

«Qualität geht vor Quantität»
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Martin Raab
Prof. Dr. Marc Oliver Rieger, Jurypräsident der Swiss Derivative Awards, über thematische Indizes als neuer Trend, die beste Dissertation und das gute alte Schweizer Bankgeheimnis.
Herr Rieger, Sie präsidieren die Jury seit vielen Jahren. Wie eifrig wurden in 2016 prämierungswürdige Produkte eingereicht?
Wir haben wieder viele Einsendungen erhalten, wenn auch ein paar weniger als im Vorjahr.
…klingt das nach kurzfristiger Schwächung der Innovationskraft bei ein paar Emittenten?
Nun ja, Qualität geht vor Quantität, insofern würde ich das so nicht sagen!
Sind nach Ihrer Auffassung bei der Kundenorientierung und Ehrlichkeit gegenüber dem Vorjahr Fortschritte erzielt worden oder gibt es noch immer zu viele Produkte mit einem «Pferdefuss»?
Den Trend zu transparenteren und nachvollziehbareren Produkten sehen wir schon seit etlichen Jahren. Das ist natürlich sehr erfreulich!
Welche Themen dominierten dieses Jahr bei den Einreichungen?
Ein Trend, der mir aufgefallen ist: Immer öfters werden Strukturierte Produkte verwendet, um thematische Indizes zu konstruieren. Im Idealfall werden damit Investitionsmöglichkeiten geschaffen, die sich mit klassischen Anlagefonds oder ETFs nicht realisieren liessen. Ein Beispiel aus diesem Jahr, das auch von uns prämiert wurde: Vontobel ermöglicht es, mit einem Struki in Bitcoins zu investieren. Das ist eine geniale und sehr nützliche Entwicklung, da eine Direktinvestition immer noch äusserst kompliziert ist.
Gibt es ein weiteres Produkt, das ihnen in Erinnerung geblieben ist?
Ja, zum Beispiel der New Silk Road Basket von Bank Julius Bär. Hier wurde erfolgreich darauf gesetzt, dass die New Silk Road-Initiative der chinesischen Regierung zu Infrastrukturmassnahmen in den betreffenden Gebieten führen würde, von denen bestimmte Firmen profitieren. Die dazu nötigen Insights konnte ein Privatanleger kaum haben. Die Konstruktion als Strukturiertes Produkt ist auch in diesem Fall wieder sehr sinnvoll.
«Der Special Award soll special sein. Daher wird er auch nicht automatisch jedes Jahr vergeben.»
Der Special Award fällt dieses Jahr aus. Wie kam die Jury zu dieser Entscheidung?
Der Special Award soll, wie der Name es schon sagt, special sein. Daher wird er auch nicht automatisch jedes Jahr vergeben. Die Preisträger sollen Ausserordentliches geleistet haben. Ausserordentlich geht eben nicht immer jährlich.
Wie beurteilen Sie die eingereichten wissenschaftlichen Arbeiten für den Research Award?
Der Research Award wurde erst zum zweiten Mal vergeben. Umso mehr haben wir uns sowohl über die Anzahl der eingereichten Arbeiten als auch über deren Qualität gefreut! Persönlich habe ich mich auch gefreut, zu erfahren, an wie vielen Universitäten Forschung in diesem Bereich durchgeführt wird.
…das Siegerprodukt der Research Awards war zwischen Ihnen und Prof. Wallmeier rasch gekürt?
Ja, der erste Platz war dieses Jahr klar. Frau Stefanie Baller von der Universität Passau hat in der von ihr eingereichten Dissertation die verschiedenen Seiten des Marktes für Strukturierte Produkte auf sehr originelle und interessante Weise untersucht: einerseits die Frage, wie Emittenten als Market Maker Preise festlegen sollten, andererseits die Frage, welche Anleger von Strukturierten Produkten aus welchen Gründen erfolgreich sind.
Mit Blick auf Ihren Alltag an der Universität Trier: Welche Themen behandeln Sie im Bereich Financial Products dort aktuell?
In unseren aktuellen Forschungsprojekten geht es vornehmlich um die Rolle von Volatilität und um Diversifikation, beides im Kontext von Optionen und Strukturierten Produkten. Vielleicht wird ja daraus auch einmal ein Strukturiertes Produkt, das beim Swiss Derivative Award teilnimmt.
Abschliessend: Wie steht es um Ihre persönliche Asset-Allokation derzeit?
Ich verweise ja bei solchen Fragen immer gerne auf das gute alte Schweizer Bankgeheimnis! Aber grob zusammengefasst: ein international breit gestreutes Aktien-Exposure, etwas Cash und etwas alternative Anlagen (Bitcoins), dabei durchaus auch Strukturierte Produkte, das ist mein aktueller Mix.
VITA
Prof. Dr. Marc Oliver Rieger, Jahrgang 1974, ist Lehrstuhlinhaber für Bank- und Finanzwirtschaft an der Universität Trier und inzwischen fester Bestandteil der SDA-Jury. Zuvor war er mehrere Jahre an der Universität Zürich als Forscher tätig, nachdem er am Max-Planck-Institut für Mathematik in Leipzig promoviert hatte und zwei Jahre als Research Scholar an der Carnegie Mellon University tätig gewesen war. Aufgewachsen in Konstanz, interessiert er sich in seinen Forschungsgebieten primär für Finanzderivate, Behavioral Finance und Finanzökonomie. Er ist auch Buchautor (u.a. «Optionen, Derivate und Strukturierte Produkte – ein Praxisbuch», gerade in einer aktualisierten zweiten Auflage beim NZZ-Verlag erschienen).