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Längster Bullenmarkt – sind wir schon da?

03.09.2018 4 Min.
  • Carolyn Bell, Investment Manager, Equities Team

„Sind wir schon da?“ Diese Frage stellen kleine Kinder gewöhnlich schon lange vor Ende einer längeren Fahrt. Sie könnte auch von Anlegern stammen, nachdem der S&P 500 am 22. August den historisch längsten Bullenmarkt der Geschichte verzeichnete. 

Der letzte Bärenmarkt liegt inzwischen 3’460 Tage zurück. In der Regel spricht man von einem Bärenmarkt, sobald die Kurse um mindestens 20 Prozent gegenüber dem vorherigen Höchstwert fallen. Damit übertrifft die aktuelle Hausse den bisher längsten Bullenmarkt der 1990er Jahre, hinkt ihm jedoch prozentual gesehen immer noch hinterher: Der S&P 500 hat seit seinem Tiefpunkt im März 2009 über 300% zugelegt.  Die Anleger, die pessimistischen Marktstimmen trotzten und Aktien kauften, als andere davor zurückschreckten, haben riesige Gewinne erzielt.

Zeit für eine Bilanz

Die Bezeichnung „längster Bullenmarkt“ hat vor allem symbolischen Wert. Sie deutet auf keinen Fall darauf hin, dass der Markt teuer ist oder sich ein Abschwung anbahnt. Das Erreichen dieser Schwelle stellt aber einen guten Zeitpunkt dar, um Bilanz zu ziehen: Wie sind wir an diesen Punkt gekommen?  Dafür gibt es vor allem zwei Worte: quantitative Lockerung.  Die Notenbanken haben zur Stützung der Volkswirtschaften und Vermögenswerte Geld in die weltweiten Märkte gepumpt. Dadurch ist es ihnen gelungen, die Finanzen privater Haushalte in vielen Regionen zu verbessern.

Diese Finanzspritzen belasteten natürlich die Staatsbilanzen – in den USA hat sich das Verhältnis von Staatsschulden zum BIP, das 2007 vor der weltweiten Finanzkrise noch auf einem verhältnismässig gesunden Niveau von 40% lag, inzwischen mehr als verdoppelt – erfolgten jedoch mit dem Versprechen, das Wachstum zu stimulieren. Die Quantitative Lockerung wird nun zurückgefahren, was US-Aktienanleger allgemein begrüssen. Denn es gilt als Zeichen dafür, dass die US-Konjunktur und möglicherweise auch die Weltwirtschaft nun nicht mehr auf die Finanzhilfe der Notenbanken angewiesen sind.  Äusserst kurios ist dabei die Tatsache, dass der S&P 500 im vergangenen Jahr jeden Monat im Plus schloss – das hat es bisher noch nie gegeben.  Donald Trump trägt viele Hüte, so auch den des Deregulierers, was die Märkte entsprechend honoriert haben.

Historisch nicht teuer bewertet

Bullenmärkte enden, wenn eine übertriebene Zuversicht einsetzt, die Ungleichgewichte und überrissene Bewertungen nach sich zieht. Noch sind wir nicht an diesem Punkt. Unternehmensinvestitionen bewegen sich zwar immer noch auf moderatem Niveau, steigen jedoch. Auch die Risikoprämien für Aktien fallen mit 5% weiterhin grosszügig aus. Der S&P 500 wird mit einem KGV von 16,6x gehandelt bei einer FCF-Rendite von 5,2% und einer Dividendenrendite von 2%. Der US-Markt mag zwar verglichen mit anderen Börsen teuer erscheinen, ist aber im Vergleich zu seinen eigenen historischen Bewertungen keinesfalls teuer bewertet.

Die Fundamentaldaten fallen weiterhin sehr positiv aus. US-Unternehmen – Finanzwerte ausgenommen – weisen in ihren Bilanzen rekordhohe Barbestände aus, die sich Ende 2017 auf insgesamt fast 1’400 Mrd. USD beliefen gegenüber rund 600 Mrd. USD im Jahr 2008. Vor allem das Wachstum des Technologiesektors hat die Cash-Generierung des gesamten US-Marktes begünstigt.  Diese riesigen Barmittel lassen auf weitere M&A-Aktivitäten schliessen, woraufhin der Markt weiter klettern dürfte.  Die späteren Phasen eines Bullenmarktes können sich manchmal als äusserst lukrativ erweisen.

Politische Stabilität gefragt

Das grösste Risiko stellen in unseren Augen politische Entwicklungen dar:  Mit Blick auf die derzeitigen Handelsspannungen, einen (erneut!) aufkeimenden Populismus in Europa und die jüngsten Probleme in der Türkei deuten auf die Verwundbarkeit einiger Schwellenländer hin. Die Ungewissheit spielt im laufenden Jahr eine grössere Rolle als 2017, das durch niedrige Volatilitäten geprägt war. Sollte Präsident Trump an seinem aggressiven isolationistischen Kurs festhalten, schiesst er sich damit ins eigene Knie. Man muss grundsätzlich davon ausgehen, dass seine ruppige, provokative Art bloss eine Verhandlungstaktik ist.  Denn die Unternehmenswelt und die Börse wollen politische Stabilität.

 

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