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payoff Trading Desk

Roundtable Multi-Faktor Lösung EURO STOXX

11.04.2019 13 Min.
  • Serge Nussbaumer, Chefredaktor

Multi-Faktor-Konstruktionen liegen im Trend. Sie sollen in allen Marktphasen kontinuierliche Überrenditen erzielen. Im Rahmen eines Roundtable-Gesprächs diskutieren die Protagonisten des EURO STOXX Multi Premia über verschiedene Aspekte der Innovation.

STOXX bietet eine «offene Architektur» bei Partnerschaften und unterhält derzeit Kooperationen mit Systainalytics, CDP, Axioma, Finreon. Was muss Ihnen ein potentieller Partner bieten, damit Sie über eine Zusammenarbeit nachdenken?

Nico Langedijk: STOXX baut bereits seit Jahren erfolgreich auf Kooperationen und Partnerschaften. CDP liefert uns z.B. die umfassendste Sammlung von selbstberichteten Umweltdaten auf der Welt. Diese Daten sind für Städte, Unternehmen und Investoren von unschätzbarem Wert, um Massnahmen zum Aufbau einer wirklich nachhaltigen Wirtschaft zu ergreifen. STOXX integriert sie in eine ganze Reihe von ESG Indizes. Bei thematischen Indizes arbeiten wir eng mit FactSet zusammen, denn die systematische und präzise Identifizierung spezifischer themenbezogener Branchen ist eine Herausforderung. FactSet nutzt das Revere Business Industry Classification System (FactSet RBICS) mit seinen mehr als 1’400 granularen Branchenstufen. Ein weiteres Beispiel für eine Partnerschaft ist Yewno. Dieses Unternehmen, ansässig im Silicon Valley, untersucht mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz, wie viele Patente z.B. im Bereich Blockchain angemeldet werden. So identifiziert es Unternehmen, die zu unserem Blockchain Index gehören. Auch in Zukunft werden wir eine offene Architektur anbieten und uns weitere starke Partner ins Boot holen, die «best in class» sind.

 

Finreon ist einer der führenden europäischen Anbieter im Bereich Multi-Faktor-Investments. Welche Multi-Premia-Lösungen bieten Sie an?

Dr. Thomas Pfiffner: Über die letzten Jahre wurde die Multi-Premia-Lösungspalette kontinuierlich ausgebaut. Die verschiedenen Lösungen unterscheiden sich dabei in Bezug auf das Anlageuniversum (Region) sowie auf das Gewichtungsschema innerhalb der selektierten Faktorportfolios. In der Zwischenzeit gibt es Multi-Premia-Lösungen im Bereich Aktien Schweiz, Aktien Eurozone sowie Aktien Welt. Die Lösungspalette umfasst vier verschiedene Funds sowie zahlreiche Indizes.

 

Die in 2016 erfolgte Lancierung des CSIF (CH) Equity SPI Multi Premia Blue auf den SPI Multi Premia Index war ein voller Erfolg. Wie hoch ist aktuell das AuM der Strategie?

Dr. Valerio Schmitz-Esser: Wir sind sehr zufrieden mit der Entwicklung. Ganz offenbar trifft das Angebot den Nerv vieler Anleger. Das zeigt auch die Tatsache, dass sich das verwaltete Vermögen seit der Lancierung verzwanzigfacht hat. Aktuell liegen die AuM der Strategie bereits bei rund CHF 1 Milliarde − davon gut die Hälfte im CSIF (CH) Equity SPI Multi Premia Blue.

 

Finreon brachte jüngst den EURO STOXX Multi Premia in Zusammenarbeit mit STOXX und Credit Suisse Asset Management (Schweiz) AG heraus. Was sind die Überlegungen, die hinter dieser Kreation stecken?

Dr. Thomas Pfiffner: Mit der Lancierung des SPI Multi Premia als offizieller Multi-Faktor-Index im Bereich Aktien Schweiz ist uns in Zusammenarbeit mit der Schweizer Börse und der Credit Suisse Asset Management (Schweiz) AG eine veritable Erfolgsgeschichte gelungen. In der Zwischenzeit werden rund CHF 1 Milliarde, alleine basierend auf diesem Index, bewirtschaftet. Diese Erfolgsgeschichte möchten wir nun mit dem EURO STOXX Multi Premia in Zusammenarbeit mit STOXX europaweit fortsetzen. 

