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payoff Blockchain Report

Krypto-Regulierung: Eine echte Herausforderung

19.12.2022 8 Min.
  • Pascal Hügli
    Redaktor

Der Totalkollapse von FTX hat sich in vielerlei Hinsicht negativ auf die Krypto-Branche ausgewirkt, und es dürfte einige Zeit dauern, bis sie sich vollständig erholt haben wird.

Eine der wohl schädlichsten Auswirkungen ist der breite und tiefgehende Vertrauensverlust. Besonders beunruhigend ist die Tatsache, dass die gefallene Kryptobörse in Washington aufgrund ihrer Kooperationsbereitschaft mit dem US-Regulator als Vorzeigekind gefeiert wurde. Wenn aber gar der vermeintliche Musterknabe zusammenbricht, ja wem ist denn überhaupt noch zu trauen? Diese plötzliche Vertrauenserschütterung haben andere Kryptobörsen über die vergangenen Wochen denn auch zu spüren gekriegt. So sind diese derzeit damit beschäftigt, ihren Kunden zu versichern, dass deren Kryptoanlagen sicher sind.

Der Vertrauensverlust ist aber vor allem deshalb besonders gross, weil die allgemeine Meinung vorherrscht, dass Kryptowährungen noch immer grössenteils unreguliert sind. Für viele gilt der Kryptobereich nach wie vor als digitaler «Wilder Westen». Zurecht scheint man daher auch stets aufs Neue zu erwarten, dass die Vorschriften endlich verschärft werden, wenn in der Krypto-Branche wieder etwas wirklich schiefläuft. Doch scheint auch die bereits zweite grössere Erschütterung dieses Jahres nach Terra Luna im Mai zu zeigen: Der Handlungsbedarf bleibt akut. Die Rufe nach mehr Regulierung infolge des Scheiterns von FTX nehmen daher zu. Einige Kenner der Branche weisen jedoch zurecht daraufhin, dass der Glaube, der Kryptosektor sei nicht reguliert, eher ein Mythos ist. Mehrere Länder wie Singapur, die Schweiz und Liechtenstein haben bereits innovative Krypto-Vorschriften erlassen.

Ein Überblick über den aktuellen Regulierungsbestand liefert einer jüngerer Report von Boston Consulting Group und anderen.

Was fehlt, ist eine länderübergreifende Regulierung. Eine solche Regulierung stellt jedoch eine echte Herausforderung dar, vor allem weil digitale Vermögenswerte von Natur aus global sind und somit über nationale Grenzen hinausgehen. Ausserdem ist es die dezentrale Natur digitaler Kryptowerte, die jede nationale Regulierungsbehörde vor Probleme stellt, wenn sie versucht, nationale Gesetze für diese zu erlassen.

Digitale Vermögenswerte sind schwer greifbar

Die eigentliche Herausforderung bei der Regulierung von digitalen Vermögenswerten besteht darin, dass diese eine Globalität sowie Dezentralität anstreben. Sind beide Eigenschaften wirklich gegeben, wird es für herkömmliche Regulierungsbehörden ziemlich schwierig, Anknüpfungspunkte zu finden, um diese neuen Technologien zu fassen.

In ihrer echten Ausprägung sind Kryptowährungen grenzüberschreitend, weil sie nicht von einer Regierung oder einer zentralen Behörde ausgegeben werden. Stattdessen werden sie auf einer öffentlichen Blockchain von über zahlreiche Kontinente verteilten Knoten ausgegeben, was sie tatsächlich global macht. So unterscheiden sie sich von staatlich ausgegebenen Fiat-Währungen, die in den meisten Fällen von einer zentralen Instanz emittiert und nur innerhalb der Grenzen einer bestimmten Jurisdiktion wirklich Verwendung finden (ausgenommen der US-Dollar vielleicht).

