Short Squeeze: um was geht es?

• Stefano Gianti, Education Manager
  

Aktienmärkte sind höchst unberechenbar. Ein plötzlicher Wechsel in der Kursbewegung (nach oben oder unten) ist ein häufiges Phänomen. Die meisten dieser Verschiebungen werden durch eine zugrunde liegende Logik/Nachricht unterstützt. Aber oft finden diese Bewegungen auch ohne Grund statt.

Was ist ein Short Squeeze?

Ein Short Squeeze ist ein Begriff, der an den Aktienmärkten verwendet wird, um einen starken Anstieg des Aktienkurses anzuzeigen, bei Titeln mit einer hohen Anzahl an Leerverkäufen. Die Voraussetzung für Leerverkäufe ist das Vorhandensein eines Aktienterminhandels. Bis zur Einführung des elektronischen Handels an der Schweizer Börse 1995/1996 konnte hierzulande jedermann Aktien auf einen Termin kaufen oder verkaufen konnte, ohne sie physisch zu besitzen. Man bezahlte für diese Möglichkeit einen Aufpreis gegenüber dem Kassakurs und musste anschliessend die Position lediglich innerhalb des gewählten Zeitraums – in der Regel 1 bis 3 Monate –schliessen. Am Verfalltag erhielt man die Differenz zwischen dem Kauf- und Verkaufskurs gutgeschrieben oder belastet. Ein Leerkäufer oder ein Leerverkäufer leiht sich das Geld, um ein Termingeschäft zu tätigen. Er ist aber nicht im Besitz des zugrundeliegenden Wertpapiers. Termingeschäfte helfen, die Marktliquidität zu erhöhen, bergen aber im Extremfall, wenn sehr viele Aktien von einem oder mehreren Anlegern eines Titels in Relation zur insgesamt verfügbaren maximalen Anzahl leerverkauft werden, das Risiko, einen Short Squeeze zu erleiden. Waren bei Short Squeeze in der Vergangenheit meistens falsche Zukunftseinschätzungen die Ursache, so zeigen die jüngsten Ereignisse, dass sie auch ohne offensichtliche Gründe vorkommen können. Das Endresultat ist in beiden Fällen dasselbe. Die Leerverkäufer geraten in eine Negativspirale, in der sie zurückkaufen und zum Anstieg und damit zu ihren eigenen Verlusten beitragen müssen, während die Gewinner die Anleger mit Long-Positionen sind.

Beispiele der jüngsten Vergangenheit

Für Aufsehen sorgte zu Beginn des Jahres die Aktie von GameStop. GameStop ist ein amerikanischer Einzelhändler für Videospiele und Gaming-Merchandise, dessen Aktien am 12. Januar 2021 bei unter 20 $ pro Aktie schlossen. Innerhalb von zehn Handelstagen kam es zu einer Reihe von Short-Squeezes, die den Aktienkurs auf das über 15-fache ansteigen liessen und schliesslich im Tagesverlauf des 28. Januars in der Spitze zu einem Aktienkurs von 485 $ führten. Ein ähnlicher Trend war bei AMC Entertainment, einer Kinokette, zu beobachten, wo der Aktienkurs am 27. Januar 2021 um *rund 300% anstieg und bei $19,88 schloss.

Neue Marktentwicklungen

Short Squeezes gibt es schon lange, allerdings standen dahinter bislang Profi-Anleger. Eines der aufsehend erregendsten Beispiele war die im Jahr 2008 erfolgte Kursexplosion bei der Volkswagen-Aktie, weil einige institutionelle Investoren leerverkauft hatten und nach einem Kursplus Deckungskäufe in grossem Umfang vornehmen mussten. Ein Grund des Short Squeeze bei VW war unter anderem eine Verwechslung der US-Investoren, die mit der Einteilung der Aktien in Stamm- und Vorzugsaktien nicht zurechtkamen und erst recht nicht mit der Aktionärsstruktur. Das Besondere an den Beispielen Gamestop oder AMC war, dass dieses Mal Kleinanleger die zentralen Akteure waren, die die Kurse gezielt hochgetrieben haben. Gleichzeitig waren die betroffenen Aktien aber auch besonders geeignet für eine solche Aktion, weil es sich um relativ kleine Unternehmen und einen entsprechend engen Markt handelt. Short Squeezes können in allen Märkten vorkommen. Auch an der Schweizer Börse lassen sich in jüngster Vergangenheit derartige Vorkommnisse nachweisen beispielsweise bei Dufry, Molecular, Wisekey, U-Blox, Santhera, Meyer Burger, Autoneum, Zur Rose oder Basilea.

