Zurück
payoff Opinion Leaders

Nachhaltigkeit als Erfolgsfaktor in einer Welt nach Corona

21.10.2020 11 Min.
  • Scott Berg, Portfolio Manager

Lesen Sie, warum Nachhaltigkeit ein wichtiger Indikator für ein qualitativ hochwertiges Wachstumsunternehmen ist.

Die wichtigsten Punkte

  • Der Ausbruch der Coronavirus-Pandemie hat innerhalb weniger Monate dazu geführt, dass Trends in den Bereichen Umwelt, Soziales und Governance (ESG) einige Jahre früher gekommen sind als allgemein erwartet.
  • Gesellschaftlicher Druck sorgt für beispiellose Veränderungen, so dass Regierungen, aber auch Unternehmen echte Lösungen anbieten müssen.
  • Im aktuellen Umfeld ist es für Unternehmen wichtiger denn je, das Thema Nachhaltigkeit in ihre langfristigen Strategien einzubinden.

Die Krise stößt Veränderungen an. Das wissen wir – als Menschen und als erfahrene globale Anleger. Die globale Finanzkrise von 2008 war der Auslöser für eine Bestandsaufnahme, die Aufschluss darüber geben sollte, wie Unternehmen geführt werden, insbesondere im Finanzdienstleistungssektor. Dies führte letzten Endes zu einer Neudefinition der treuhänderischen Verantwortlichkeiten, wobei Kunden und Aktionäre sehr viel stärker in den Fokus rückten. Die Krise gab den Anstoß für staatliche Rettungspakete, neue Richtlinien und Vorschriften sowie eine aktivere Mitwirkung und Einflussnahme der Aktionäre. Dies alles führte zu mehr Transparenz und bewirkte tiefgreifende Veränderungen in der Finanzwelt – meist zum Besseren.

In den Jahren nach der globalen Finanzkrise beobachteten wir massive Verschiebungen in der globalen Wirtschaft: Zuallererst ist da die Technologie zu nennen, die alle Sektoren und Branchen durchdringt und sowohl die Effizienz als auch die Kapazitäten beachtlich erhöht. In gewisser Weise ist Technologie auch eine bedeutende demokratische Kraft, da durch sie viele Menschen Zugang zu Fähigkeiten, Macht, Wissen und modernen, hochentwickelten Hilfsmitteln erhalten. Doch Technologie hat auch zu massiven Umwälzungen geführt: Durch die erheblichen Effizienzsteigerungen sind viele Arbeitsplätze verloren gegangen und manche Branchen sind sogar völlig verschwunden. Gleichzeitig wurden wir Zeugen einer Konzentration von Vermögen und der Entstehung natürlicher Monopole mit klaren Gewinnern und Verlierern. Dies wiederum trägt zu sozialen und politischen Spannungen bei.

Durch die Coronavirus-Pandemie vollziehen sich viele disruptive Trends früher und schneller. Die soziale Distanzierung und die zeitweilige Schließung von Einzelhandelsgeschäften haben dem E-Commerce und modernen Kommunikationsmöglichkeiten starken Zulauf beschert und die Entwicklung um Jahre vorgezogen. Unternehmen setzen auf Technologie, um Mitarbeitern ein reibungsloses Arbeiten im Homeoffice zu ermöglichen – ein Konzept, an dem Unternehmen auch nach dem Ende der Pandemie festhalten könnten.

Durch die Coronavirus-Pandemie vollziehen sich viele disruptive Trends früher und schneller.

Regierungen in aller Welt haben zwar mit geld- und fiskalpolitischen Impulsen in beispiellosem Umfang versucht, Arbeitsplätze zu sichern und zu schaffen. Doch sie haben Mühe, dem wachsenden gesellschaftlichen Druck entgegenzuwirken.

Technologie und eine Zeit des beschleunigten Wandels

Das Coronavirus hat auch eine hitzige Debatte darüber ausgelöst, wie man gegen die verschiedenen Ausprägungen der Ungleichheit und Ungerechtigkeit – auf gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Ebene – vorgehen sollte.

