Malen nach Zahlen
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Martin Raab
Investment-Stratege
Haben Sie es auch gemerkt? Der Aktienmarkt ist in den letzten Wochen deutlich ruckeliger geworden. Nicht gerade rhythmisch, aber mit unsichtbarem Glasdach nach oben hin.
Am Markt munkelt man, dass charttechnische Signale in den Vordergrund für die Kursbewegung rücken. Ein Beispiel sind die Fibonacci retracements. Diese, bei Tradern sehr beliebte Unterstützungs- und Widerstandsmessungen, haben heute im S&P 500 Index tatsächlich ein Alarmsignal angezeigt: 3’979 Punkte wurden unterschritten. Damit ist der Weg (theoretisch) nach unten auf 3’577 Punkte frei. Das wären knapp 10% — für einen Index ein happiger Verlust. Beim Technologie-Barometer Nasdaq 100, derzeit bei rund 12’050 Punkten, sieht es schon düsterer aus: 10’679 Punkte sind als Haltemarke angezeigt. Ebenfalls ein sauberes Minus.
Glaubt man jüngsten Hochrechnungen von Wall Street Banken, könnten Momentum Trader, CTAs und Hedge Funds gezwungen sein, aufgrund dieser Signale u.a. im S&P 500, Indexaktien im Wert von etwa USD 50 Milliarden in den nächsten Tagen abzustossen. Bis dato wurden bereits Sell-Tickets im Gesamtwert von USD 40 Milliarden an den US-Aktienbörsen platziert. Die wenigsten Draw-Down-Risiken sind derzeit im Dow Jones Index zu erkennen, was unschwer mit den dort beheimateten Aktien zu tun hat. Andere Stimmen behaupten, die US-Aktienindizes befinden sich auf Monatssicht bereits in einer inversen Schulter-Kopf-Schulter-Formation und man sollte nun Calls ins Depot kaufen. Im DAX Index sei alles gut, solang die 14’400er Marke nicht nach unten durchbrochen wird. Sollte dies geschehen, kann es rasant bis auf 12’300 abwärtsgehen. Steile Linien nach unten also.
Etwas tönt das nach dem bekannten Kinderspiel «Malen nach Zahlen». Eingefleischte Charttechniker widersprechen hartnäckig, alles sei mathematisch abgestützt. Anleger sollten sich nicht vom Börsenalgebra verwirren lassen: Flexibel bleiben und ein paar Puts und Calls auf die Watchlist nehmen. Future-Options sind auch in Ordnung; Futures an sich aufzumachen bzw. zu shorten kann derzeit mächtig ins Auge gehen. Risikogeniesser greifen zu Straddle-Optionsstrategien, denn die nächsten Monate haben leider das Potenzial beides zu bieten: Überraschungs-Rallye nach oben oder aber temporärer Absturz. Vorhersehbare Trigger sind die kommenden Bilanzzahlen der Unternehmen ab Mitte März und abermals die Inflationszahlen der westlichen Welt. Dann kann der gespitzte Bleistift und das Lineal auf die Chartausdrucke angesetzt werden – Fibonaccis, ihr seid umzingelt.