Nico Langedijk: Wir wollten zwischen Wissenschaft und praktischer Anwendung eine Lücke schliessen. Es war schon immer unser Ansatz, mit Kunden, Universitäten und erstklassigen Drittanbietern zusammenzuarbeiten, um ein intelligentes Investitionsökosystem zu schaffen. Die Multi-Premia-Methodologie wurde von Finreon entwickelt, einem Spin-off der Universität St. Gallen in der Schweiz. Von daher haben wir hier den optimalen Partner gefunden. Es handelt sich dabei um eine akademische, forschungsbasierte Multi-Premia-Methodik. Der EURO STOXX Multi Premia Index wird aus den sieben EURO STOXX Single Premium Indizes abgeleitet, die systematisch bewährte Aktienrisikoprämien erheben: Value, Size, Momentum, Residual Momentum, Reversal, Low Risk und Quality. Das den Portfolios zugrunde liegende Universum ist der EURO STOXX Index.

Dr. Valerio Schmitz-Esser: Mit Finreon arbeiten wir bereits seit dem Jahr 2009 zusammen. Uns hat von Anfang an die Innovationskraft bei Multi-Faktor-Indizes überzeugt. Wir sind der einzige Anbieter, der seit 2016 den SPI Multi Premia Index repliziert – mit Erfolg. Aus diesen positiven Erfahrungen heraus entstand die Idee, das Prinzip auch auf europäische Aktien anzuwenden. Damit eröffnen wir den Investoren eine weitere Möglichkeit zur Diversifikation.

 

Wieso haben Sie einen derartigen Index nicht selbst entwickelt?

Dr. Valerio Schmitz-Esser: Finreon ist auf solche Lösungen spezialisiert und geniesst einen sehr guten Ruf bei der Konzeption von Strategieindizes. Unser Fokus ist ein anderer: Wir konzentrieren uns darauf, die Replikation von Indizes zu perfektionieren. Darin sehen wir unsere Stärke, und genau das erwarten die Anleger von uns. Hinzu kommt: Würden wir als Fondsanbieter die Indizes selbst entwickeln, könnte keine unabhängige Erfolgskontrolle erfolgen. Die Neutralität des Index wird von den Investoren sehr geschätzt.

 

Was verbirgt sich konkret hinter der Multi Premia Strategie?

Dr. Thomas Pfiffner: Neben dem breiten Aktienmarkt (Aktienbeta) gibt es zusätzliche, in der Wissenschaft wie auch in der Praxis bewährte, Renditequellen, so genannte Faktorprämien (Value, Size, Momentum etc.). Mit der Multi-Premia-Strategie ermöglichen wir es Investoren, diese sieben weiteren Renditequellen systematisch und breit diversifiziert abzuschöpfen. Der Ansatz basiert auf neuesten Erkenntnissen aus der Finanzmarktforschung und baut auf mehrjähriger Entwicklungsarbeit auf.

 

«Bei thematischem Investieren legen Anleger ihr Geld in langfristig interessante Themen an.»

 

Wie sieht der Konstruktionsprozess aus? 

Dr. Thomas Pfiffner: Basierend auf einschlägigen und in der Wissenschaft bewährten Kennzahlen werden für jede Faktorprämie die besten Titel aus dem Anlageuniversum selektiert. Innerhalb dieser Einzelfaktor-Portfolios des EURO STOXX Multi Premia kommt ein Risk Parity für die Gewichtung der Einzeltitel zum Einsatz. Die sieben so konstruierten Faktor-Portfolios werden mit einem Equal-Contribution-To-Tracking-Error-Ansatz im EURO STOXX Multi Premia Portfolio aggregiert.

 

Wieso konzentriert sich die Credit Suisse Asset Management (Schweiz) AG bei Ihren Angeboten bislang ausschliesslich auf Multi Premia Ansätze?

Dr. Valerio Schmitz-Esser: Man kann durchaus eine Meinung haben, welche Faktoren künftig die beste Entwicklung bieten − mit absoluter Sicherheit vorhersehen kann man sie jedoch nicht. Übrigens bieten wir unseren Kunden durchaus Fonds auf Single Premia an, etwa zu Minimum Volatility. Das erweitert die Wahlfreiheit und ermöglicht, bestimmte Marktmeinungen im Portfolio abzubilden.

 

Was sind die Vorteile einer Multi Premia Indexlösung im Vergleich zu klassischen Indexfonds oder etfs auf den EURO STOXX 50?

Dr. Valerio Schmitz-Esser: Drei Aspekte halte ich für besonders wichtig: Erstens die bessere Diversifikation durch das grössere Anlageuniversum von rund 300 Titeln, statt 50 wie beim EURO STOXX 50. Durch dieses grössere Universum vermeiden wir zweitens die Übergewichtung von Large Caps, was bei ETFs auf marktgewichtete Indizes zu Buche schlägt. Und drittens die Abschöpfung der vielfältigen Faktorprämien: Value, Size, Momentum, Residual Momentum, Reversal, Low Risk und Quality.

 

Welche Rolle übernimmt Stoxx in der Promotion des neuen Angebotes?