…ist es für Unternehmen wichtiger denn je, das Thema Nachhaltigkeit in ihre langfristigen Strategien einzubinden.

In Anbetracht des aktuellen Umfelds ist es für Unternehmen wichtiger denn je, das Thema Nachhaltigkeit in ihre langfristigen Strategien einzubinden. Hier sprechen wir nicht über gute Unternehmensführung und verantwortliches Handeln als „Corporate Citizen“, sondern darüber, eine robuste Geschäftsstrategie zu entwickeln, um letztlich zu den Gewinnern des ökologischen und sozialen Wandels zu zählen. Nachhaltigkeit ist untrennbar verbunden mit – und zudem abhängig von – visionärem Denken sowie Disziplin und Führungskompetenz (vor allem in Krisenzeiten), der Fähigkeit, vom gesellschaftlichen Wandel zu profitieren, wie auch der Bereitschaft, den Bedürfnissen anderer Rechnung zu tragen.

Großer Einfluss bringt große Verantwortung mit sich

Die aktuelle Gesundheitskrise hat für den Technologiesektor eine ähnliche Bedeutung wie die globale Finanzkrise für Finanzunternehmen. Großen Technologieunternehmen wie Apple, Amazon und Netflix sind die Kontroversen rund um das Thema ESG nicht ganz unbekannt. Sie haben mit ihren Geschäftsmodellen innerhalb der Gesellschaft massiv verändert, wie wir kommunizieren, einkaufen und fernsehen, andererseits aber auch von diesen Veränderungen stark profitiert. Die Folge waren Umsatzzuwächse, aber auch eine Zunahme der operationellen Risiken. Es steht viel auf dem Spiel. Deshalb haben sich viele Technologiefirmen intensiv damit auseinandergesetzt, wie sie ESG-Aspekten, zum Beispiel in Bereichen wie Humankapitalmanagement und Ethik (stärkere Erfüllung der Steuerpflicht im Ausland), besser Rechnung tragen können.

In seinem Brief an die Aktionäre für das Jahr 2020 bekräftigte Jeff Bezos, CEO von Amazon, dass das Unternehmen eine außergewöhnlich wichtige Rolle im Leben der Kunden spiele: „Die Kunden zählen auf uns… Amazon kann Positives bewirken und zu einer Kraft werden, die den Fortschritt organisiert.“ Er berichtete auch, dass Amazon massiv in die Logistik investiert, um mit der Kundennachfrage Schritt zu halten, sich intensiv für die Sicherheit und die Sicherung der Lebensqualität der eigenen Mitarbeiter einsetzt, weniger Verpackungsabfälle anstrebt sowie die Vielfalt und die Fähigkeiten künftiger Generationen fördert. Dies alles sind zentrale Grundsätze für den Aufbau eines Unternehmens, das Nachhaltigkeitsansprüchen immer besser gerecht wird. Dass einer der einflussreichsten CEOs eines der größten Unternehmen der Welt sein Hauptaugenmerk stärker auf Nachhaltigkeit legen will, zeigt, dass hierüber nicht nur viele Worte gemacht werden, sondern auch Taten folgen und das Thema zunehmend als Eckpunkt einer Unternehmensstrategie angesehen wird.

Wird das Coronavirus zu mehr politischem Populismus führen?

Doch nicht nur große Unternehmen erkennen, dass sie einen bedeutenden Beitrag leisten können, um unser Leben einfacher und besser zu machen: Seit dem Ausbruch der Pandemie stellen auch kleinere Unternehmen fest, dass sie uns durchaus dabei helfen können, diese schwierigen Zeiten zu überstehen. E-Commerce-Plattformen helfen kleinen Unternehmen maßgeblich bei der Umstellung vom Offline- auf das Online-Geschäft. Im Gesundheitssektor gibt es kleine, hochspezialisierte Biotech-Firmen, die über ausgezeichnete Fähigkeiten in der Entwicklung exakter, zuverlässiger Tests, in der serologischen Forschung sowie in der Entwicklung, Produktion und Verteilung von Impfstoffen verfügen und an vorderster Front gegen das Coronavirus kämpfen. Nie zuvor wurde auf ein Problem von so vielen Seiten gleichzeitig der Fokus gelegt, und man hofft, dass die Gesellschaft, wenn diese Krise erst einmal überwunden ist, sehr viel mehr auf kollektive Ziele achten wird.

