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payoff Opinion Leaders

Investmentansätze für die nächsten 12 Monate

20.05.2020 7 Min.
  • Yoram Lustig, Head of Multi-Asset Solutions

Obwohl das Jahr noch relativ jung ist, lässt sich schon feststellen, dass es in jedem Fall als ungewöhnliches Jahr in die Geschichte eingehen wird.

Neben den humanitären Folgen hat der Ausbruch des Coronavirus an den Finanzmärkten einen beispiellosen Ausverkauf ausgelöst, in dessen Folge der MSCI All Country World Index vom 20. Februar bis 23. März um 33,6% eingebrochen ist. Obwohl sich die Wirtschaftsdaten weiter verschlechterten, machten die Börsen bis Ende April mit Zugewinnen um 27,8% teilweise wieder Boden wett, nachdem die Regierungen und Zentralbanken weitreichende Konjunkturprogramme angekündigt hatten.1 Dennoch ist die implizite Volatilität nach wie vor erhöht, woran deutlich wird, dass die hohe Unsicherheit am Markt anhält.

Das aktuelle Umfeld stellt die Investoren vor einige Fragen: Ist die jüngste Erholung an den Aktienmärkten nachhaltig oder handelt es sich lediglich um eine Bärenmarktrally? Welche Investments sind gut positioniert, um von einer bevorstehenden globalen Konjunkturerholung zu profitieren – und welche nicht? Wie also sollten die Anleger im Hinblick auf den unsicheren Ausblick das Portfolio ausrichten?

Bei Beantwortung dieser Fragen konzentrieren wir uns auf fünf Schwerpunktthemen, die für die Performance in den kommenden 12 Monaten den Ausschlag geben dürften. Im Mittelpunkt steht dabei unsere Einschätzung für die Entwicklung der globalen Wirtschaft und die Folgen für die Investoren und Anlegerportfolios. Auf der Grundlage der fünf Schwerpunktthemen haben wir jeweils drei Investmentansätze für die Umsetzung im Portfolio entwickelt. Die fünf Faktoren lauten: (1) Rezession, (2) niedrige Ölpreise und Renditen in der Rezession und bis zur Wirtschaftserholung, (3) Stimulierungsmassnahmen der Notenbanken und Regierungen, (4) eine darauf gestützte Konjunkturerholung, sowie (5) die Vorteile einer aktiven Portfolioverwaltung. 

1. Rezession

Die globale Wirtschaft wird im ersten Halbjahr 2020 voraussichtlich so stark schrumpfen wie zuletzt während der Grossen Depression in den 1930er Jahren. Für die Zeit danach sind zwei Szenarien möglich: entweder eine schnelle Erholung im zweiten Halbjahr oder eine langsame, schrittweise Erholung bis 2021. Anleger haben es in einer Rezession üblicherweise schwer, Renditen zu erwirtschaften. Dabei ist entscheidend, dass sich bestimmte Finanzinstrumente (beispielsweise Nominalanleihen) in einem solchen Umfeld üblicherweise wesentlich robuster entwickeln als andere. Die massive Liquidität, die den Märkten durch die quantitativen Lockerungsmassnahmen zugeführt wird, könnte die Inflation irgendwann steigen lassen. Auf kurze Sicht ist das jedoch unwahrscheinlich. Dass die Inflation weiter auf einem niedrigen Niveau verharrt, ist nicht nur der aktuellen Rezession zuzuschreiben, sondern auch langfristigen Trends wie dem niedrigeren Energiepreis, der demografischen Entwicklung und dem technischen Fortschritt. Letztlich ist es auch den Zentralbanken nicht gelungen, die Inflation auf ihre Zielwerte anzuheben. 

Bestimmte Sektoren sind robust genug, um sich auch in Zukunft gut zu entwickeln. Im Falle einer erneuten Konjunkturverlangsamung oder einer Verlängerung der Lockdown- und Social-Distancing-Massnahmen erhalten beispielsweise Technologieunternehmen aufgrund der steigenden Nachfrage nach Remote-Verbindungen, Online-Shopping und Cloud-Computing Auftrieb. Aufgrund der starken Disruption im Technologiesektor, die schon vor der Krise voll in Gange war, sollten sich die Anleger auf Unternehmen konzentrieren, die Innovationen vorantreiben, und Unternehmen meiden, die den Fortschritt verpassen und letztlich verdrängt werden dürften.  Eine zweite Infektionswelle würde – solange kein Impfstoff verfügbar ist – zudem die Unternehmen in der Gesundheitsbranche stützen.

2. Niedrige Ölpreise und Renditen

Neben dem durch die Corona-Pandemie ausgelösten Wirtschaftsschock wurden die Finanzmärkte in den ersten Monaten des Jahres von einem Ölpreisschock erschüttert, ausgelöst durch die ungünstige Kombination aus einer sinkenden Nachfrage und einem hohen Überangebot. Ein niedriger Ölpreis sorgt wiederum in der Regel für eine geringe Inflation. 