Nico Langedijk: Ganz bewusst gehört der EURO STOXX Multi Premia Index zur Hauptfamilie STOXX Indizes – und nicht zur iSTOXX-Familie, die nach Kundenwunsch massgeschneidert ist. Wir geben diesem Index damit sehr viel Sichtbarkeit. Auch die Kombination der Multi-Premia-Methodologie mit unserem Flaggschiff Universum EURO STOXX tut das Ihre. Wir haben die EURO STOXX Single Premium Indizes auch in CHF eingeführt. Wir glauben, dass dies ein interessantes Angebot für Tracker-Zertifikate sein könnte, das Schweizer Kunden die Möglichkeit gibt, Positionen in bekannten einzelnen Premia wie Low Risk oder Momentum einzugehen. Das ist alles Teil unseres gesamtstrategischen Ansatzes. Von Kundenseite gibt es bereits viele Anfragen, diesen Index z.B. als Basiswert für Finanzprodukte zu nutzen. Wir sind hier generell offen für Lizenzierungen aller Art.

 

STOXX ist sehr aktiv auf Twitter. Was sind Ihre Hauptanliegen, die Sie über diesen Social Media Kanal den Interessenten mitteilen möchten?

Nico Langedijk: Twitter ist Teil unserer Social Media Strategie. Auch auf LinkedIn sind wir sehr aktiv. Diese Form der interaktiven, schnellen und direkten Kommunikation mit Interessengruppen, Kunden, Medien und der Öffentlichkeit hat sich mittlerweile fest etabliert. Wir sehen Social Media als Teil unserer Community-Entwicklung. Über unseren «Pulse Online» Blog bieten wir regelmässig Einblicke in wichtige Themen des Kapitalmarktes. Diese Inhalte teilen wir dann auch über unsere Social Media Kanäle, was unsere Kunden sehr gerne annehmen. Das zeigt sich auch in der Zahl unserer Follower, die über alle Kanäle stetig wächst. Gerne teilen wir diesen Artikel im Schweizer Jahrbuch für Strukturierte Produkte 2019 auch auf unseren Social Media Kanälen.

 

Welcher euro stoxx Faktorindex hat nach ihrer persönlichen Ansicht im 2019 das grösste Kursgewinnpotential?

Dr. Thomas Pfiffner: Die Kombination von verschiedenen Einzelfaktoren im EURO STOXX Multi Premia bringt den Vorteil mit sich, dass langfristig eine robuste Outperformance erzielt werden kann − und zwar gänzlich unabhängig von Prognosen, welche einzelnen Faktorprämien in naher Zukunft zur Outperformance beitragen werden: Ein Einsatz von Multi Premia ist somit ein grundsätzlicher Entscheid für eine breit diversifizierte Anlage in Faktorprämien, jedoch ohne die Gefahr, dass man auf die gerade «falsche» Faktorprämie setzt. 

Dr. Valerio Schmitz-Esser: Der Vorteil bei unseren Multi Premia Indexfonds ist ja gerade, dass solche Vorhersagen nicht zwingend sind. Als Indexfondsmanager habe ich keine Kristallkugel auf dem Schreibtisch, und daher verlasse ich mich auf den Grundsatz der Diversifikation.

 

Werden Sie als Börse aktiv auf Kundengruppen, mit denen Sie Beziehungen haben, zugehen, damit weitere Angebote auf die Faktor Indizes entstehen? 

Nico Langedijk: Wir sehen im Markt Interesse nicht nur für die Multi-Faktor-Variante auf EURO STOXX, sondern auch auf andere Flaggschiff-Universen wie stoxx Europe 600 oder stoxx Global 1800. Auch mehrere iSTOXX Faktor Indizes haben wir bereits lizenziert. Sie eignen sich hervorragend als Basiswert für entsprechende ETFs, können aber auch für Strukturierte Produkte eingesetzt werden oder eignen sich als Benchmark für Fonds, die dieses Thema aufgreifen. Wir entwickeln Indizes immer mit entsprechendem Feedback aus dem Markt. Und gerade für Faktor Indizes gibt es eine grosse Nachfrage.

 

Welche Ansätze verfolgt STOXX beim Design neuer thematischer, semi-aktiver Indexformen?

Nico Langedijk: Bei thematischem Investieren legen Anleger ihr Geld in langfristig interessante Themen an. Vielversprechend sind vor allem die Themen, die unsere Gesellschaft nachhaltig beeinflussen; Wir nennen sie Megatrends. Bei STOXX sehen wir derzeit drei interessante Megatrends: Demografie, Klimawandel und Technologie. Jeder Megatrend lässt sich wiederum in andere Themen unterteilen: Zur Technologie würden beispielsweise Blockchain, Künstliche Intelligenz oder Fintech gehören. Bei unseren thematischen STOXX Indizes stehen immer die Prinzipien der Replizierbarkeit, Transparenz und Liquidität im Mittelpunkt. Ausserdem müssen die thematischen Konzepte unter Berücksichtigung ihres Umfangs und ihrer Dauerhaftigkeit angemessen gewählt werden, um Modeerscheinungen zu vermeiden. Angesichts der Dynamik, mit der sich unsere Gesellschaft verändert, denken wir immer über neue thematische Indizes nach, um die Möglichkeiten, die diese Megatrends bieten, weiter zu nutzen und für Investoren greifbar zu machen.

