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Kunstdarlehen als innovatives Angebot

07.03.2018 6 Min.
  • Xavier Ledru, Managing Director, Corporate Advisory & Structuring

Der Markt für hochwertige Kunst entwickelt sich dynamisch. Das zeigt sich an der wachsenden Anzahl an Transaktionen sowie den steigenden Bewertungen. Die globale Nachfrage nach Kunst steigt weiter.

Während sich passionierte Sammler, Modebewusste und andere Trendsetter nach wie vor aktiv am Markt beteiligen, wird Kunst zunehmend von verschiedenen Arten von Investoren als reines Anlageinstrument wahrgenommen. Einige Beobachter stufen Kunst jetzt als eigenständige Anlageklasse ein, was natürlich insbesondere zwischen den Puristen und den Financiers eine viel diskutierte Frage ist. Tatsächlich ist Kunst als Anlageinstrument aufgrund des gestiegenen Bedürfnisses nach Portfoliodiversifizierung rasant in den Vordergrund gerückt. Zudem wird Kunst, ebenso wie andere alternative Geldanlagen wie Oldtimer, Wein und Uhren, traditionsgemäss als Wertanlage gesehen, die keine Korrelation zu anderen, traditionelleren Anlageklassen wie Aktien oder Anleihen aufweist. Insgesamt haben Anleger, die in Kunst, Oldtimer oder alte Uhren investiert haben, in den letzten Jahren tatsächlich von vorteilhaften Markttrends profitiert.

US-Markt dafür bereits reif

Bisher konnten sich Privatanleger den Investitionswert eines Kunstobjekts in erster Linie durch den direkten Kauf von Kunstwerken sichern. Das schuf einen Bedarf für eine dynamischere und anspruchsvollere Herangehensweise an die Verwaltung kunstbezogener Vermögen. Vermögensverwalter stehen zunehmend vor der Herausforderung, Lösungen mit Kunstbezug bereitzustellen. Etliche neue Akteure und Anlageprodukte kommen auf den Markt, um auf die vielfältigen Kundenbedürfnisse im Bereich Kunst einzugehen.

Ein neues Angebot – Kunstdarlehen – gewinnt besonders an Fahrt. Im Gegensatz zu einer direkten Investition in ein Kunstwerk bieten Kunstdarlehen Anlegern ein festverzinsliches Instrument, das durch Kunstwerke unterlegt ist. Das Produkt ist in den USA bei einem geschätzten Marktvolumen von 19 Milliarden US-Dollar bereits ausgereift. In Europa jedoch ist es noch recht neu. Das ist erstaunlich, wenn man bedenkt, dass Europa im Bereich Kunstverkäufe durch Auktionen, Privatkäufe und Händler den grössten Kunstmarkt der Welt darstellt. Dies verdeutlicht das bemerkenswerte Potenzial, das aus der Verbreitung von Kunstdarlehen hervorgehen könnte, wenn sich diese unter europäischen Kunstsammlern durchgesetzt haben. In jüngster Vergangenheit wurden neue Initiativen verschiedener Akteure eingeführt, durch die man versucht, die Gelegenheit zu ergreifen, um diese Dienstleistung im europäischen Markt zu verbreiten.

Kunst als Sicherheit

Wenn diverse Lösungen zu Kunstdarlehen den Markt erschlossen haben, sind Kunstdarlehen im Grossen und Ganzen in der Praxis ziemlich einfach: Der Darlehensnehmer erhält eine Bargeldsumme, die dem Wert seiner als Sicherheit hinterlegten Kunstwerke entspricht. Infolgedessen basiert die dem Darlehensnehmer zur Verfügung gestellte Finanzierung auf dem geschätzten Wert der Kunstobjekte. Dieser ist selbst wiederum vom Künstler und vom Kunstmarkt abhängig, anstatt auf dem Finanzprofil des Darlehensnehmers. Bei einem Kreditausfall kann der Darlehensgeber die Sicherheiten in Besitz nehmen und verkaufen, um den ausstehenden Darlehensbetrag zu erstatten.

Dieses Produkt ist für Sammler eine attraktive Alternative zum Verkauf der Kunstwerke, da keine erheblichen Transaktionskosten und keine Kapitalertragssteuern fällig werden. Ausserdem vermeidet man dadurch potenziell negative Publicity in Zusammenhang mit dem Verkauf eines hochwertigen Vermögenswerts, der durch Auktionshäuser öffentlich bekannt werden und Gerüchte über die finanzielle Instabilität des Darlehensnehmers schüren würde. Zu guter Letzt bedeutet es auch, dass der Darlehensnehmer seine Kunstsammlung behalten kann.

