Gute Aussichten für brasilianische Aktien
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Verena Wachnitz, Fondsmanagerin der Latin America Equity Strategy
Wie erwartet konnte sich der konservative Kandidat Jair Bolsonaro (PSL) in der zweiten Runde der brasilianischen Präsidentschaftswahlen mit 55 Prozent der gültigen Stimmen gegenüber 45 Prozent für Fernando Haddad von der PT (Arbeiterpartei) durchsetzen. Die Wirtschaftsagenda von Bolsonaro ist sehr marktfreundlich: Im Mittelpunkt stehen die Senkung und Vereinfachung der Steuern, die Privatisierung der Unternehmen und die Reform des Rentensystems.
Während seine eigenen Referenzen bestenfalls gemischt sind, hat Bolsonaro den in Chicago ausgebildeten Paulo Guedes zum Leiter seines Wirtschaftsteams und zukünftigen Finanzministers ernannt. Er scheint es zu begrüssen, dass dieser liberale Ökonom die Wirtschaftsagenda leitet, während er sich selbst auf die Gesetzesvorlagen konzentriert, die im Mittelpunkt seiner Kampagne standen.
Der Erfolg der Präsidentschaft von Bolsonaro wird mehr von seiner tatsächlichen Kompetenz als nur von seiner blossen Bereitschaft abhängen, Reformen auf den Weg zu bringen. Das ist keine Kleinigkeit, da seine Partei nur zehn bzw. fünf Prozent der Sitze im Unterhaus respektive im Senat hat. Will er erfolgreich sein, muss Bolsonaro eine Koalition mit den zahllosen Parteien der politischen Mitte Brasiliens bilden. Diese werden zwar mit der Regierung zusammenarbeiten wollen, aber einen Preis in Form von Ämtern im neuen Kabinett verlangen. Die Bereitschaft Bolsonaros, dies zu akzeptieren, wird ein wesentlicher Aspekt sein, den es zu beobachten gilt. Ein erster Hinweis darauf wird sein, wen er als Sprecher jedes Hauses ernennt. Besteht er auf jemanden aus seiner eigenen Partei, wird er auf harten Widerstand stossen, wenn im Kongress etwas erreichen möchte.
Viel versprechende Aussichten am Aktienmarkt
Die gute Nachricht ist, dass die scheidende Temer-Regierung bereits einen Grossteil der wichtigsten Reformen durchgeführt hat. Dazu zählen Ausgabenobergrenzen, Arbeitsreformen, die Beseitigung bestimmter steuerlicher Vorteile und die Reform der Staatsunternehmen einschliesslich einer erheblichen Kürzung der subventionierten Kredite. Eine vollständige Umsetzung der Reformagenda von Bolsonaro wäre sehr positiv für die Märkte, ist aber nicht notwendig, damit sie weiterhin gut funktionieren. Die Beibehaltung der Ausgabenobergrenze bei gleichzeitiger Durchführung einer leicht abgeschwächten Rentenreform sind realistische Ergebnisse und würden einen grossen Beitrag dazu leisten, das Vertrauen der Unternehmen zu stärken und die anhaltende wirtschaftliche Erholung zu festigen.
Die Verbesserung des Wirtschaftswachstums gepaart mit einer niedrigen Inflation (da die Wirtschaft nach wie vor deutlich nachlässt) und niedrigen Zinsen dürfte ein positives Umfeld für das Gewinnwachstum schaffen, insbesondere für binnenorientierte Unternehmen im Finanz- und Konsumsektor. Gemessen am langfristigen historischen Durchschnitt sind die Bewertungen vor dem Hintergrund konjunkturbedingt niedriger Gewinne immer noch attraktiv. Das deutet auf viel versprechende Aussichten am Aktienmarkt hin. Die Hauptrisiken für den brasilianischen Markt bestehen im fehlenden Abschluss einer Rentenreform im kommenden Jahr sowie einer starken Abschwächung des chinesischen Wachstums oder einer globalen Rezession.