Neuer Aufwind für die Assetklasse Anleihen
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Peter Lechner
Co-Fondsmanager DWS Concept DJE Alpha Renten Global und DJE Short Term Bond
DJE Kapital AG
Der restriktive geldpolitische Kurs der Notenbanken hat zu höheren Zinsen geführt. Die Notenbank mussten auf die stark gestiegenen Inflationsraten reagieren. Deren Anstieg hängt wiederum mit den explodierenden Energiepreisen zusammen. Wie geht es weiter?
Die höheren Zinsen sind in erster Linie auf den Krieg in der Ukraine zurückzuführen. Das Bild ist aber nicht einheitlich: So sorgt in Europa vor allem das knappe Angebot von Öl und Gas für die derzeit immer noch hohen Inflationsraten. In den USA hingegen gibt es mit eine nachfragegetriebene Inflation, die auf gestiegene Lohnkosten und eine rückläufige Sparquote zurückzuführen ist. Zwar ist die US-Notenbank Fed bei den Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank EZB deutlich voraus, aber die Europäer ziehen mittlerweile nach. Die Anlageklasse der Anleihen profitiert aktuell davon, dass nun neue Coupons mit einem höheren Zinsniveau auf den Markt kommen, was sie für Anleger deutlich interessanter werden lässt. Ausserdem sehen viele verzinsliche Papiere nach den Kursverlusten in diesem Jahr wieder attraktiv aus.
Von den gestiegenen Zinsen profitieren
Es gibt einen deutlichen Trend hin zu Qualität: Staatsanleihen oder Corporate Bonds mit Investmentgrade-Rating in US-Dollar oder Euro stehen hier im Fokus. Vorsichtiger sollte man hingegen im Bereich High Yield angesichts höherer Wahrscheinlichkeiten für Ausfallrisiken (CDS-Entwicklung) sein. Zudem sollte man die Zinsstrukturkurven nicht völlig ausser Acht lassen: Hier zeigt sich, dass z. B. in den USA die Zinsen für kurzlaufende Anleihen höher sind als für langlaufende Papiere. Auch in Europa ist das inverse Bild ähnlich. In der Vergangenheit war dies immer ein Indikator dafür, dass eine Rezession bevorsteht. Wenn sich die Wahrscheinlichkeit dafür erhöht, spricht dies für den Kauf von Anleihen mit längeren Laufzeiten, da dort bei einer Rezession die Zinsen über die gesamte Kurve zurückgehen, was wiederum Kursgewinne besonders bei den langlaufenden Papieren bedeutet.
Die starken Sektoren und Branchen
Ausserordentlich positiv haben sich jüngst Bonds aus dem Öl- und Gassektor entwickelt, da sie von den Preissteigerungen im Rohstoffsektor profitieren konnten. Aber auch Anleihen aus dem Pharmasektor haben angesichts der demografischen Entwicklung in den Industrieländern gut performt. Allerdings schauen wir uns auch zyklische Automobilzulieferer nach eingehender Analyse durch unser hauseigenes Research an. Das gleiche gilt ebenfalls für den Airline-Bereich.
Kreditausfallrisiko beachten
Die Ausfallrisiken sind aktuell als nicht unerheblich einzuschätzen. Mit Blick auf die Erzeugerpreise zeigt sich, dass manche Produzenten deutlich mehr für ihre Vorerzeugnisse bezahlen müssen. Viele Branchen unterliegen auch einem tiefgreifenden Wandel, sei es aufgrund der Digitalisierung oder des Fachkräftemangels. Aufgrund dieser Entwicklungen ist bei der Auswahl von High-Yield-Papieren besonders selektiv vorzugehen.
Neue Euro-Krise wegen gestiegener Zinsen?
Derzeit ist das Risiko einer erneuten Eurokrise als moderat einzuschätzen. Die EZB hat mit dem Transmission Protection Instrument, kurz TPI, ein neues Werkzeug geschaffen, mit dem sie die Spreads zwischen Bundesanleihen und Anleihen der europäischen Peripheriestaaten steuern kann – was auch schon mit dem Verkauf deutscher und holländischer Staatsanleihen und dem Kauf italienischer und spanischer Papiere geschehen ist.
Ausblick für Zinsentwicklung
In den USA zeigte sich, dass die Fed bei ihrer letzten Sitzung Tempo aus den Zinserhöhungen nahm. Es wurde eine Zinsanhebung um 50 Basispunkte beschlossen. Weitere Zinserhöhungen sind denkbar, denn die Fed sieht sich im Kampf gegen die Inflation noch nicht am Ziel. Folglich könnte sich die Fed-Fundrate im kommenden Jahr auf fünf Prozent hinbewegen. Zwar stellt die US-Notenbank bei ihren Massnahmen derzeit die Inflationsbekämpfung klar in den Vordergrund, Ziel dürfte hier aber auch ein soft landing der Wirtschaft sein. Im kommenden Jahr können ist vorstellbar, dass die Inflation in den USA auf einen Korridor von drei bis vier Prozent zurückgeht.
