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Russlands Beziehungen zu China und Indien stehen unter Druck

14.03.2022 5 Min.
  • Daryl Liew, Chief Investment Officer

Während Peking die Massnahmen des Kremls nicht anprangerte, hielten sich mehrere grosse chinesische Staatsbanken an die US-Sanktionen gegen Russland.

Die Situation änderte sich im letzten Monat völlig: Der russische Einmarsch in die Ukraine am 24. Februar löste einen starken Anstieg der Rohstoffpreise und eine Korrektur bei risikoreichen Anlagen aus. Während der aggressive Akt Russlands von der internationalen Gemeinschaft im Allgemeinen universell kritisiert wurde, gab es einige bemerkenswerte Ausnahmen. In Asien nahmen sowohl China als auch Indien eine neutrale Position ein und enthielten sich offiziell der Stimme im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zu der Frage, ob nach der Invasion eine Dringlichkeitssitzung abgehalten werden sollte. China ist eines der fünf ständigen Mitglieder des Rates, während Indien derzeit zu den zehn nichtständigen Mitgliedern gehört.

Russische Waffen nach Indien und China

Es ist vielleicht nicht überraschend, dass beide Länder eine solche Position eingenommen haben: China und Indien haben seit langem verknüpfte wirtschaftliche und verteidigungspolitische Interessen mit Russland. Laut AidData ist Russland das Land, das von China die meisten Kredite erhält, darunter 86 Milliarden US-Dollar von politischen Banken und staatlichen Geschäftsbanken, die hauptsächlich durch zukünftige Ölexporte abgesichert werden. Russland ist auch ein langjähriger Lieferant von Rüstungsgütern für Indien, und die beiden Länder haben kürzlich einen zehnjährigen Pakt über die Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich unterzeichnet. Russland exportiert seine Waffen hauptsächlich nach Indien, gefolgt von China an zweiter Stelle.

Auch persönliche Beziehungen

Der russische Präsident Wladimir Putin scheint auch enge persönliche Beziehungen zu den Führern der beiden asiatischen Länder zu pflegen: Zu Beginn der Olympischen Winterspiele im Februar traf er sich mit dem chinesischen Präsidenten Xi in Peking. Die beiden Staatsoberhäupter erklärten, dass die Freundschaft zwischen ihren Ländern «keine Grenzen» kenne. Putin besuchte auch Premierminister Modi in Neu Delhi während des 21. Indien-Russland-Gipfels im Dezember, bei dem 28 Abkommen unterzeichnet wurden, die die Freundschaft und enge Partnerschaft zwischen den beiden Ländern bekräftigten. Die Tatsache, dass dies erst die zweite Auslandsreise Putins seit der Pandemie ist, verdeutlicht die Bedeutung, die er diesen Beziehungen beimisst.

Die Stärke dieser Beziehungen wird nun durch die laufende Invasion auf eine harte Probe gestellt. Ohne das Vorgehen Russlands offiziell zu verurteilen, bekräftigte der chinesische Aussenminister, dass die Grundsätze der Vereinten Nationen und die Souveränität der Nationen respektiert werden sollten und dass Streitigkeiten durch friedlichen Dialog und Verhandlungen gelöst werden sollten. Auch Premierminister Modi forderte einen Waffenstillstand und die Rückkehr an den Verhandlungstisch, um Streitigkeiten durch Gespräche zu lösen. Indien könnte von den USA wegen des Kaufs von S-400-Raketen von Russland mit Sanktionen belegt werden.

Russland braucht China und Indien

Die meisten anderen asiatischen Länder haben sich gegen die Invasion Russlands ausgesprochen und Schritte unternommen, um internationale Sanktionen gegen russische Stellen zu verhängen. China verzichtete zwar darauf, das Vorgehen Russlands zu verurteilen. Doch mehrere grosse chinesische Staatsbanken hielten sich an die US-Sanktionen gegen Russland und begannen, die Finanzierung von Rohstoffkäufen einzuschränken. 2014 hatten chinesische Banken die US-Sanktionen gegen russische Einheiten nach der Annexion der Krim ebenfalls in ähnlicher Weise umgesetzt. Die USA sind nach wie vor Chinas grösster Handelspartner und China muss auf mögliche rechtliche Verzweigungen achten, wenn es gegen internationale Sanktionen verstösst. Indien ist ebenfalls besorgt über die Auswirkungen der Sanktionen auf bestimmte Sektoren seiner Wirtschaft und könnte von den USA bestraft werden, weil es S-400-Raketen von Russland trotz dem Gesetz CAATSA (Countering America’s Adversaries Through Sanctions Act) gekauft hat. Die USA haben bereits chinesische und türkische Einrichtungen nach diesem Gesetz für den Kauf des S-400-Raketensystems von Russland sanktioniert.

Da die internationalen Sanktionen allmählich Früchte tragen, wird sich Russland wahrscheinlich an China und Indien wenden, um weitere wirtschaftliche Unterstützung zu erhalten. Dies könnte sowohl Chancen als auch Bedrohungen für beide Nationen mit sich bringen. Es könnten sich Möglichkeiten ergeben, russische Produkte zu niedrigeren Preisen als den Marktpreisen zu kaufen, allerdings mit dem Risiko, dass einige Länder neue Sanktionen verhängen. Für Investoren stellt dies eine weitere Ebene der Analyse dar, die erfolgreich abgeschlossen werden muss.

Bio

Daryl Liew ist Chief Investment Officer für Reyl Singapore. Er ist an der Asset-Allokation beteiligt und hat ferner eine Aufsichtsfunktion, um sicherzustellen, dass die Anlageentscheidungen den Erwartungen der Kunden entsprechen. Von 2002 bis 2010 arbeitete er bei Providend Ltd in Singapur und war zuletzt in der Generaldirektion für die Investments verantwortlich. In dieser Eigenschaft war er auch Mitglied des Investitionsausschusses des Unternehmens und verwaltete sowohl die Portfolios von Providend als auch Kundenkonten. Er geniesst allgemeine Anerkennung und gehört zu den Verfassern des „Singapore Master Financial Planning Guide“. Aus seiner Feder stammen ferner zahlreiche Artikel über die Grundlagen und Trends im Investmentsektor. Daryl Liew besitzt einen Master in Business Management, Fachgebiet Finanzwesen, des Asia Institute of Management (Philippinen, 2002). Er verfügt ferner über eine Zulassung als CFA (2005).

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