Serviceleistungen der Auktionshäuser und Banken

Der Markt für Kunstdarlehen entwickelt sich in erster Linie durch die finanziellen Dienstleistungen von Auktionshäusern und Banken. Auktionshäuser nutzen ihre Kunstfinanzierungskapazitäten allerdings häufig als Möglichkeit, neue Einlieferungen anzuziehen. Ausserdem stellen sie Darlehen oft nur unter der Bedingung zur Verfügung, dass der Darlehensnehmer durch sie Kunst kauft oder verkauft. Verschiedene europäische Banken bieten ebenfalls Lösungen im Bereich Kunstdarlehen an, allerdings in erster Linie für ihre eigenen Kunden (d. h. Kunden, die Vermögenswerte bei ihnen deponiert haben). Dies ermöglicht es ihnen, potenzielle Ausfälle mit dem gesamten Portfolio des Kunden auszugleichen. Diese Produkte sind keine tatsächlichen durch Kunstwerke besicherten Darlehen und infolgedessen spiegelt der Zinssatz nicht ausschliesslich das Risikoprofil der Kunstwerke wider.

Schliesslich bietet nur eine Handvoll Darlehensgeber Kunstfinanzierung an, die erstens nur auf dem Wert der Kunstwerke basiert und zweitens völlige Entscheidungsfreiheit über die Nutzung der Erlöse bietet. Bei diesen so genannten regresslosen Darlehen dienen nur Kunstwerke als Sicherheiten, eine persönliche Garantie wird nicht benötigt. Da diese Art Darlehen vollständig auf dem Kunstobjekt aufbaut, ist es wichtig, eine Partnerschaft mit erfahrenen Kunstberatern einzugehen oder hauseigene Kunstexperten zu haben. Trotz des wachsenden Kunstmarkttrends bleiben beim Handel mit Kunst noch einige Herausforderungen offen: Die fehlende Transparenz, insbesondere am oberen Ende des Marktes, führt dazu, dass Sammler Zweifel am Kunsthandel haben. In jüngster Vergangenheit wurden ausserdem andere Belange in Bezug auf Eigentum, Liquidität und Fälschung offensichtlich. Aufgrund dessen ist es entscheidend für Marktakteure, die im Bereich Kunstdarlehen erfolgreich sein wollen, sorgfältige Bewertungen sowie Due-Diligence-Prüfungen durchzuführen.

Indirekt in Kunst investieren

Letzten Endes wählen Darlehensnehmer ihre Kunstfinanzierungslösung anhand ihrer finanziellen Lage und der beabsichtigten Nutzung der Erlöse aus. Darlehen können so strukturiert werden, dass sie eine kurze oder lange Laufzeit haben, einen hohen oder niedrigen Beleihungswert, eine amortisierende oder endfällige Tilgungsstruktur oder, wie bereits erwähnt, mit oder ohne Regress. Diese äusserst unterschiedlichen Bedingungen ermöglichen es den Darlehensgebern, Darlehen mit stark variierenden Zinssätzen anzubieten, die von 2,5 bis 3 % jährlich für regresslose Darlehen bis in den zweistelligen Bereich für durch Pfandleihhäuser bereitgestellte Darlehen variieren können. Um ihre Darlehen refinanzieren zu können, bringen einige dieser Institutionen durch Kunst besicherte Wertpapiere auf den Markt und ermöglichen es so Privatanlegern, Family Offices oder anderen Vermögensverwaltern, indirekt in Kunst zu investieren und dabei eine einträgliche Rendite zu verdienen.

In diesem Fall werden Kunstdarlehen, die selbst direkt durch Sammlungen unterlegt sind, durch getrennte insolvenzsichere Vehikel verbrieft. Die mit Kunst besicherten Schuldscheine haben einen internationalen ISIN-Code und werden durch Clearingstellen gehandelt, um es den Anlegern zu ermöglichen, die Emission der Schuldverschreibung teilweise oder ganz zu zeichnen. Dadurch wird ein Markt geschaffen, der den Interessen von Kunstanlegern und Kunstsammlern zugleich dient: Verbriefungsplattformen beteiligen sich als Zwischenhändler und legen die Struktur von mit Kunst besicherten Finanzinstrumenten fest, die sowohl für Darlehensnehmer als auch für alle Arten von Klein- und Grossanlegern von Nutzen sind. Diesen Anlegern geht es ausschliesslich um ihre Beteiligung an den Kunstwerken, da ihr Risiko-Ertrags-Verhältnis direkt mit den von ihnen gehaltenen Kunstsammlungen in Verbindung steht.

Wenn durch Vermögenswerte besicherte Wertpapiere normalerweise durch die Beleihung von Geschäftswerten wie Darlehen, Leasing- oder Kreditkartenforderungen oder sonstigen Forderungen zustande kamen, ist die Verbriefung von Kunstdarlehen in der Tat ein innovatives Angebot, das die Entwicklung des Marktes für Kunstdarlehen in Europa grundlegend verändern könnte.

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