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payoff Interviews

«Mittelfristig sehen wir erhebliches Potential für Minenaktien.»

04.09.2018 8 Min.
  • Dieter Haas

Tobias Tretter, geschftsführender Gesellschafter der Commodity Capital AG, zur Lage bei Rohstoffen, Trigger einer Trendwende, aktuelle Belastungsfaktoren, den aussichtsreichsten Sektor, den spannendsten Rohstoff, Nachhaltigkeitsproblemen sowie konkrete Anlageempfehlungen.

Herr Tretter, Anlagen auf Rohstoffe hatten in den vergangenen Jahren einen schweren Stand im Vergleich zu Aktien. Wie schätzen sie die Lage und die mittelfristigen Perspektiven ein?
Rohstoffaktien befi nden sich derzeit trotz einer deutlichen Steigerung der Gewinnmargen und Umsätze in den vergangenen Jahren auf historischen Tiefständen. Dabei geben die aktuellen Rohstoffpreise zwar keinen Anlass zu Jubelstürmen, erlauben den Unternehmen jedoch, ihre bestehenden Minen gewinnbringend zu betreiben. Aktuell belastet vor allem der Handelsstreit zwischen den USA und China. Zudem haben die grossen Rohstoffproduzenten Probleme, ihre Produktion in den kommenden Jahren aufrechtzuerhalten und werden erheblich reduzieren müssen. Mittelfristig sehen wir ein erhebliches Potential für Minenaktien. Der weltweite Verbrauch an Rohstoffen nimmt kontinuierlich zu. Insbesondere der Umstieg auf regenerative Energieträger wird für einen steigenden Verbrauch sorgen. Mittelfristig dürften daher die Rohstoffpreise und in ihrem Gefolge auch die Minenunternehmen deutlich ansteigen.

Was könnte der Auslöser sein für eine nachhaltige Trendwende?
Wir erwarten eine Trendwende, sobald die ersten grösseren Investoren erkennen, wie ernst die aktuelle fundamentale Situation an den Rohstoffmärkten ist, und dass es viele Jahre dauern wird, um die aktuellen Produktionsraten wieder zu erreichen. Die Exploration im Minensektor kam in den vergangenen Jahren nahezu vollständig zum Erliegen. Es dauert mindestens acht bis zehn Jahre, um neue Projekte zu fi nden und zur Produktionsreife zu führen. Aktuell konsumieren wir mehr Ressourcen als wir produzieren. Das wird mittelfristig ein böses Erwachen geben. Lieferengpässe oder Berichte über bevorstehende Lieferprobleme könnten zu einer signifi kanten Trendwende führen.

Welches sind derzeit die grössten Belastungsfaktoren?
Neben dem erwähnten Handelsstreit belasten insbesondere die Entwicklungen in den Emerging Markets die Minenaktien. Zwar profi tieren beispielsweise die argentinischen Rohstoffproduzenten von der massiven Abwertung des Peso, da viele Kosten (Arbeit, Strom,…) in der Landeswährung anfallen, während die Erträge im starken US-Dollar abgerechnet werden. In den jeweiligen Ländern wird allerdings bereits über zusätzliche Steuern und Abgaben diskutiert. Für die Unternehmen selbst gestaltet sich der Genehmigungsprozess für neue Projekte kontinuierlich schwieriger. Dabei sorgen weniger neue Regularien für Kopfschmerzen, als die immer länger andauernden Genehmigungsprozesse. Investoren lieben Blue Sky Stories – die Idee mit einem EUR 10’000 Investment zum Millionär zu werden. Solche Stories fehlen derzeit im Rohstoffsektor. Es gibt kaum neue Entdeckungen. Zudem fi nden die Explorationsunternehmen nur wenige Investoren, die bereit sind, Risikokapital zu investieren. Eine typische Huhn-Ei-Problematik, welche insbesondere für die Produzenten kritisch ist, da sie auf neue Projekte angewiesen sind, um ihre Produktion in den kommenden Jahren aufrecht zu erhalten.

In welchem der vier Sektoren Energie, Industriemetalle, Edelmetalle und Agrar sehen sie in den nächsten zwölf Monaten die grössten Chancen?
Wir sehen die grössten Chancen bei Metallen, welche für die Energiewende benötigt werden. Der Verbrauch der traditionellen Metalle nimmt zu bzw. fällt in einen einstelligen Prozentbereich, während die Nachfrage nach «grünen» Metallen derzeit exponentiell ansteigt. Es entsteht eine völlig neue Nachfrage. Wir sehen viele Parallelen zu den Anfängen des Verbrennungsmotors und damit des Ölmarktes. Eine Sondersituation spielen traditionell die Preise der Edelmetalle. Sie werden weniger von der Angebots- und Nachfragesituation bestimmt, sondern von realen Zinsen, Inflation oder politischen Ereignissen. Wir sehen viele Unsicherheitsfaktoren wie die ungelöste weltweite staatliche Verschuldungsproblematik, steigende Inflationszahlen, die Flüchtlingskrise in Europa oder den ausufernden Handelskrieg zwischen den USA und China, welche jederzeit zu einem deutlichen Anstieg der Edelmetallpreise führen können. Aus fundamentaler Sicht dürfte sich eine ab 2020 merklich sinkende Goldproduktion positiv auf die die Preisentwicklung auswirken.

