. Insofern rechne ich nicht damit, dass dies eine Konkurrenz oder Bedrohung für die Kryptowährungen darstellt.

Weshalb sehen Sie die Gefahr deutlicher Kurseinbrüche bei den bestehenden Kryptoanlagen wegen regulatorischer Anpassungen u.a.?
Wenn Kryptowährungen reguliert werden, könnten für einige Akteure wichtige Eigenschaften verschwinden. Es ist zwar schwierig, das Volumen der dunklen Seite von Kryptowährungen abzuschätzen, aber sie ist nicht klein: Vor allem das Ende der Anonymität könnte erhebliche Auswirkungen haben. Die Einführung eines zentralen und kontrollierten Clearing-Systems würde das dezentrale Prinzip von Kryptowährungen verändern und Zweifel auslösen.

Das im Jahr 1933 eingeführte Goldver- bot in den USA mochte die Attraktivität des Goldes bekanntlich nicht zu bremsen. Das Anlegerinteresse hatte sich dadurch nur verlagert und der Preis des Goldes ist weiterhin gestiegen. Ist ein solches Szenarium nicht auch bei Bitcoin denkbar?
Ich glaube, es ist noch zu früh hierzu Prognosen zu treffen. Kryptowährungen sind in mehrerlei Hinsicht kein Gold. Gold ist die Krisenanlage par excellence und hat sich als «Anlageklasse» seit 2’000 Jahren etabliert. Bei Kryptowährungen steht dieser Stresstest erst noch aus. Trotz der kurzen Historie von Kryptowährungen war deren Volatilität deutlich extremer als die von Gold.

Ihre Schlussfolgerung im Blue Paper vom März lautet, dass Kryptoanlagen eine erfolgreiche Zukunft haben könnten, sofern sich das regulatorische Umfeld stabilisiert und das Verhältnis zu zukünftigen digitalen Notenbankwährungen geklärt ist. Wie realistisch erachten Sie eine solche Lösung auf einer Skala von 0-100?
Kurz- bis mittelfristig sehe ich dafür maximal eine 50:50-Chance, wahrscheinlich eher weniger. Die Herausforderung für die Regulierungsbehörden ist, einen geeigneten regulatorischen Rahmen zu finden, um die Entwicklung dieser Vermögenswerte zu nutzen, ohne die makrofinanzielle Stabilität zu gefährden. Die wesentliche Herausforderung ist dabei, das Vertrauen in die Kryptowährungen zu erhalten. Wir alle wissen, wie lange es dauert, Vertrauen aufzubauen und wie schnell es wieder verspielt werden kann. Längerfristig sehe ich auch ernsthafte Herausforderungen für die Technologie selbst. Vielleicht haben wir schon in fünf Jahren eine neue Technologie, die die aktuelle ablöst und das Ende für die heutigen Kryptowährungen bedeuten kann.

Abschliessende Frage: Halten Sie persönlich Kryptoanlagen in Ihrem Portfolio?
Wir beschäftigen uns bei Amundi schon seit einiger Zeit mit dem Thema. Persönlich investiere ich jedoch nicht in Kryptowährungen. Bisher haben mich vor allem drei Aspekte davon abgehalten: erstens die Sicherheitslücken, zweitens das noch nicht gelöste Geldwäscheproblem und drittens die schlechte C02-Bilanz. Da sich die Technologie allerdings sehr schnell weiterentwickelt, kann es sein, dass die Probleme früher oder später gelöst werden. Es gilt also, die Fortschritte zu beobachten und allenfalls eine Neubewertung vorzunehmen.

Vielen Dank!

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Vincent Mortier ist seit 2015 Group Deputy CIO bei Amundi. Seine Karriere begann Vincent Mortier 1996 bei der Société Générale. Er hatte mehrere leitende Positionen innerhalb der Gruppe inne und stieg 2013 zum Chief Financial Officer der Division Global Banking and Investor Solutions auf. Zuvor war er CFO der Société Générale Corporate and Investment Ban- king (SG CIB), Co-Head of Equity Finance (SG CIB) und Head of Strategy and Development – Global Equities and Derivatives Solutions (SG CIB). Zudem war er Mitglied des SG GBIS Execu- tive Committee. Vincent Mortier hat einen MBA-Abschluss der ESCP Europe Business School.

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