Nestlé: Zeit für den «Appetizer»
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Wolfgang Hagl
Redaktor
Morgen legt der Lebensmittelkonzern Verkaufszahlen für die ersten neun Monate 2023 vor. An der Börse könnte Nestlé einen Appetitanreger gut vertragen.
Noch sind es mehr als sechs Wochen bis zum ersten Advent. Doch im Detailhandel ist die Weihnachtszeit längst angebrochen. Für Konsumenten gibt es an Nikoläusen, Lebkuchen, festlichen verpacktem Schoggi oder mit allerlei Leckereien gefüllten Adventskalendern kaum mehr ein Vorbeikommen. Im Kampf um die vorweihnachtlichen «Süssmäuler» ist auch Nestlé aktiv. Mit Marken wie Cailler, Kitkat oder Smarties drängt der Lebensmittelriese in die Regale und Aufsteller der Supermärkte. Anlegern kann das am Genfer See beheimatete Unternehmen den Mund seit einiger Zeit nicht wässrig machen. Mit einem Minus von mehr als 4% zählt Nestlé 2023 bis dato zu den fünf schwächsten Aktien im SMI.
Morgen bekommt der Konzern eine Gelegenheit, den Appetit der Börsianer neu anzuregen. Um 7:15 Uhr veröffentlicht Nestlé die Verkaufszahlen für die ersten neun Monate 2023. Ab 14:00 Uhr stellen sich CEO Mark Schneider und CFO François-Xavier Roger an einem Webcast den Fragen von Investoren und Analysten. Bei dem Anlass könnte das Thema Schoggi durchaus auf den Tisch kommen. Schliesslich gab die Nestlé-Aktie vor kurzem innert weniger Stunden um mehr als 4% nach. Der Sturz auf ein Zweijahrestief wurde mit einer Meldung aus den USA in Verbindung gebracht. Dort hatte sich der Chef der Supermarktkette Walmart zu den Auswirkungen der neuen appetitzügelnder Medikamente wie der Abnehmspritze Wegovy des Pharmakonzerns Novo Nordisk geäussert. Seither liesse sich dem Top-Manager zufolge ein leichter Nachfragerückgang bei Lebensmittel beobachten. Nach diesem Statement gerieten vor allem die Hersteller von Süssigkeiten unter Druck. In der Schweiz erwischte es neben Nestlé auch den Schoggiriesen Lindt & Sprüngli.
Massive Preiserhöhungen
Obwohl Nestlé das Süsswarengeschäft in den USA vor mehr als fünf Jahren abgestossen hat, spielt die Sparte immer noch eine bedeutende Rolle. Im ersten Semester steuerte sie knapp 8% zum Konzernumsatz bei. Mit einem organischen Umsatzwachstum von 10.8% war «Confectionery» neben der Hundenahrung (+15%) die einzige Produktkategorie mit einer prozentual zweistelligen Steigerungsrate. Insgesamt baute das Unternehmen die Erlöse organisch um 8.7% aus. In den abgelaufenen drei Monaten dürfte sich das Tempo etwas verlangsamt haben. Laut einem von Nestlé selbst zusammengestellten Konsens erwarten Analysten für den Zeitraum Januar bis September 20223 ein organisches Wachstum von 8.1%. Während die Experten mit rückläufigen Absatzvolumen rechnen, dürfte der Branchenkrösus einmal mehr von Preiserhöhungen profitiert haben. Sie sollen 8.6 Prozentpunkte zum Wachstum beigetragen haben. Die 20 von Nestlé erfassten Researchhäuser rechnen mit einem stattlichen Wechselkurseinfluss. Er könnte den verbuchten Umsatz in den ersten drei Quartalen um 7.1 Prozentpunkte geschmälert haben.
Keine Zahlen nennt der Konzern per 30. September zur Ergebnisentwicklung. Im ersten Semester hatte Nestlé die operative Marge um 20 Basispunkte auf 17.1% verbessern können. Für das Gesamtjahr peilt CEO Schneider hier zwischen 17.0% und 17.5% an. Die Wachstumsprognose engte der Deutsch-Amerikaner nach den ersten sechs Monaten ein: Organisch sollen die Umsätze 2023 um mindestens 7% und um bis zu 8% nach oben gehen. Zuvor lag die untere Begrenzung der Zielrange bei 6%. «Für den Rest des Jahres sind wir zuversichtlich, eine positive Kombination von Volumen und Produktmix sowie eine verbesserte Bruttomarge erreichen zu können», sagte Schneider. Gleichzeitig kündigte er eine deutliche Erhöhung der Marketinginvestitionen an.
Weiter im Abwärtstrend
Werbung kann in Zeiten hoher Inflation nicht schaden. Schliesslich muss sich erst noch zeigen, wie lange der Sektor die Preise nach oben treiben kann. Genau diese Frage zählt zusammen mit einem allgemeinen Kostendruck zu den Bremsfaktoren der Nestlé-Aktie. Beispielsweise haben sich Zucker und Kakao im bisherigen Jahresverlauf um jeweils mehr als 30% verteuert. Fest steht, dass die über den Erwartungen liegenden Semesterzahlen Nestlé an der Börse nur kurz aus der Lethargie reissen konnten. Zum Sprung über den Abwärtstrend reichte es nicht.
Um die Wende nach oben einläuten zu können, müsste Nestlé wohl morgen zum einen die Erwartungen schlagen. Gleichzeitig gilt es für das Top-Management, die Zweifel an der Preissetzungsmacht zu zerstreuen. Jon Cox von KeplerCheuvreux hält die allgemeine Skepsis für übertrieben. Vor dem Zahlentermin bestätigte der Analyst die Kaufempfehlung für Nestlé und taxierte das Kursziel auf CHF 135. Mit dem positiven Urteil ist er nicht allein. Laut Reuters hebt die Mehrheit der Analysten bei Nestlé den Daumen.
Anlagelösungen
Mit dem Call Warrant NNESNU können Trader auf positive News setzen. Bei dem vor wenigen Tagen lancierten UBS-Papier liegt der Strike bei CHF 100. Der im kommenden März fällige Warrant notiert also leicht im Geld. Aus diesen Stellschrauben sowie der Volatilität des Basiswertes resultiert ein Hebel von aktuell 10.6. Seit gut einer Woche handelt die Société Générale auf Swiss DOTS den Call SGKHNM auf Nestlé. Bei identischer Laufzeit befindet sich der Strike CHF 8 tiefer. Infolgedessen fällt der Hebel mit 8.4 deutlich kleiner aus. Ungeachtet diesen gilt: Sollte Nestlé enttäuschen respektive viele Weihnachtssüssigkeiten liegen bleiben, könnten die Call Warrants ihren Haltern rasch sauer aufstossen.