Vor allem in Sachen Beständigkeit und positiver Wandel fühlen wir uns gut informiert und wollen in Unternehmen investieren, die zu den Nutznießern dieses Wandels gehören dürften, wenn ESG noch weiter an Bedeutung gewinnt.

Was diese Veränderungen bewirken, sehen wir aus nächster Nähe: Unternehmen stoßen Diskussionen über ESG-Themen an und präsentieren detaillierte Pläne, während in der Vergangenheit eher wir von T. Rowe Price diejenigen waren, die diese Themen ansprachen. Die Auseinandersetzung mit ESG-Faktoren war für uns schon immer wichtig, da wir glauben, dass dadurch langfristig bessere Unternehmen entstehen. Wir nutzen diverse Hilfsmittel, um zu beeinflussen, in welche Richtung sich Dinge ändern. Dazu zählen unter anderem der Dialog mit unseren Analysten, formelle Schreiben und Kommunikation, persönliche Treffen und Engagement für bestimmte Themen in der Öffentlichkeit. Uns ist bewusst, dass gute ESG-Praktiken Unternehmen sehr häufig nachhaltiger und beständiger machen.

Wie berücksichtigen wir ESG?

ESG-Faktoren stehen heute immer stärker im Fokus. Wir glauben, dass wir darauf gut vorbereitet sind, denn die Analyse von ESG-Aspekten ist bereits vollständig in unseren Anlageprozess eingebettet. Vor allem in Sachen Beständigkeit und positiver Wandel fühlen wir uns gut informiert und wollen in Unternehmen investieren, die zu den Nutznießern dieses Wandels gehören dürften, wenn ESG noch weiter an Bedeutung gewinnt. Unser Team für verantwortungsvolles Investieren führt auf Branchen- und Titelebene zunächst Analysen zu ESG-Themen durch. Diese lassen wir anschließend in unsere unternehmensspezifischen Analysen und unsere Anlagebeurteilungen einfließen. Außerdem untersuchen wir das gesamte Portfolio anhand unseres firmeneigenen Responsible Investing Indicator Model (RIIM). Auf diese Weise wollen wir nicht nur die Merkmale verstehen, die mit ESG zu tun haben, sondern auch erhöhte Engagements in bestimmten ESG-Faktoren erkennen.

Ein Blick auf die Welt von heute verrät, dass sich einige Sektoren ganz besonders gut für nachhaltige Anlagen eignen und sich dort positive Wirkungen erzielen lassen. Hier sind Unternehmen von hoher Qualität zu finden, die von diesen massiven Umwälzungen profitieren können.

Grundstoffe: Die letzten Jahre waren mit die heißesten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Verheerende Wetterereignisse (Waldbrände, Hurrikane, Überschwemmungen) zeigen mehr als deutlich, dass der Klimawandel real ist. Wir halten zunehmend nach Unternehmen Ausschau, die zum Klimaschutz Lösungen wie Kohlenstoffbindung und -speicherung bieten oder auf nachhaltige Verpackungen und grüne Alternativen setzen, mit denen sie ihre CO2-Bilanz aktiv verbessern können. Papier- und Verpackungshersteller zum Beispiel sind für den Wechsel von Kunststoffen zu nachhaltigeren Materialien gut aufgestellt. Außerdem konzentrieren wir uns auf Unternehmen, die beispielsweise Industriegase produzieren, die sich als umweltfreundlichere Brennstoffalternativen eignen.