Zugleich dürften die Renditen für Anleihen in den kommenden 12 Monaten weiter niedrig bleiben. Unter diesen Bedingungen haben es Banken relativ schwer, Gewinne zu generieren. Im aktuellen Umfeld gehen wir davon aus, dass sich US-Wachstumstitel weiterhin besser entwickeln als Substanzaktien. Der Russell 1000 Growth Index besteht zu 40% aus Technologiewerten, während sich der Russell 1000 Value Index zu 20% bzw. 5% aus Finanz- und Energietiteln zusammensetzt, wohingegen im Russell 1000 Growth Index überhaupt keine Energietitel vertreten sind.2 Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die niedrigen Ölpreise und Renditen für einige Branchen positiv sind, für andere hingegen negativ.

3. Stimulierungsmassnahmen

Die Regierungen haben in den letzten Monaten beispiellose Massnahmen zur Stützung der Konjunktur ergriffen, um die Menschen, Unternehmen und Volkswirtschaften dabei zu unterstützen, Liquiditätsengpässe zu überwinden. Ohne ihr energisches Eingreifen wäre die Situation sicherlich um einiges schlimmer. Allerdings haben diese Massnahmen einen hohen Preis: die Staatsschulden werden deutlich steigen – und langfristig möglicherweise auch die Inflation.

Sämtliche Regierungen sind mit im Boot und stützen den Markt mit massiven Konjunkturpaketen. Und von dieser Politik dürften sie kaum abrücken können, bevor sich die Wirtschaft wieder deutlich erholt. Investoren stellt diese Situation vor einige Herausforderungen – sie eröffnet aber auch Chancen. Dieses Schwerpunktthema lässt sich in drei Investmentansätze unterteilen: (1) Knappe Renditen: Wenn sich Barmittel und Staatsanleihen kaum noch lohnen, (2) Im Schlepptau der Zentralbanken investieren und die gleichen Papiere kaufen, (3) Risikoanlagen: in der Flut wird alles mitgerissen.

4. Konjunkturerholung

Krisen durchlaufen typischerweise drei Phasen: Börsencrash, Bärenmarktrally, Kurserholung. Während der Crash bereits hinter uns liegt, ist weiterhin unklar, ob die jüngste Erholung an den Märkten für Risikoanlagen nach dem massiven Ausverkauf im März lediglich ein kurzes Strohfeuer war oder ob es sich bereits um eine nachhaltige Erholung handelt.

Für eine nachhaltige Erholung müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein: Erstens muss der Höhepunkt bei den Infektionszahlen überschritten sein, zweitens müssen umfassende geld- und fiskalpolitische Stimulierungsmassnahmen auf den Weg gebracht worden sein und drittens muss die Volatilität sinken. Obwohl alle drei Bedingungen gegeben sind, bestehen nach wie vor einige Unwägbarkeiten: erstens das Risiko einer zweiten Infektionswelle, zweitens die Frage, in welchem Masse sich die stark beschädigte Wirtschaft wieder erholen kann und drittens die Frage, wie schnell eine Rückkehr in eine «neue Normalität» möglich ist. Ein Szenario geht von einer steilen und starken wirtschaftlichen Erholung in der zweiten Hälfte des Jahres 2020 aus, ein anderes von einer langsamen, schrittweisen Erholung bis 2021. Sicher ist aber, dass diese Krise irgendwann überwunden sein wird – und dass sich dann auch die Wirtschaft wieder erholt.

Für das Thema Konjunkturerholung haben wir drei Investmentansätze entwickelt: (1) eine echte Diversifizierung, die berücksichtigt, dass bestimmte Assets wie Unternehmensanleihen und Rohstoffe in stabilen Zeiten eine niedrige Korrelation, in schwierigen Phasen aber eine hohe Korrelation mit Aktien aufweisen können; (2) eine ausgewogene Kombination aus offensiven und defensiven Titeln; (3) ein flexibles Portfolio, das schnell angepasst werden kann.
 
5. Aktive Portfolioverwaltung

Die Renditeunterschiede zwischen den einzelnen Ländern, Sektoren und Assetklassen sind zuletzt erheblich gestiegen. Rezessionen setzen üblicherweise einen Prozess der kreativen Zerstörung in Gange, in dem ohnehin schwach aufgestellte Unternehmen letztlich scheitern. Aktive Portfolioverwalter finden in einem solchen Umfeld attraktive Gelegenheiten, um hohes Alpha zu erwirtschaften, indem sie erkennen, welche Märkte und Sektoren zukunftssicher sind und diejenigen Unternehmen für das Portfolio auswählen, die aufgrund einer gesunden Bilanz und der Generierung nachhaltiger Cashflows in der Lage sind, die Krise zu überwinden oder sogar gestärkt daraus hervorzugehen. Viele Unternehmen wurden zuletzt künstlich durch billige Kredite über Wasser gehalten. Diese Zeiten gehören möglicherweise der Vergangenheit an. In diesem Prozess der «natürlichen Selektion» haben aktive Portfolioverwalter den Vorteil, dass sie die Spreu vom Weizen trennen können.

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