Ausserdem brauchen die Nutzer nur eine Internetverbindung, um Zugang zu Kryptowährungen zu haben. Menschen, die sich auf entgegengesetzten Seiten unseres Planeten befinden, können problemlos miteinander Werte austauschen, da Kryptowährungen an nationalen Grenzen keinen Halt machen und für fast jeden zugänglich sind. Auch kann sich der Versuch, Kryptowährungen in einem bestimmten Land zu regulieren, als schwierig erweisen, wenn die Projektentwickler in einem anderen Land ansässig sind und die Unternehmen hinter diesen Projekten ebenfalls anderswo registriert sind. Und in einigen Fällen sind die Entwickler hinter einigen Kryptowährungen sogar anonym, was es für die Regulierungsbehörden noch schwieriger macht, Vorschriften durchzusetzen, um sie und ihre Projekte besser kontrollieren zu können.

Die Dezentralität machen Kryptowährungen ebenfalls schwer greifbar. Die Funktionsregeln sind im Code einprogrammiert und können im Idealfall nicht geändert werden. Das macht den Code und damit den Kryptowert schwer regulierbar. Denn Code ist wie Sprache, wofür verschiedene Länder überhaupt keine rechtlichen Regulierungsbefugnisse besitzen. Aus diesem Grund nehmen die Regulierungsbehörden zentral geführte Kryptobörsen ins Visier, weil es sich dabei um Unternehmen handelt, die einer bestimmten Jurisdiktion unterliegen und dort auch angemeldet sind. Es ist nicht nur einfacher, diese Börsen dazu zu bringen, Anforderungen in Bezug auf Kundenidentifizierung (KYC), Geldwäschebekämpfung (AML) und Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung (CFT) zu erfüllen, sondern es ist auch deren Pflicht, entsprechend reguliert zu werden. Schliesslich sind die von ihnen angebotenen Finanzprodukte wie Krypto-Derivate und -Kredite den herkömmlichen Finanzinstrumenten sehr ähnlich und sollten daher einer dafür vorgesehenen Regulierung unterstellt werden.

Da aber letztlich viele verschiedene nationale Regulierungsbehörden diese neue Technologie regulieren müssen, eine Technologie, die von Natur aus international ist, besteht grosse Unsicherheit darüber, wie Krypto auf globaler Ebene gebändigt werden kann. Es bemühen sich denn auch schon einige globale Regulierungsbehörden wie die Financial Action Task Force (FATF), die G20 und der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (BCBS) um eine globale Regulierung für Themen wie Geldwäschebekämpfung, Stablecoins und Eigenkapitalanforderungen für Banken, die mit Kryptoassets hantieren wollen.

Regulieren ja – aber richtig!

Ausser Zweifel steht, dass die Krypto-Industrie von einer gut angewendeten Regulierung erheblich kann profitieren. Eine solche bringt Rechtssicherheit und verringert das Risiko, damit die Institutionalisierung der Kryptowährungen vorangetrieben werden kann. Ein Regulierungsrahmen, der bewährte Praktiken für das Risikomanagement vorgibt, stärkt das Vertrauen sowohl bei Kleinanlegern als auch bei institutionellen Investoren. Unklare, fragmentierte Vorschriften, die sich nicht an globalen Standards orientieren, werden wenig dazu beitragen, die derzeitige regulatorische Unsicherheit in diesem Bereich zu beseitigen.

Folglich sind grosse Volkswirtschaften wie die USA und Europa sehr daran interessiert (und in der Pflicht), Kryptowährungen angemessen zu regulieren. Nur so kann verhindert werden, dass Krypto-Unternehmen ins Ausland abwandern und traditionelle Regulierungsbehörden diese kaum beaufsichtigen können. Denn genau das dürfte bei FTX der Fall gewesen sein: Der Mangel an regulatorischer Klarheit in den USA hat die Börse ins Ausland getrieben, genauer in das Offshore-Paradies der Bahamas.