Welche Rohstoffe erachten Sie als besonders spannend?
Das grösste Potential sehen wir unverändert bei Lithium. Der Rohstoff ist der elementare Baustein in sämtlichen Lithiumbatterien. Auf Sicht der kommenden zehn Jahre wird es keinen gleichwertigen Ersatz geben. Alleine bis 2025 werden die bestehenden sowie die sich bereits in der Entwicklung befindlichen Batteriefabriken über eine Million Tonnen Lithium benötigen. Dies entspricht dem Vierfachen der aktuell weltweit produzierten Menge. Sollte sich die Elektroautomobilität durchsetzen, wird die Nachfrage nach Lithium exponentiell ansteigen. Wir sehen momentan weit und breit keine Möglichkeit, die Produktion kurzfristig adäquat zu steigern. Es gibt zwar genug Lithium auf unserem Planeten, allerdings müssen für den Abbau entsprechende Genehmigungen erteilt werden und Mining- Ingenieure gefunden werden. Die Frage wird nicht sein, wie hoch der Lithiumpreis ist, sondern ob überhaupt Lithium verfügbar sein wird. Neben Lithium dürften auch andere für Lithiumbatterien benötigte Metalle profitieren wie Grafit, Nickel oder Kupfer. Des Weiteren sehen wir Potential für Zinkunternehmen. Hier sorgte die Schliessung einiger grosser Minen in den letzten zwei Jahren für einen Engpass, der noch nicht aufgefangen werden konnte.

Rohstoffaktien mangelt es häufig an Ertragsphantasien und Buyback-Programme fehlen fast gänzlich. Sehen Sie Licht am Ende des Tunnels?
Rohstoffunternehmen haben einen entscheidenden Nachteil. Sie bringen ein neues Projekt in Produktion, verdienen Geld damit und nach acht bis zehn Jahren ist das Projekt erschöpft und das Unternehmen würde eigentlich vom Markt verschwinden. Für uns wäre der Weg über Exploration, Inbetriebnahme einer neuen Mine, Rückzahlung der Investments und der Gewinne an die Investoren und Schliessung des Unternehmens die bevorzugte Vorgehensweise. In der Praxis versuchen allerdings die meisten Unternehmen, den begrenzten Lebenszyklus durch die Akquisition weiterer Projekte zu überlisten. Daher sind vor allem die grossen Produzenten auf immer neue Akquisitionen angewiesen. Sie haben deshalb kein Geld für Dividenden oder Buyback-Programme zur Verfügung. Dies ist der Hauptgrund, warum die grossen Produzenten selbst in einer Rohstoff- Hausse nur selten Kursgewinne für die Investoren generieren können. Bestes Beispiel ist derzeit Barrick Gold, der weltweit grösste Goldproduzent. Trotz massiver Investitionen wird das Unternehmen die aktuelle Produktionsrate von 5.3 Millionen Unzen Gold nicht weiter aufrechterhalten können und bis 2020 lediglich 4.2 Millionen Unzen bei gleichzeitig deutlich steigenden Kosten produzieren.

Rohstoffaktien sind gemessen an Nachhaltigkeitskriterien fast durchwegs im hinteren Teil der Rangliste von Rating-Agenturen zu finden. Woran liegt das?
Für viele Investoren ist Mining noch immer ein «schmutziges» Business, und zu einem gewissen Teil haben sie Recht. Dies ist einer der Hauptgründe, warum wir unsere Investments vor Ort «besuchen» und sie auch auf ökologische und soziale Aspekte hin beurteilen. Rohstoffunternehmen in Ländern wie Kanada, den USA oder Australien unterliegen hier strengen Regeln. Es dürfen nicht nur keine Chemikalien ins Abwasser gelangen, sondern die Umwelt muss nach dem Rohstoffabbau wieder in ihren Originalzustand zurückversetzt werden. Mining ist in diesen Ländern sehr «grün» und meist kaum zu beanstanden. Anders sieht die Lage in Afrika, China, Russland oder einigen der südamerikanischen Länder aus, weshalb wir mit Ausnahme einiger Länder in Südamerika nicht in diesen Ländern investiert sind. Es gibt kaum etwas Schlimmeres als eine unzufriedene oder streikende Bevölkerung. Aus unserer Erfahrung sind Dörfer und ihre Einwohner stets aufgeschlossen gegenüber Mining. Nicht jedoch, wenn die Unternehmen gegen die Interessen der Einheimischen arbeiten.

Was raten Sie Anlegern, die sich im Rohstoffsektor positionieren möchten?
Wir raten grundsätzlich von Direktinvestments in Einzelunternehmen ab, da eine Einschätzung der Projekte für den Privatanleger ohne einen Besuch vor Ort nahezu unmöglich ist. Falls ein Investor dennoch das Bedürfnis hat, in Einzelunternehmen zu investieren, sollte er sich den Goldproduzenten IMGold oder den kommenden Lithiumproduzenten Nemaska genauer anschauen. Beide Unternehmen korrigierten in den vergangenen Monaten zu stark und wir sehen bei beiden auf mittlere Sicht Potential.

Herzlichen Dank!

 

VITA
Tobias Tretter
erlangte seinen Prädikatsabschluss an der Universität Bayreuth, wo er seine Diplomarbeit praxisbezogen über die Lebenszyklusanalyse bei Rohstoffunternehmen schrieb. Dieses Studium, sowie verschiedene Weiterbildungen, bilden den theoretischen Hintergrund und die Grundlage für seine tägliche Arbeit. Seine Kariere begann Tobias Tretter bei der Credit Suisse Asset Management und setzte seine Praxiserfahrung bei der Beratung und Unterstützung des DJE Gold und Ressourcen Fonds der Dr. Jens Ehrhard Gruppe ein. Das Resultat hieraus war die Auszeichnung als «bester Goldfonds 2003», sowie eine Selbständigkeit in der Beratung von Rohstofffonds. Gemeinsam mit dem Fonds-Management der Stabilitas Fonds erreichte er erneut die Auszeichnung als «bester Goldfonds 2006». 2016 und 2017 wurden die von ihm gemanagten Fonds mit dem Thomson Reuters Lipper Fund Award Europe ausgezeichnet.

 

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