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payoff Focus

Offensive vs. Defensive

07.02.2019 8 Min.
  • Dieter Haas

Das neue Börsenjahr ist schwungvoll gestartet. Der Bulle hat den Bären wieder in die Schranken gewiesen. Ob es sich um eine Zwischenerholung oder eine effektive Trendwende zum Positiven handelt, werden die kommenden Monate zeigen.

Eine der Fussballweisheiten des bekannten ehemaligen deutschen Fussballtrainers Jupp Heynkes lautete: «Der Sturm (Offensive) gewinnt Spiele, die Abwehr (Defensive) Meisterschaften.» Übertragen auf die Finanzwelt würde dies bedeuten, dass ein konservatives Vorgehen, das sich vornehmlich auf risikoarme Papiere konzentriert und im Aktienbereich vornehmlich auf defensive Blue Chips setzt, auf Dauer erfolgreicher wäre, als eine Strategie, die auf offensive, wachstumsstarke Titel baut. Langfristig steckt ein Körnchen Wahrheit in dieser These. Die optimale Mischung eines Portfolios ist allerdings über einen Wirtschaftszyklus unterschiedlich. So gesehen ist eine Konzentration auf defensive Werte nicht das allein Seligmachende. Es kommt vielmehr auf die optimale Mischung an.  In einer bullischen Marktphase ist Offensive Trumpf, während in Baissen ein defensives Verhalten Vorteile bringt. Ein Optimist, der auch im Jahr 2019 von steigenden Kursen an den Aktienmärkten ausgeht, der positioniert sich verstärkt im offensiven Bereich, ein Pessimist, der nach dem Börsentaucher im vierten Quartal die Hosen gestrichen voll hat und mit einer länger anhaltenden Talfahrt an den Börsen rechnet, der wird sein Depot mit aller Wahrscheinlichkeit verstärkt defensiv ausrichten.

 

Rückblick
Im Jahr 2017 dominierten auf Weltebene die Wachstumsaktien. Im vergangenen Jahr 2018 waren vor allem ab der zweiten Jahreshälfte defensive Werte Trumpf. Ein Vergleich der zyklischen mit den defensiven Sektoren unterstreicht dies. Die Resistenz der Zykliker hängt damit zusammen, dass die US-Börse im MSCI World mit einem Gewicht um 60% überwiegt und die Börsen von Uncle Sam erst ab Spätsommer allmählich dem sinkenden Trend an den meisten übrigen Aktienmärkten folgten.

Speziell in Europa und auch in der Schweiz zeigte sich bereits etwas früher eine Tendenz hin zu defensiven Werten. Das neue Jahr stand bislang ganz klar im Zeichen des Bullen.

 

«Der Sturm (Offensive) gewinnt Spiele, die Abwehr (Defensive) Meisterschaften.»

 

Branchenperformance des STOXX Europe 600
In Europa lässt sich das Hin und Her zwischen offensiven und defensiven Titeln sehr schön veranschaulichen. Im Jahr 2017 waren die offensiven Branchen am Drücker, während das Jahr 2018 im Zeichen der defensiven stand. Im laufenden Jahr kam es bis dato zu einem Comeback der offensiven. Die erste Runde ging somit eindeutig an die Bullen. Allerdings waren es weniger realwirtschaftliche Aspekte, sondern vielmehr Liquiditätsfaktoren, die dem jüngsten Aufschwung Pate standen. Die Gründe der jüngsten Erholung an den Aktienmärkten fasste die kritische Webseite ZeroHedge in einem Beitrag wie folgt zusammen: «It’s not the economy, it’s the central banks, stupid.» Die Notenbanken haben mit der Ausweitung ihrer Bilanzen die Märkte fürs Erste gerettet.  Federführend erwies sich einmal mehr die Arbeitsgruppe des US-Präsidenten zu den Finanzmärkten, die despektierlich das Plunge Protection Team (PPT) genannt wird. Es trat um die Weihnachstage tatkräftig in Erscheinung. Das erklärt auch den Tweet des US-Präsidenten Donald Trump vom 24. Dezember: «We have companies, the greatest in the world, and they’re doing really well. They have record kinds of numbers. So I think it’s a tremendous opportunity to buy. Really a great opportunity to buy.» Der US-Präsident wusste zu diesem Zeitpunkt mit ziemlicher Sicherheit, was das PPT beschlossen und am 26. Dezember in die Tat umgesetzt hatte.

 

 

Ausblick
Die nächsten Wochen werden darüber befinden, ob auch die US-Börsen definitiv in einen Bärenmarkt eintreten. In diesem Fall wäre der Raketenstart lediglich ein Strohfeuer gewesen und die Optimisten gerieten in den kommenden Wochen wieder in die Defensive.  Es bleibt spannend und die Kontroverse Optimisten (Offensive) versus Pessimisten (Defensive) ist bis auf weiteres offen. Ohne erneute Schützenhilfe von Seiten der Notenbanken wird es für die Börsen vermutlich schwierig sein, den Bären zu verscheuchen. In den nächsten Wochen dürften die Unternehmensergebnisse und die anstehenden Dividendenzahlungen dem Markt zwar eine Stütze bieten. Ob dies ausreicht für eine nachhaltige Trendwende nach oben, wird sich wohl erst im Frühling zeigen.  Entweder lautet es dann: «Sell in May and stay away» oder «Every once in a while, the market does something so stupid it takes your breath away.»

