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payoff Learning Curve

Markttechnik 1: Aufwärts gerichtete Kurslücken

15.11.2017 6 Min.
  • Dieter Haas

In den kommenden Learning-Curve-Beiträgen widmen wir uns der technischen Analyse. Dabei sollen die vorgestellten Aspekte immer mit konkreten Beispielen untermauert werden.

Kurslücken zählen zu den wichtigsten chart-technischen Indikatoren. Eine Aufwärtslücke (Gap Up) ist mehrheitlich ein bullisches Signal. Sie ist in einem Balken-Chart
daran zu erkennen, dass der niedrigste Kurs eines Balkens signifikant höher liegt als der höchste Kurs des vorangegangenen Balkens. Die Entstehung von Aufwärtslücken kann verschiedene Ursachenhaben und zu verschiedenen Zeitpunkten einer Kursbewegung entstehen. Sie können eine Trendumkehr einläuten, einen bestehenden Trend bestätigen oder auf das nahende Ende einer Trendbewegung hindeuten. Offene Kurslücken werden kurz-, mittel- oder längerfristig in ca. 80% der Fälle geschlossen. Die Kurse kehren in diesen Fällen zum Niveau vor dem Ausbruch zurück. Dieses Verhalten ist zwar die Regel, aber nicht zwingend. Aufwärtslücken werden je nach Kontext in
vier Typen eingeteilt: normale Kurslücken (Common Gaps), Ausbruchslücken (Break Away Gaps), Ausreisserlücken (Measuring Gaps) und Erschöpfungslücken (Exhausting
Gaps). In seltenen Fällen entsteht eine Insel-Umkehrlücke (Island Gap). Sie ist bei steigenden Kursen eine Sonderform der Ausbruchslücke mit einer überdurchschnittlichen
Prognosequalität.

Normale Kurslücken

Diese sind von den vier genannten Typen die unspektakulärste Form. Es handelt sich zumeist um rasche Bewegungen des Marktes, die spätestens innert fünf Tagen
wieder schliessen. Für Trader sind sie wenig ergiebig. Sie zeigen sich besonders häufig bei kleineren Titeln, die nur eine geringe Liquidität aufweisen. Hier genügt bereits ein leicht überdurchschnittliches Volumen für das Entstehen einer Lücke.

Ausbruchslücken

Sie finden sich fast immer am Beginn einer grösseren Trendbewegung. Ihre Aussagekraft ist besonders hoch, wenn die Schlusskurse in den folgenden Tagen nicht mehr unter den Ausbruch fallen und wenn das Open Gap von steigenden Volumina begleitet wird. Solche Lücken bieten im Allgemeinen sowohl kurz- als auch längerfristig die höchsten Kurspotenziale. Das gilt speziell dann, wenn es sich bei der Ausbruchslücke um eine sich etliche Wochen hinziehende Insel-Umkehr handelt. Ausgelöst werden Ausbruchslücken oft durch positive, über den Erwartungen der Anleger liegende, Informationen.

Ausreisserlücken

Diese Variante tritt innerhalb eines etablierten Trends auf. Idealtypisch erscheinen sie etwa in der Hälfte einer Gesamtbewegung. Sie bestätigen quasi den bestehenden
Trend und geben dem Anleger Hinweise auf ein mögliches maximales Kursziel. In trendstarken Marktphasen, wie seit März 2008, können mehrere Ausreisserlücken entstehen. Ihre Interpretation ist daher komplexer und schwieriger im Vergleich zu Ausbruchslücken.

Erschöpfungslücken

Solche Gaps deuten meist auf ein nahes Ende einer bestehenden Kursbewegung hin. Die Kurse vollziehen quasi ein letztes Hurra, bevor sie kurze Zeit später in eine Abwärtsbewegung münden. Wird diese zudem durch eine Lücke mit erhöhten Volumina eingeleitet, sollten Anleger schleunigst Kasse machen, da ein solches Auftreten auf eine beschleunigte Abwärtsdynamik hinweist.

Idealtypisches Beispiel aus der Praxis

Eine klassische Entwicklung der unterschiedlichen Lücken lässt sich am Kursverlauf der Apple-Aktie seit 2016 ablesen. Am Anfang stand Ende Juli 2016 eine
Ausbruchslücke in der Form einer Insel-Umkehr. Anschliessend lassen sich zwei normale Kurslücken im September beobachten. Die erste wurde dabei erst im
November 2016 geschlossen.

«Für Anleger sind Ausbruchslücken am ergiebigsten.»

Ende Januar 2017 zeigte sich eine Ausreisserlücke. Im April bzw. Mai gab es erneut zwei normale Kurslücken. Bei der letzten markanten Lücke Anfang August deutet vieles auf eine Erschöpfungslücke hin, zumal die Volumen in der Korrekturphase im September deutlich über denjenigen in der Phase kurz nach dem Auftreten der Erschöpfungslücke lagen. Die jüngste Erholung bei unterdurchschnittlichen Volumina mahnt ebenfalls eher zur Vorsicht.

Ausreisserlücken – Givaudan und Aixtron?

Etablierte Trends, die noch längst nicht das Ende ihrer Fahnenstange erreicht haben, zeigen die Kursverläufe von Aixtron und Givaudan. Beide weisen im April 2017
Ausbruchslücken auf, im Falle von Givaudan in der Form einer Insel-Umkehr. Nach der Bekanntgabe der Neun-Monats-Zahlen am 10. Oktober reagierte der Kurs von
Givaudan mit einer klassischen Ausreisserlücke. Bei Aixtron könnte eine solche im Anschluss an die am 26. Oktober anstehende Quartalsmitteilung erfolgen.

Ausbruchslücken – Ascom und Gilead Sciences

Am ergiebigsten sind für Anleger zweifellos die Ausbruchslücken. Nach der langen Hausse sind derartige Gaps derzeit am ehesten bei Rohstoffwerten der Sektoren
Industriemetalle und Energie sowie gefallenen Engeln anzutreffen. Zu Letzteren zählt Ascom. Hier scheint sich eine Trendwende anzubahnen. Erfüllen die am 9. November publizierten Zahlen die Erwartungen, dann dürfte die durch eine Kaufempfehlung einer Schweizer Grossbank Ende September ausgelöste Ausbruchslücke der Vorbote für eine länger anhaltende Aufwärtsbewegung gewesen sein. Etwas weiter fortgeschritten ist die Entwicklung bei Gilead Sciences. Mit der Übernahme von Kite Pharmaceuticals
Ende August gelang dem Biotech-Konzern der Einstieg in den wachstumsstarken Bereich der Onkologie. Die Anleger reagierten auf diese Nachricht erfreut. Bereits im Juni zeigte sich bei Gilead eine Ausbruchslücke (Insel-Umkehr). Unternehmensinsider bzw. aufmerksame Anleger wussten resp. ahnten wohl bereits damals, dass etwas im Busch sein könnte.

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