Nordex: Der Wind hat gedreht
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Wolfgang Hagl
Die Hoffnung auf einen beschleunigten Ökostrom-Ausbau schiebt die Aktien des Sektors an. Nachdem Nordex ein beachtlicher Rebound gelungen ist, rückt der Zahlentermin des norddeutschen Windanlagenbauers in den Fokus.
Sollen die Ölimporte aus Russland gestoppt werden, oder nicht? Diese Frage treibt die internationale Politik gerade um. Dagegen herrscht über eine andere Konsequenz aus dem Ukrainekrieg weitestgehende Einigkeit: Um die Abhängigkeit von den Lieferungen aus Russland zu reduzieren, soll der Ausbau der regenerativen Energieträger noch einmal forciert werden. Dieses Vorhaben schiebt die Aktien des Sektors kräftig an. Besonders stark ist der Rebound bei Nordex ausgeprägt. Die Aktie des deutschen Windturbinenherstellers war zunächst kräftig abgetaucht, als Russland die Ukraine Angriff. Doch gegenüber dem dabei markierten 15-Monats-Tief hat sich das Papier mittlerweile um mehr als die Hälfte verteuert.
Dicke Orderbücher, dünnes Ergebnis
Investoren setzen auf einen Auftragsboom für den Sektor im Allgemeinen und den norddeutschen Onshore-Spezialisten im Speziellen. Zwar ist dieses Kalkül durchaus gerechtfertigt. Doch über einen Mangel an Arbeit konnten sich die Anlagenbauer schon vor der akuten Ölkrise nicht beschweren. Bei Nordex gingen 2021 Aufträge für 1’636 Windenergieanlagen mit einer Gesamtkapazität von 7.95 Gigawatt (GW) ein. Gegenüber 2020 nahmen die verkaufte Stückzahl sowie Leistungsstärke damit um 22% respektive knapp ein Drittel zu. Der Verkaufsschlager ist die Delta400. Im vergangenen Jahr entfielen 83% der Orders auf die nach Angaben des Unternehmens «weltweit erste Turbine mit flexibler Nennleistung.»
Dieser Erfolg ändert nichts am zentralen operativen Problem von Nordex. Der 1985 gegründete Konzern hat geradezu chronische Schwierigkeiten, aus dem dicken Orderbuch ordentlichen Profit zu schlagen. 2021 machten dem Unternehmen stark steigende Kosten – sei es für Komponenten oder die Logistik – einen Strich durch die Rechnung. Im November war CEO José Luis Blanco zu einer Gewinnwarnung gezwungen: Er rechnet seither für 2021 zwar mit einem Umsatzwachstum von bis zu 13% auf bestenfalls EUR 5.2 Mrd. Doch die operative Marge (Stufe Ebitda) soll lediglich 1% betragen. Zuvor hatte der Top-Manager hier zwischen 4% und 5.5% angepeilt.
Ob Nordex die reduzierten Ziele erreicht hat, erfahren Anleger am 29. März. Dann stellt José Luis Blanco die Bilanz für 2021 vor. Man darf gespannt sein, wie der Konzernlenker das aktuelle Umfeld einschätzt respektive ob sich die forcierte Energiewende bereits im Vertrieb niederschlägt. Gleiches gilt für die Kostenseite: Angesichts der rasant steigenden Rohstoffpreise muss der Sektor im Einkauf wohl weiter tief in die Tasche greifen. Dabei hatte CFO Ilya Hartmann noch im Januar an einer Kapitalmarktkonferenz von einem sich stabilisierenden Kostendruck bei Harzen, Stahl, Kupfer sowie dem Transport berichtet. Da die Nachfrage seinen Worten zufolge gleichzeitig hoch und die Preissetzungsmacht des Unternehmens verbessert war, bestätigte der Finanzmanager das mittelfristige Ziel einer Ebitda-Marge von 8%.
Anlagekonklusion:
Aus charttechnischer Sicht ist Nordex ein echter Befreiungsschlag geglückt: Die Aktie hat sowohl den Abwärtstrend als auch die 200-Tage-Linie überwinden können. Am horizontalen Widerstand bei EUR 18 ist sie allerdings zunächst abgeprallt. Da das Chartbild zusehends überkauft ist, könnte es hier zu einer Konsolidierung kommen. Die ZKB hat im Februar einen Long Mini-Future (Symobl: INDACZ) auf Nordex lanciert. Das Produkt nimmt mit einem moderaten Hebel von 2.3 an steigenden Kursen teil. Dagegen hat der Basiswert gestern den Knock-out einer Short-Variante (Symbol: INDAIZ) erreicht. Damit ist die einzige Möglichkeit, um am Schweizer Struki-Markt auf fallenden Notierungen bei Nordex zu setzen, verfallen.