Da die Teuerungsrate in der Eurozone noch höher ist als in den USA, ist erkennbar, dass die EZB beim Kampf gegen die Preissteigerungen weiterhin hinter der Kurve ist. Eine Inflationsrate von vier bis fünf Prozent in der Eurozone für 2023 ist als realistisch einzuschätzen. Trotzdem ist vorstellbar, dass der Leitzins in Europa zum Ende des ersten Quartals bzw. im zweiten Quartal 2023 jenseits von drei Prozent liegen könnte.
Besondere Situation in Japan
Die Entwicklung der Spreads bzw. der Risikoaufschläge hochwertiger Unternehmensanleihen im Vergleich zu Staatspapieren sollte bei einer nur milden Rezession relativ stabil bleiben, während sie im High Yield-Bereich ausweiten könnten. Die Konjunkturentwicklung spielt hierfür eine entscheidende Rolle.
Eine besondere Situation könnte sich in Japan zeigen. So steht bei der Bank of Japan im kommenden Jahr nicht nur ein Führungswechsel bevor, sondern möglicherweise auch eine teilweise Abkehr von ihrer jahrzehntelangen Niedrigzinspolitik, zumindest aber von der bestehenden Praxis der Yield-Curve-Control. Hier ist aber mit einer sehr vorsichtigen Umsteuerung seitens der Bank of Japan zu rechnen. Der Yen könnte folglich langsam wieder an Stärke gewinnen.
Gefahren auch im 2023
Geopolitische Krisen wirken sich tendenziell negativ auf die Aktienmärkte aus und könnten Investoren dazu bewegen, Kapital aus dem Aktienmarkt abzuziehen und in den sicheren Hafen der (Staats-)Anleihen umzuschichten. Ein solches Szenario könnte einen deutlichen Verfall der Renditen bei Staatsanleihen nach sich ziehen. Weiterhin ist offen, wie weit die Zentralbanken angesichts des Rezessionsszenarios mit den Zinserhöhungen gehen werden. Die sich abzeichnende Öffnungsstrategie der Null-Covid-Politik in China dürfte sich nachfragesteigernd auf den Ölmarkt auswirken, was allerdings die Inflation in den USA und in Europa wiederum erhöhen würde.
Gesucht: robustes Anleihen-Portfolio
Die Basis eines robusten Anleihen-Portfolios bildet eine detaillierte Titelauswahl, wobei gleichermassen auf eine strategische und eine taktische Komponente zu setzen ist. Die strategische Komponente wäre ein breit gefächertes Basis-Portfolio aus Staats- und Unternehmensanleihen mit guter Bonität (Investment Grade). Mit Blick auf die taktische Selektion schaut man nach Sondersituationen am Markt, auf die es zu reagieren gilt. Ein Beispiel hierfür ist die Zeichnung von vielversprechenden Neuemissionen.
Eine weitere taktische Stellschraube ist die markphasenabhängige Steuerung des Währungs-Exposure sowie der Duration mittels Overlay-Management. Buy and hold ist keine geeignete Strategie. Es ist als aktiver Manager darauf abzuzielen, mittels Overlay-Management eine zusätzliche Performance zu generieren. Das bedeutet auch, sich im Rahmen einer aktiven Risikosteuerung zügig von Positionen zu trennen, die der Portfoliobeimischung nicht mehr angemessen sind.
Rallye am Anleihenmarkt nicht ausgeschlossen
Mit Blick auf das Jahr 2022 muss man aufgrund des ungewöhnlich starken und schnellen Zinsanstieges von einem Anleihen-Crash sprechen. Das bevorstehende Jahr 2023 könnte man hingegen mit „ja, aber“ umschreiben. Anleger sollten Anleihen nicht ausser Acht lassen. Der Fokus sollte vor allem auf Emittenten mit solider Bonität gesetzt werden, die eine gute Marktstellung und gute Chancen vorweisen können, auch eine Rezession zu überstehen. Allerdings müssen sich Anleger bewusst sein, dass angesichts der Inflation die derzeitigen Zinserhöhungszyklen noch nicht vorbei sind. Wenn die Inflation aber zurückgeht, ist eine Rallye am Anleihenmarkt nicht ausgeschlossen.