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payoff Trading Desk

Netflix: Ein Profiteur mit Schattenseiten

19.03.2020 4 Min.
  • Wolfgang Hagl

Auch wenn Netflix von der Coronakrise profitieren dürfte: Das Direktinvestment in den Streamingkrösus erfordert einiges an Mut. Als mögliche Alternativen bieten sich Renditeoptimierungsprodukte mit tiefen Barrieren an.

«Stay at home!» – diese Aufforderung ist zu einer Art globalem Motto im Kampf gegen das Coronavirus geworden. Millionen Menschen sind dazu gezwungen, zuhause zu bleiben. In der eigenen Wohnung spielt sich für viele sowohl die Arbeit als auch die Freizeit ab. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass die vom Coronacrash gebeutelten Investoren nach den potenziellen Quarantäne-Profiteuren Ausschau halten. Unter dem Label «Stay at home!» hat sich an den Börsen zuletzt ein neues Segment aufgetan.

Im Fokus stehen dabei zwei unterschiedliche Arten von Unternehmen. Auf der einen Seite gelten Dienstleister für das Home-Office – dazu zählen die Anbieter von Videokonferenzen genauso, wie Cloud-Services oder Workflow-Plattformen – als Profiteure. Gleichzeitig nutzt die Krise denjenigen Unternehmen, welche Unterhaltung ins Haus liefern. Das gilt auch und gerade für die Streaminganbieter: Zwar blieb Branchenkrösus Netflix nicht vom Ausverkauf an der Wall Street verschont. Auf Sicht von einem Monat büsste die Aktie 18.6% ein. Für den NASDAQ-100 Index ging es im selben Zeitraum um rund ein Viertel nach unten.

Geht es nach Michael J. Olson, dann wird sich der positive Effekt bei Netflix bereits in den Zahlen für das 1. Quartal 2020 zeigen. Der für Piper Sandler tätige Analyst untersucht die Entwicklung des Streamingdienstleisters auf Basis der Beliebtheit verschiedener Google-Suchbegriffe. Laut Olson lieferte sein Indikator in Bezug auf den US-Markt für jedes der vergangenen 7 Quartale akkurate Ergebnisse. Im internationalen Geschäft lag er nur einmal daneben. Für die USA und Kanada erwartet der Analyst für den Zeitraum Januar bis März 2020 ein Abonnenten-Wachstum von 3.8%. Die Wall Street traut Netflix dagegen bis dato nur ein Plus von 1.6% zu. Im internationalen Geschäft könnte sich die Community um 32.5% ausdehnen – hier lag der Konsens bisher bei einem Wachstum von 29.9%. Der Piper Sandler-Experte führt die positive Entwicklung nicht alleine auf den Coronaeffekt zurück. Seiner Ansicht nach kann Netflix trotz wachsender Konkurrenz weiterhin einen gehörigen Teil der sich vom traditionellen TV- und Videokonsum in das Streaming-Segment verschiebenden Ausgaben abgreifen.

Ein immenser Schuldenberg

Im vergangenen Jahr hatten vor allem die Initiativen von Apple und Walt Disney Zweifel am Geschäftsmodell des Branchenpioniers aufkommen lassen. Auf dem Heimatmarkt zeigte der Start der beiden neuen Plattformen Ende 2019 bereits Wirkung. Umso mehr liegt der Fokus von Netflix-CEO Reed Hastings auf der globalen Ausbreitung seines Dienstes. Mit eigenproduzierten Serien wie «The Crown» oder aufwendigen Filmen, beispielsweise «The Irishman», buhlen die Kalifornier weltweit um die Unterhaltungssuchenden. Dafür greift Hastings tief in die Tasche: 2019 betrug das Produktionsbudget von Netflix insgesamt USD 15 Mrd. Annähernd diesselbe Summe türmte sich per Ende Jahr als langfristige Verbindlichkeiten in der Bilanz auf. 

Angesichts einer Fremdkapitalquote von mehr als drei Vierteln profitiert Netflix natürlich auch vom mehr denn je zementierten Zinstief. Allerdings sind die Schulden auch eine grosse Bürde. Der Konzern braucht Wachstum auf der Umsatzseite, um die Ausgaben für Produktion und Finanzierung stemmen zu können. 2019 verbuchte das Unternehmen einen Mittelabfluss (Free cash flow, kurz FCF) von USD 3.3 Mrd. Laut Hastings hat Netflix damit beim finanziellen Defizit den Höhepunkt erreicht. Er möchte den FCF nun sukzessive verbessern. Beim Wachstum könnte – zumindest in der aktuellen Krise – das Internet ein limitierender Faktor sein. Hohe Zugriffszahlen und ein immenser Datenverkehr drohen die Leistungsfähigkeit der auf grosse Bandbreiten angewiesenen Streamingplattformen einzuschränken – in der Schweiz ist zuletzt eine Diskussion um die zwangsweise Abschaltung solcher Services aufgekommen.

Anlagekonklusion:

Das Direktinvestment in den NASDAQ-Titel birgt also jede Menge Unwägbarkeiten und sollte nur für Anleger mit einem positiven Grundszenario sowie einer ausgeprägten Risikobereitschaft eine Option sein. Angesichts der hohen Volatilität könnten Renditoptimierungsprodukte eine interessante Alternative sein. Bei USD 149.33 hat Julius Bär die Schutzschwelle für den Barriere Reverse Convertible FAQEJB fixiert. Hält sich Netflix bis zum 26. Oktober über dieser Marke, wirft das Derivat eine Rendite von 9.7% ab. Auch wenn das Polster von mehr als 50% beruhigend wirkt, handelt es sich hier um eine durchaus riskante Anlage. Sollte das globale Motto über einen längeren Zeitraum «Stay at home!» lauten, könnte die Wall Street das Bewertungsniveau von Netflix trotz allem Nutzen kräftig nach unten setzen. 

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