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Rolle der Fiskalpolitik in der Konjunktursteuerung

12.08.2019 4 Min.
  • David Milleker, Chefvolkswirt

Speziell seit den US-Kongresswahlen von 2018 hat die Modern Monetary Theory (MMT) in der öffentlichen Diskussion ein grösseres Gewicht bekommen: Einige prominente Demokraten propagieren diese inzwischen sehr stark.

Die Grundthese der Modern Monetary Theory (MMT) basiert darauf, dass der Staat mit seinen Ausgaben Geld in Umlauf bringt und gleichzeitig für die Nachfrage nach diesem sorgt. Dies indem er darauf besteht, dass Steuern in genau diesem Geld entrichtet werden. In der philosophischen Diskussion, ob Geld nun auf sozialer Konvention beruht oder durch staatliche Verordnung existiert, ist MMT ganz klar der letzteren Variante zuzuordnen.

Die wesentliche Grundaussage von MMT besteht allerdings darin, dass es in Staaten mit eigener Währung zwar eine ökonomische Begrenzung für staatliche Defizite in Form einer akzelerierenden Inflation gibt, nicht aber eine budgetäre. Im Zweifelsfall ist es also gar nicht notwendig, überhaupt Steuern zu erheben oder Staatsanleihen zu emittieren, um öffentliche Ausgaben zu finanzieren. Die Finanzierung lässt sich auch direkt über die Notenbank bereitstellen.

Das klassische „Helikoptergeld“

Daran ist insofern nicht viel Neues, als es sich hier eigentlich um das klassische „Helikoptergeld“ von Milton Friedman handelt: Die Notenbank finanziert direkt den Staat, was im Zweifelsfall zu (Hyper-)Inflation durch eine Geldmengenausweitung bei vertikaler Phillips-Kurve führt. Allerdings widerspricht MMT natürlich in extremer Form der seit den späten 1970er Jahren üblichen institutionellen Aufgabenteilung. Nach dieser ist die Zentralbank für die Konjunktursteuerung und Inflationskontrolle zuständig, der Staat für die Setzung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und die Tarifparteien für das Setzen vollbeschäftigungskompatibler Löhne. MMT schreibt dagegen der Fiskalpolitik die Hauptsteuerungsfunktion für die Konjunktur zu und der Zentralbank eine dienende Rolle für die Staatsfinanzierung.

Rolle der Fiskalpolitik in der Konjunktursteuerung

Aus heutiger Sicht mag das revolutionär anmuten. Historisch ist es das aber keineswegs. Die US-Notenbank wurde in den Jahren des Zweiten Weltkriegs bis zu einem formellen Scheidungsvertrag 1951 als eine Unterbehörde des Finanzministeriums geführt und administrierte dabei faktisch einen Zinsdeckel. Im Jahrzehnt nach der der globalen Finanzkrise 2007/2008 hat die akademische Diskussion um eine verstärkte Rolle der Fiskalpolitik in der Konjunktursteuerung deutlich an Intensität gewonnen. Das hat auch damit zu tun, dass die Geldpolitik an der Nullzinsgrenze durch den Einsatz anderer Instrumente wie Staatsanleihekäufe weder die Befürchtungen (Weimarer Verhältnisse) noch die Hoffnungen (merklich höheres Wachstum) erfüllt hat.

Auch die Lehrbuchlogik räumt ein, dass an der Zinsuntergrenze / in der Liquiditätsfalle eine fiskalische Expansion deutlich positiver auf das Wachstum wirkt als eine nochmalige Zinssenkung. Die Erklärungsmuster weichen zwischen der Logik eines Mundell-Fleming-Modells und der Ersparnisschwemme voneinander ab, nicht aber die generelle Stossrichtung im Sinne eines Deficit Spending.

Akademisch wie politisch gewinnt die Diskussion an Fahrt. Ob nun unter dem Mantel der MMT in den USA, unter dem Mantel eines „People’s QE“ in Grossbritannien oder jüngst mit der Idee, die Europäische Investitionsbank (EIB) könne in grossem Stil ökologische Modernisierungsprojekte finanzieren und die Europäische Zentralbank die Finanzierung der EIB übernehmen.

Inflationäre Grenzen

Nicht wegzudiskutieren ist, dass eine solche Politik ultimativ an inflationäre Grenzen stossen wird. Letztlich ist und bleibt die Ökonomie eine empirische Sozialwissenschaft. Der heutige instrumentelle und institutionelle Konsens, der unter dem Angriff von MMT gerade bröckelt, ist auf dem Hintergrund der inflationären Problemlagen der späten 1960er und frühen 1970er Jahre entstanden und hat diese durchaus erfolgreich bewältigt. Unter der heute anderen Problemlage von zu wenig statt zu viel Inflation mag ein anderer instrumenteller und institutioneller Rahmen besser geeignet sein. Ob MMT hier – vorübergehend – ein valides Konzept sein kann, wird sich gegebenenfalls in einem natürlichen Experiment zeigen.

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