Eine angemessene Regulierung bedeutet aber auch, dass die Regulierungsbehörden in der Lage sind, zwischen den Protokollen und Akteuren zu unterscheiden, die wirklich dezentralisiert sind, und denen, die einfach nur «Dezentralisierungstheater» spielen. Von letzteren gibt es genug und während diese vorgeben dezentral zu sein, sind sie es in Tat und Wahrheit überhaupt nicht. Dann nämlich, wenn einige wenige Personen einen «Admin-Schlüssel» besitzen oder eine grosse Anzahl von Governance-Tokens einer kleinen Gruppe gehört. Beide Umstände schaffen Möglichkeiten zur Manipulation, weshalb solche Protokolle genauso reguliert werden wie traditionelle zentral geführte Akteure.

Auf der anderen Seite müssen die Regulierungsbehörden aber auch imstande sein, bei Protokollen zu differenzieren, die eine echte Dezentralisierung bieten. Auch wenn es davon nur wenige gibt, müssen diese identifiziert werden, damit diese angemessen angegangen werden können. Konkret kann das in einem solchen Fall bedeuten, dass eine neue Regulierung erforderlich ist oder es aber gar keiner direkten Regulierung bedarf, da sich die Technologie bereits bestens selbstreguliert.

Wo geht die Reise hin?

Was feststeht: Mehr Regulierung in der Krypto-Industrie ist unvermeidlich. Sie wird kommen, und das ist nicht schlecht, wenn sie mit Bedacht erfolgt. Wie bereits erwähnt, dürfte sie die Adaption von Kryptowährungen unter institutionellen Anlegern beschleunigen und Kleinanleger schützen. Die Regulierungsbehörden müssen jedoch sicherstellen, dass die von ihnen geschaffenen Gesetze die Innovation nicht abwürgen.

Die grossen Akteure innerhalb des Krypto-Sektors haben zudem erkannt, dass sie sich den Regulatoren stellen müssen. So sagte beispielsweise der CEO von Binance, Changpeng Zhao «CZ», kürzlich, dass Vorschriften notwendig seien. Er fügte jedoch hinzu, dass dies ordnungsgemäss und auf stabile Weise geschehen müsse. Seine Haltung zeigt allemal, dass man für solide und faire Gesetze offen ist. Dinge wie der Nachweis von Reserven (Proof of Reserves), den Börsen wie Binance oder BitMex neuerdings erbringen, sind denn auch ein erster Schritt zur Zusammenarbeit mit Wirtschaftsprüfern und Regulierungsbehörden.

Aufseiten der Regulatoren wir man in Europa bald mit dem neuen Regulierungsrahmen MiCA aufwarten. Diese umfassende Gesetzgebung soll das Mass an Möglichkeiten in Bezug auf Krypto-Aktivitäten in allen 27 EU-Ländern definieren und gleichzeitig ein Umfeld schaffen, in dem die Welt der digitalen Vermögenswerte mit minimalen Risiken gedeihen kann. Die MiCA wurde 2020 vorgeschlagen und soll 2024 in Kraft treten.Etwas schneller agieren wird in dieser Hinsicht El Salvador. Im wohl krypto-freundlichsten Land wurde eben erst ein neues salvadorianisches Gesetz vorgelegt. Dieses soll alle öffentlichen Angebote von digitalen Vermögenswerten regeln, die handelbar sind. Digitale Vermögenswerte sind definiert als jene Vermögenswerte, die auf einer Blockchain gespeichert sind. So zum Beispiel Stablecoins, Governance-Tokens, Ether, andere Layer-1-Coins oder auch NFTs. Das Gesetz besagt zudem, dass digitale Vermögenswerte keine Wertpapiere sind. Aus Sicht der Krypto-Welt ist zu hoffen, dass noch weitere Nationen diesem Beispiel folgen werden und so einheitliche, der Krypto-Welt positiv gesinnte, globale Standards dereinst Realität werden.

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