Versorger: Die Unternehmen in diesem Sektor werden bei der Verbesserung der ökologischen Nachhaltigkeit eine entscheidende Rolle spielen. Gründe hierfür sind ihre weitläufige Infrastruktur, die beständigen Ertragsstrukturen sowie ihre Fähigkeit, in erneuerbare Energien zu investieren, um die für die Gesellschaft so wichtige Energiewende zu unterstützen. Wir achten auf hochwertige, gut geführte Unternehmen, die hohe Mittel in die Infrastruktur für erneuerbare Energien investieren.

Gesundheit: Die Coronavirus-Pandemie fällt in eine Zeit, in der sowohl die Nachfrage nach als auch die Kosten für Leistungen der Gesundheitsversorgung massiv steigen. Dies hat zu einer Zweiteilung im Gesundheitswesen geführt. Vor der Pandemie favorisierten wir angesichts der entwickelten Innovationen Biologika-Hersteller. Die Ausbreitung des Coronavirus macht deutlich, wie wichtig Unternehmen dieser Art sind. Durch die Pandemie wurden gewisse Entwicklungen im Bereich der Telegesundheit um Jahre vorgezogen, und Unternehmen, die diese Dienstleistungen anbieten, stellen eine zügig steigende Akzeptanz fest, da Patienten dadurch weiterhin sicher mit ihrem Arzt kommunizieren können.

Informationstechnologie: In jedem Sektor bringt ein enormes, rasantes Wachstum auch mehr Probleme mit sich. Das bekam auch der Technologiesektor zu spüren, der im Spannungsfeld zwischen wirtschaftlichen Gewinnen und seiner Verpflichtung gegenüber Arbeitnehmern und Gesellschaft gefangen war.

Unter den wachsamen Augen der Politik und der Gesellschaft bemühen sich Technologieunternehmen, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und die Nachhaltigkeit zu fördern – auch wenn dies auf Kosten der kurzfristigen Erträge geht. Amazon etwa stellt Mitarbeiter ein und investiert, um die stark gestiegene Nachfrage zu bedienen und zugleich die eigenen Beschäftigten zu schützen. Dies ist ein Beispiel für ein Unternehmen, das den Fokus auf langfristige Nachhaltigkeit und den potenziellen Schutz des Kerngeschäftsmodells legt, das auf einen guten Ruf und gesellschaftliche Akzeptanz setzt.

Wir engagieren uns aktiv in einer ganzen Reihe von großen Technologieunternehmen, um ihnen Wege aufzuzeigen, wie sie ESG-Aspekte besser berücksichtigen können, und, falls möglich, Einfluss auf Entscheidungsprozesse zu nehmen. In Anbetracht der Größe unseres Unternehmens und unseres Engagements im Technologiesektor stehen uns zuweilen die Türen zum oberen Management offen, so dass wir direkt Einfluss nehmen und Veränderungen bewirken können.

ESG-Aspekte sind wichtig, um gute Wachstumsunternehmen zu finden

Veränderungen im wirtschaftlichen Umfeld, die durch Technologie angetrieben wurden, haben überall in der Welt in Gesellschaften zu starken Umwälzungen geführt. Natürlich ist ein Zusammenspiel von Gesellschaft, Wirtschaft, Anlegern und Regierungen notwendig, um wirtschaftliche Stabilität und Erfolg auf Dauer zu sichern. Durch die Coronavirus-Pandemie vollziehen sich einige Nachhaltigkeitstrends Jahre früher, als bislang erwartet. Daher ist es wichtig, deren größeres Gewicht genau zu verstehen und zu erkennen, wie sich das Anlageumfeld dadurch verändert.

ESG ist ein dauerhaftes Element dieser neuen Ordnung. Unternehmen werden sich gründlich Gedanken machen müssen, welche Wirkung sie auf Branchen, Menschen und letztlich unseren Planeten haben. Jene, die diese Zusammenhänge begreifen, sind häufig Innovatoren, die sich so positionieren, dass sie heute und in Zukunft reales Wachstum erzielen können. Wir sind davon überzeugt, dass diese Disruption etwas Gutes ist. Wir wollen dabei auf der Gewinnerseite stehen und positive Beiträge leisten.

Weitere News aus der Rubrik

Unsere Rubriken