 

Welche Pläne haben Sie bezüglich einer möglichen Erweiterung Ihres Angebotes?

Dr. Thomas Pfiffner: Der Vorteil der modularen Multi-Premia-Methodologie besteht in der Tatsache, dass diese bei gegebener Liquidität des Universums grundsätzlich universell einsetzbar ist. Multi-Premia-Lösungen auf weitere Länder und Regionen werden fortlaufend geprüft. Mehr können wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht verraten.

Dr. Valerio Schmitz-Esser: Wir halten stets nach Wegen Ausschau, die Wahlmöglichkeiten unserer Anleger zu erweitern. Am 3. Dezember 2018 haben wir beispielsweise einen bestehenden Fonds auf den MSCI Diversified Factor Mix umpositioniert. Dieser Index kombiniert die sechs MSCI Faktorindizes Quality, Momentum, High Dividend Yield, Enhanced Value, Minimum Volatility und Equal Weighted. Auch dabei haben wir bewusst keinen eigenen Index entwickelt, sondern einen neutralen herangezogen.

Nico Langedijk: Wir sehen im Markt grosses Interesse an weiteren Faktorindizes. Einer der Trends ist beispielsweise die Kombination von Faktorprämien mit den Themen ESG oder Climate.

 

VITA

Dr. Valerio Schmitz-Esser leitet seit März 2010 den Bereich Index Solutions im Asset Management bei der Credit Suisse Asset Management (Schweiz) AG in Zürich. Er ist seit Oktober 2000 in diesem Bereich tätig und übernahm bereits im August 2002 die Co-Leitung des Teams «Research and Active Strategies». Von März 2007 bis März 2010 führte er das Team «Client Solutions» und war stellvertretender Leiter der «Quantitative Strategies Group». Herr Dr. Schmitz-Esser durchlief von 1989 bis 1991 eine Banklehre bei der Vereins- und Westbank in Hamburg/Deutschland. Von 1991 bis 1996 studierte er Betriebswirtschaftslehre an den Universitäten Freiburg/Schweiz und Siena/Italien und wurde 2000 an der Universität Freiburg/Schweiz zum Dr. rer. pol. promoviert. Während des Studiums absolvierte Herr Dr. Schmitz-Esser Praktika bei der Ersten Invest Consult in Wien, der Bayerischen Vereinsbank in München sowie der Münchener Rück in Singapur. Im Sommer 2003 schloss er die Ausbildung zum Chartered Financial Analyst (CFA) erfolgreich ab.

Nico Langedijk verantwortet als Direktor im Sales-Bereich den Lizenzverkauf, das Kundenbeziehungsmanagement und den Vertrieb der bestehenden Indizes von STOXX Ltd. für die DACH-Region, Skandinavien und die Niederlande. Vor seinem Wechsel zu STOXX Ltd. arbeitete er fast zehn Jahre lang bei Investmentbanken wie Barclays Capital und Goldman Sachs. Zuletzt arbeitete Nico im Investment Solutions Team der Securities Division von BNP Paribas, wo er niederländische Pensionsfonds, Versicherungsgesellschaften und Vermögensverwalter betreute. Nico Langedijk hat einen Master-Abschluss in Ökonometrie, Wirtschaft und Finanzen von der Universität Amsterdam und ist seit 2005 CFA Charterholder.

Dr. Thomas Pfiffner ist Mitarbeiter des Investment Solutions Teams bei Finreon und in leitender Funktion verantwortlich für alle Smart Beta Anlagen. Er ist ein ausgewiesener Experte für multi-faktor-basierte Anlagen. Vor seiner Tätigkeit bei Finreon war er als Head Indexing bei Vescore, sowie Leiter Equity Portfolio Management bei 1741 Asset Management (ehemals Wegelin & Co. Asset Management) tätig. Dr. Thomas Pfiffner studierte an der Universität St. Gallen Volkswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Finance (lic.oec.hsg) und promovierte dort in Finanzmarkttheorie zum Thema „Asset Liability Methoden für Pensionskassen und private Investoren“ (Dr. oec. hsg). Darüber hinaus wurde sein Forschungsbeitrag über alternative Indexierungsmethoden mit dem William F. Sharpe Indexing Achievement Award ausgezeichnet. 

 

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