Wie kann man Short Squeezes vorhersagen?

Wenn es einen plötzlichen Anstieg in der Anzahl der gekauften Aktien gibt, könnte dies ein Warnzeichen für einen bevorstehenden Short Squeeze sein. Der prozentuale Anteil der Leerverkäufe, also die Anzahl der leerverkauften Aktien geteilt durch die Anzahl der im Umlauf befindlichen Aktien, ist ein weiterer Indikator, den man beachten sollte. Ein hoher Short-Interest-Prozentsatz bedeutet, dass mehr Leerverkäufer miteinander konkurrieren, um die Aktie zurückzukaufen, wenn ihr Preis steigt, und es ist wahrscheinlicher, dass sich ein Short-Squeeze bildet.

Wetten auf einen Short-Squeeze

Contrarian-Investoren können Aktien mit hohem Short-Interesse kaufen, um das Potenzial für einen Short-Squeeze auszunutzen. Aktive Trader beobachten Aktien mit hohem Short-Interesse. Sie achten dabei auf allfällige Kursanstiege. Erfahrene Händler steigen bei einem potentiellen Short Squeeze erst ein, wenn der Kurs beginnt, an Dynamik zu gewinnen. Short Squeezes passieren in der Regel bei Aktien mit hohen Leerverkaufsquoten. Allerdings sind die Erwartungen von Leerverkäufern an fallenden Kursen oft gut begründet, weil sie auf einer genauen Betrachtung der Unternehmen beruhen. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Fall Wirecard, wo Leerverkäufer schon weit vor dem Bekanntwerden des Bilanzbetrugs mit fallenden Kursen gerechnet haben.

Risiken beim Handel mit Short Squeezes

Es gibt viele Aktien, die sich nach einem starken Short-Interesse nach oben bewegt haben. Es gibt aber auch viele Aktien, die stark geshortet sind und weiter im Preis fallen. Ein hohes Short-Interesse zeigt an, dass viele Leute einen Kursrückgang erwarten. Es bedeutet nicht, dass der Preis steigt. Daher sollte jeder Händler, der mit der Hoffnung auf einen Short-Squeeze kauft, andere und bessere Gründe haben, um über den Preisanstieg nachzudenken. Für die Leerverkäufer gilt es, die hohen Leihkosten der Aktien zu beachten. Ferner besteht die Gefahr unendlicher Verluste, da ein Kursanstieg der Aktie nach oben nicht begrenzt ist, zumal die Leerverkäufer den Wert irgendwann zurückkaufen müssen.

Wie identifizieren Sie einen Short Squeeze

Auskunft darüber liefert das Short Interest Ratio. Diese Kennzahl gibt das Verhältnis aller getätigten Leerverkäufe zum durchschnittlichen Tagesumsatz an. Als Trader oder Investoren können Sie daraus ablesen, wie viele Tage es ungefähr dauert, bis die Short Seller die Positionen zurückkaufen müssen. Offizielle Zahlen Angaben gibt es an den europäischen Börsen jedoch entweder verspätet oder gar nicht. Gute und zeitnahe kostenlose Angaben liefern nur die New Yorker Börse. Diesbezügliche Informationen finden sich beispielsweise auf der Webseite www.highshortinterest.com.
 
Tabelle 1: Short Interest Ratio vom 30.Juni 2021