 

 

«Fussballaktien hängen vor allem vom sportlichen Erfolg eines Clubs ab.»

 

Die Schweizer Börse – ein Spiegelbild des allgemeinen Trends
Seit Mitte 2018 hat sich an der Schweizer Börse ein struktureller Shift vollzogen. Ab diesem Zeitpunkt haben die defensiven Blue Chips das Zepter übernommen, während die zuvor heiss gelaufenen Mid und Small Caps sowie die zyklischen Titel reihenweise abgestraft wurden. Diese Entwicklung hält an. Die defensiven Schwergewichte Nestlé, Novartis und  Roche, die grossen Versicherer Swiss Re, Zurich und Swiss Life, u.a. dank ihres geringen Aktienengagements, sowie Titel mit einem stabilen Geschäft wie Givaudan oder Swisscom entwickelten sich in den vergangenen Monaten im Vergleich zum Gesamtmarkt überdurchschnittlich und haben die Turbulenzen an den Finanzmärkten relativ unbeschadet überstanden. Sie dürften vermutlich auch im Jahr 2019 das Feld, relativ gesehen, anführen.

 

 

Europäische Branchen-ETFs für Optimisten und Pessimisten
iShares hat in der Schweiz die gesamte Palette an europäischen Branchen-ETFs gelistet. Für Optimisten bietet der ETF SX8PEX auf den Sektor Technologie im STOXX 600 das passende Vehikel. Defensiv mit einer guten Entwicklung auch in steigenden Marktphasen ist der ETF SXDPEX auf die Branche Gesundheit. Für sehr vorsichtige Anleger eignet sich der ETF SX6PEX auf die Palette von europäischen Versorgern im STOXX 600. Seine Kursentwicklung seit Februar 2010 war eher bescheiden. Er konnte lediglich mit dem Kursindex des STOXX 600 Index mithalten. Dieselbe Auswahl an Branchen-ETFs auf den STOXX 600 findet sich auch bei den Strukturierten Produkten. Hier ist der Emittent die UBS. Die Performance der Tracker-Zertifikate ist vergleichbar mit derjenigen der ETFs. Das Tracker-Zertifikat ETUTI auf den STOXX Europe 600 Utilities liegt auch hier auf lange Sicht performance-mässig zurück. Sein Vorteil ist jedoch die stetige Entwicklung und die geringe Abhängigkeit von der allgemeinen Börsenentwicklung. 

 

 

Fussballaktien mit eigenem Zyklus
Die eingangs erwähnte Fussballweisheit wirkt sich, sofern sie befolgt wird und der Verein an der Börse kotiert ist, in der Regel positiv aus. Ohne gute Defensive lässt sich kaum eine Meisterschaft gewinnen. Es braucht nebst dem überdurchschnittlichen Können ein Tor zu verhindern jedoch auch eine starke Offensive. Bei Fussballaktien ist die Mischung dieser beiden Komponenten das A und O. Dagegen spielt der allgemeine Wirtschaftszyklus eine relativ geringe Rolle. Fussballaktien hängen vor allem vom sportlichen Erfolg eines Clubs ab. Bullen- oder Bärenmärkte sind eher sekundär.

 

«Das neue Jahr stand bislang ganz klar im Zeichen der Bullen.»

 

 

Beispiele aus der Praxis
Das zeigte sich in den vergangenen Monaten exemplarisch an den Beispielen Borussia Dortmund, Juventus Turin und Manchester United. Die Aktien der ersten beiden schossen kräftig in die Höhe. Beim BVB sorgte der neue Trainer Lucien Favre für einen fulminanten Auftakt in die laufende Saison, was von den Anlegern mit steigenden Kursen quittiert wurde. Im Falle von Juventus Turin hält der sportliche Erfolg an. Als Trigger erwies sich hier der Transfer von Christian Ronaldo im Sommer 2018, der die Euphorie entfachte und einen möglichen Triumph in der laufenden Champions League denkbar erscheinen lässt.  Ganz anders die Situation bei Manchester United. Hier sorgte der schwache Saisonauftakt für sinkende Kurse. Die vom Vorgängertrainer José Mourinho dem Team verordnete defensive Spielart erlitt Schiffbruch. Einerseits erhielt die Mannschaft zu viele Tore und schoss in Anbetracht der Qualität des Kaders erschreckend wenige. Als Folge davon war das Team nur graues Mittelmass. Erst der Trainerwechsel zu Ole Gunnar Solskjaer vor Weihnachten brachte eine Rückkehr in die Erfolgsspur und hat das Bild aufgehellt und der Aktie an der Börse wieder etwas Schub verliehen. Die Auswahl kotierter Aktien von Fussballvereinen ist klein. Sie würde allerdings ausreichen für ein Basket-Zertifikat. Ein solches fehlt bislang am Tableau von SIX Swiss Exchange. Dabei wäre es erfolgversprechend wie das Beispiel des kotierten und mit einer Vertriebszulassung Schweiz versehene Wikifolio-Zertifikat Europäische Fussball Champions (WKN: LS9MMJ) zeigt.

 

 

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